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Familienunternehmen: Selten Frauen an der Spitze

„Bis vor kurzem konnte man den Eindruck gewinnen, die Familienunternehmen befänden sich beim Thema moderne Führung und Diversität in einem kollektiven Dornröschenschlaf. Jetzt ist etwas Bewegung in die Rekrutierung von Frauen für die Geschäftsführungen gekommen“, heißt es im aktuellen Report der AllBright-Stiftung zum Frauenanteil in Familienunternehmen. Im Detail meinen die Studienverfasserinnen und -verfasser damit: In den Geschäftsführungen der 100 größten deutschen Familienunternehmen gibt es 4,3 Prozent mehr Frauen als vor zwei Jahren. Der Frauenanteil auf der höchsten Führungsebene liegt damit bei 12,6 Prozent. Eine positive Bewegung, die allerdings nichts daran ändert, dass bei mehr als der Hälfte besagter Unternehmen gar keine Frau an der Spitze ist. Woran liegt das?

Der Ist-Zustand

Momentan gibt es in 53 der 100 größten deutschen Familienunternehmen keine Frau auf der höchsten Führungsebene. Dem gegenüber stehen 47 Unternehmen mit mindestens einer Geschäftsführerin. In sechs von ihnen befinden sich zwei Frauen in der Geschäftsführung, bei zweien – bei B. Braun Melsungen und Stihl – drei. In den vergangenen zwei Jahren ist dieser Frauenanteil weitaus mehr gestiegen als wiederum in den beiden Jahren davor – 2024 wurde ein Anstieg von 4,3 Prozent verzeichnet, der einem Zuwachs von nur 1,4 Prozent zwischen 2020 und 2022 gegenübersteht. Fränzi Kühne, Chief Digital Officer bei edding und Mitglied des Beirats bei der AllBright Stiftung, bezeichnet die Situation auf Linkedin als „traurig“. Das Sichtbarmachen der Missstände sei allerdings die Grundlage „für das nächste Gespräch, in dem behauptet wird, wir stellen uns an“.

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Gründe für den niedrigen Frauenanteil

Den bisherigen „Dornröschenschlaf“ erklären sich die Verfasserinnen und Verfasser der Studie vor allem mit dem anderen Rhythmus in Familienunternehmen: Sie denken bei Beförderungen zu Führungspositionen in Generationen und nicht in Quartalen. Die meisten Familienunternehmen wurden von Männern gegründet, die dementsprechend auch in der Geschäftsführung sitzen und meist andere Männer neben sich auf die höchste Führungsebene befördert haben. Sie bleiben oftmals im Amt bis zu ihrem Ruhestand. Und in diesen gehen demnächst einige: Die Stiftung Familienunternehmen rechnet damit, dass in den kommenden drei Jahren in etwa der Hälfte besagter Organisationen die jüngere Generation die Führung übernimmt.

Doch der Generationswechsel hat mancherorts schon begonnen. Seit März 2022 wurden in deutschen Familienunternehmen 129 neue Personen in die Geschäftsführung rekrutiert, nur fünf davon stammen aus der Eigentümerfamilie. Die Mehrheit waren damit angestellte Führungskräfte. Fast jedes vierte neue Geschäftsführungsmitglied war weiblich. Interessant ist: Während die neuen männlichen Geschäftsführer überwiegend aus dem Unternehmen selbst kamen, wurden Geschäftsführerinnen eher von extern rekrutiert. Daraus lässt sich schließen, dass die Förderung und Weiterentwicklung von Frauen innerhalb der Familienunternehmen Verbesserungsbedarf haben.

Worauf sich Familienunternehmen bei ihrem wirtschaftlichen Agieren fokussieren, ist meist „von den Werten und Prioritäten einer starken Eigentümerfamilie bestimmt“, heißt es im AllBright-Report, „und nicht von Kapitalmarkt und Investoren wie bei den typischen Börsenunternehmen“. Während letztere klassische Börsenunternehmen deshalb seit Jahren immer stärker dazu auffordern, Chancengleichheit und Vielfalt im Management zu einer Priorität zu machen, beginnen sich die meisten Eigentümerinnen und Eigentümer der Familienunternehmen Diversity erst jetzt langsam zu widmen.

Dabei zeigt sich: Öffentlicher Druck ist hilfreich für die Frauenförderung. Denn Familienunternehmen, die an der Börse gelistet sind, haben tendenziell mehr Frauen in der Geschäftsführung als solche, die nicht börsennotiert sind – 19,6 Prozent Frauenanteil gegenüber 10,6 Prozent. Die Verfasserinnen und Verfasser des AllBright-Reports schließen daraus: „Je höher die Transparenz der Unternehmen ist und je mehr Einfluss familienfremde Akteure haben, desto höher ist der Frauenanteil in der Geschäftsführung.“ Das zeigt auch ein Vergleich des Frauenanteils in den Dax40-Unternehmen, welcher bei 23,7 Prozent liegt.

Stichwort Ähnlichkeitseffekt: „Der typische CEO neigt dazu, Personen zu befördern, die ihm sehr ähnlich sind“, heißt es vonseiten der AllBright-Stiftung. Somit reproduzieren sie sich selbst und stellen eine Art Mini-Me von sich selbst ein. Unter anderem deshalb trägt derzeit jedes 15. männliche Geschäftsführungsmitglied den Namen Stefan.

Was lässt sich aus den Ursachen ableiten?

Die Otto Group wird 2025 zwei Frauen in der Geschäftsführung haben. Die derzeitige Vorständin für Finanzen, Controlling und Personal, Petra Scharner-Wolff, rückt zur Vorstandsvorsitzenden auf, während Kathy Roewer ihr Vorstandsamt übernimmt. Den Frauenanteil zu erhöhen, sei ein bewusstes Ziel des Unternehmens, sagt Michael Otto, Aufsichtsratsvorsitzender der Otto Group. Dafür verankere das Familienunternehmen Diversität im Talentmanagement. „Wer mehr Frauen in den Führungspositionen sehen möchte, muss eben auch weibliche Nachwuchstalente in entsprechender Zahl entwickeln und ihnen die Chance geben, Erfahrungen zu sammeln“, so Otto.

Letzte Tür bleibt geschlossen

Interessanterweise verfahren Familien, in denen es keine Frau in der Geschäftsführung gibt, ähnlich – und nehmen es sich eigenen Aussagen nach auch oftmals zum Ziel, Frauen zu fördern. So etwa Bertelsmann. Auf die Frage, warum es im Unternehmen keine Geschäftsführerin gibt, verweist ein Sprecher auf zahlreiche interne Maßnahmen zur Frauenförderung. „Die Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen ist eine langfristige Aufgabe, die Bertelsmann durch die Stärkung eines systematischen Talentmanagements, die gezielte Entwicklung weiblicher Talente mit entsprechenden Besetzungsentscheidungen sowie die Förderung einer offenen und wertschätzenden Unternehmenskultur angeht.“ Damit sei man durchaus erfolgreich. So habe es 2023 im Unternehmen einen Frauenanteil von 35 Prozent im Top-Management und 36 Prozent im Senior-Management gegeben. Auf der letzten Hierarchiestufe schien den Frauen dann bisher aber die Tür versperrt gewesen zu sein.

Ähnliche Worte werden von der Heraeus Gruppe und der Würth Gruppe mitgeteilt. Hereaus hat sich als Techunternehmen auf die Verarbeitung von Edelmetallen spezialisiert. „Für Hereaus sind Vielfalt, Chancengleichheit und Teilhabe entscheidend für den langfristigen Erfolg. Wir setzen auf Diversität im Denken und inklusive Führung“, sagt Martina Gieg, Group HR Officer. Sie ist die einzige Frau im sogenannten Group Management Committee, das der Geschäftsführung – bestehend aus drei Männern – untergeordnet ist. Über alle leitenden Positionen hinweg liege der Frauenanteil bei 21 Prozent. Geplant sei es, diesen Anteil zukünftig zu steigern. Ob auch auf Geschäftsführungsebene, ist unklar. Eine Sprecherin der Würth-Gruppe verweist trotz fehlender Frau in der Konzernführung ebenfalls auf Diversity-Förderungen wie Mentoringprogramme oder Führung in Teilzeit innerhalb der Gruppe und darauf, dass in 72 Gesellschaften der Gruppe Frauen in der Geschäftsführung vertreten seien.

Die Schwarz Gruppe, zu der die Ketten Kaufland und Lidl gehören, steht ebenfalls auf der Negativliste im AllBright-Report befindet, scheint mit der derzeitigen Frauenquote im eigenen Unternehmen zufrieden zu sein. „Seit Jahren sind zahlreiche Frauen in der Geschäftsführung, der Geschäftsleitung sowie im Vorstand der Unternehmen der Schwarz Gruppe tätig“, sagt eine Unternehmenssprecherin. „Insgesamt waren im Geschäftsjahr 2022 über alle Hierarchieebenen hinweg rund 42 Prozent der Leitungsfunktionen mit Frauen besetzt.“ Eben nur nicht auf der höchsten Ebene der Schwarz Gruppe. Warum bleibt unklar. Von der Schwarz Gruppe heißt es derweil: „Der Weg in eine Führungsposition steht bei der Schwarz Gruppe grundsätzlich allen Beschäftigten offen.“ Ob das wirklich so ist, stellt die AllBright-Stiftung mit Ihrem Report infrage.

Info

Lena Onderka ist redaktionell verantwortlich für den Bereich Employee Experience & Retention – wozu zum Beispiel auch die Themen BGM und Mitarbeiterbefragung gehören. Auch Themen aus den Bereichen Recruiting, Employer Branding und Diversity betreut sie. Zudem ist sie redaktionelle Ansprechpartnerin für den Deutschen Human Resources Summit.