Leadership:
Wenn man nicht weiß, wo lang

Wer sich auf die Suche nach Weiterbildungsangeboten für seine leitenden Angestellten macht, stößt auch auf neue Anbieter mit innovativen Ansätzen. Wir stellen drei in einer Multimedia-Story vor.

28.03.2023 von Gesine Wagner

Round Table bAV: Quo vadis, Altersvorsorge?

27. November 2024 von Christiane Siemann

Überzeugt das Zweite Betriebsrentenstärkungsgesetz? In der Round-Table-Diskussion wägen auf betriebliche Altersvorsorge spezialisierte Experten die Wirkung ab. Zudem erläutern sie die Folgen der Zinsschwankungen der vergangenen drei Jahre.

Laut Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) haben 46 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland 2024 keine Betriebsrente. Damit sind es in etwa genauso viele (45,9 Prozent) wie 2018, also in dem Jahr, in dem das Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG), das Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG), in Kraft trat. Ziel des Gesetzes war, die Teilnahmequote an der betrieblichen Altersversorgung (bAV) zu erhöhen. Um vor allem kleinere und nicht tarifgebundene Unternehmen sowie Geringverdiener zu erreichen, führte das Gesetz Neuerungen ein, unter anderem die reine Beitragszusage über das Sozialpartnermodell (SPM), den Anspruch auf eine bAV durch Entgeltumwandlung sowie den Pflichtzuschuss des Arbeitgebers von 15 Prozent, wenn dieser durch die Entgeltumwandlung Sozialversicherungsbeiträge spart.

„Wir sehen unglaubliche internationale Veränderungen als Folge der Krisen“, sagt Sven R. Becker, Vorstand der imc AG. „Die vergangenen Krisenjahre sind auch an uns nicht spurlos vorübergegangen.“ Aufgrund der starken internationalen Ausrichtung hätten die Krisen sein Unternehmen allerdings nicht so stark getroffen, wie einige andere Marktteilnehmer. „Wir konnten den Rückgang hierzulande durch unser internationales Geschäft gut ausgleichen.“ Die gesamte Branche wandle sich aufgrund internationaler Volatilitäten jedoch zurzeit enorm. „Das wird für uns alle die ganz große Herausforderung der nächsten Jahre sein.“

Das Wichtigste in Kürze

  1. Das Betriebsrentenstärkungs­gesetz II (in der Fassung von September 2024, vor dem Aus der Ampel-Koalition) klärt viele offenen Fragen zur klassischen bAV nicht. Der Zugang zum SPM wird vereinfacht.
  2. Unternehmen mit Betriebsrat können auf Grundlage einer Betriebsvereinbarung – auch ohne tarifvertragliche Grundlage – ein Opting-out-Modell gestalten. Ohne gewählten Betriebs- oder Personalrat kann Opting-out nicht umgesetzt werden.
  3. Auch wenn der Garantiezins deutscher Lebensversicherer ab 2025 wieder steigt, ist nicht damit zu rechnen, dass das Garantieniveau der Leistungszusagen wieder angehoben wird.
  4. Wer eine Teilrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht, soll auch die Betriebsrente in Anspruch nehmen können. Das eröffnet Beschäftigten mehr Gestaltungsspielraum vor dem offiziellen Renteneintrittsalter. Unternehmen müssen sich darauf einstellen, dass rentennahe Jahrgänge ihre Arbeitszeit stärker reduzieren oder früher aussteigen.
  5. Die digitale bAV-Administration hat sich noch nicht durchgesetzt. Im Mittelstand gibt es Aufholbedarf.
  6. Gen Y und Gen Z haben ein geschärftes Bewusstsein für die Altersvorsorge, wünschen sich aber mehr Flexibilität beim Zugriff auf Erspartes und einfachere Modelle.

“Beim bAV-Sparbuch verbleibt das Geld im Unternehmen und wird nicht über Versicherungen verwaltet, daher hatte die Niedrigzinsphase keine Auswirkungen für Sparerinnen und Sparer.”

Joachim Bangert, Gründer und Vorstand, Auxilion AG

BRSG II – das „Sozialpartner­modellstärkungsgesetz“

Lob und Anerkennung zollten die Teilnehmenden des Round Table dem Gesetzgeber für seinen Plan, die Fördergrenzen für Geringverdiener anzuheben und die Gehälter zu dynamisieren – und das sogar schon ab dem 1. Januar 2025. „Das BRSG II zahlt darüber hinaus auf die Verbreitung der bAV ein, indem es die Bedingungen für die Teilnahme am Sozialpartnermodell weiterentwickelt“, sagt Hanne Borst. Die Leiterin Altersvorsorge bei Willis Towers Watson bewertet es als positiv, dass bisher unversorgte Mitarbeitende und kleine Unternehmen einen erleichterten Zugang zur bAV bekommen. Sie sagt: „Die Einschlägigkeitsverordnung zur Tarifbindung wurde stark modifiziert, da ein Tarifpartner nun ein SPM verhandeln kann, das in anderen Branchen vertreten ist.“

Kritisch beurteilt Hanne Borst dagegen, „dass die traditionelle klassische bAV, die überwiegend vorherrscht, im Gesetz nur sehr wenig Änderungen und Klarstellungen erfahren hat“. Bei Pensionskassen sind zwar mehr Möglichkeiten vorgesehen, sich zu konsolidieren oder die Kapitalanlage kapitalmarktorientierter zu gestalten, aber für die klassische bAV seien wichtige Aspekte wie die offenen Fragen zu Garantien bei der Beitragszusage mit Mindestleistungen (BZML) und der beitragsorientierten Leistungszusage (BOLZ) nicht aufgegriffen worden. „Die Chancen, die Renditen aus der klassischen bAV zu erhöhen, wurden somit limitiert“, bemängelt die bAV-Spezialistin und ergänzt: „Das BRSG II erweckt den Eindruck, dass die Politik ihre Schwerpunkte auf das Sozialpartnermodell sowie die staatlich geförderte private Altersvorsorge legt.“ Das bedauert sie vor dem Hintergrund einer bewährten leistungsstarken bAV, „denn die Stärke liegt in der effizienten Absicherung von Kollektiven, sie verdient Wertschätzung genauso wie die vielen Arbeitgeber, die sich seit Jahren zu dieser bekennen“. Sie hofft, dass die Regierenden noch einmal genau hinschauen, was notwendig ist, um die bestehende bAV zu stärken und „ungleiche Strukturen sowie eine Art Konkurrenzprodukt durch die private Altersversorgung zu verhindern“.

Genaues Abwägen erforderlich

Dieser Einschätzung schließt sich Per Protoschill, Geschäftsführer der Stuttgarter Vorsorge-Management GmbH, an: Der Fokus des BRSG II liege auf dem SPM. Er vermisst staatliche Impulse zu Themen, die schon lange und mehrfach adressiert wurden, beispielsweise wieder einen Gleichlauf von Steuer und Sozialversicherung herzustellen. Derzeit sind acht Prozent der Beitragsbemessungsgrenze steuerfrei, während nur vier Prozent in der Sozialversicherung flankiert sind. „Das hält Besserverdiener von einem Mehr an Eigenvorsorge ab.“ Für Niedrigverdiener hätte sich Protoschill gewünscht, „das Fördervolumen für Arbeitgeber auszuweiten, sodass gerade im unteren Lohnbereich stärkere Impulse gesetzt werden können“. Ebenso sei eine arbeitsrechtliche Klarstellung des Garantieniveaus für eine beitragsorientierte Leistungszusage oder eine Anpassung des steuerlich zulässigen Zinssatzes an die Marktrealität überfällig, doch der Gesetzgeber habe nicht reagiert.

Ob und wann sich durch das BRSG II das SPM mehr verbreitet, ist noch offen. Ideal scheint es für kleine Unternehmen, die weder das interne Know-how noch die Personalressourcen für eine bAV haben. Allerdings müssen Arbeitgeber, die sich für ein SPM entscheiden, auch einige Hürden in Kauf nehmen: Ob ein Unternehmen mitmachen darf, entscheiden die Sozialpartner, die das System tragen. Außerdem entstehen für Arbeitgeber Kosten, damit sie bei der Durchführung und Steuerung außen vorbleiben können. Per Protoschill sagt: „Hier sollten sie genau abwägen, ob sie selbst eine bAV einrichten oder dem SPM-‚System‘ beitreten wollen.“

Für ausgewählte aktuelle Themen lädt die Personalwirtschaft Expertinnen und Experten zu einem Round Table ein. Beim aktuellen Round Table diskutierten die Teilnehmenden Entwicklungen im Bereich betriebliche Altersversorgung (bAV). Die Expertenrunde wurde von Kirstin Gründel, Redakteurin der Personalwirtschaft, und Christiane Siemann, freie Journalistin, moderiert.

Berichte zu unseren Round Tables finden Sie auf unserer Übersichtsseite.

Neu: vorgezogener Bezug der bAV möglich 

Ein genauer Blick in das BRSG II zeigt zumindest punktuelle Änderungen für die arbeitgeberfinanzierte bAV: Um in den Genuss der Altersrente aus klassischen Versorgungswerken zu kommen, mussten Beschäftigte bisher eine Vollrente aus der gesetzlichen Rente beziehen. Wird der Gesetzentwurf in der aktuellen Fassung umgesetzt, ändert sich dies voraussichtlich ab 2026: Wer eine gesetzliche Teilrente vor Erreichen der Regelaltersgrenze bezieht, kann auch die Betriebsrente in Anspruch nehmen – sofern andere Voraussetzungen wie etwa die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses erfüllt sind.

Änderungen gibt es auch bei der Behandlung von Wertguthaben aus einem Langzeitkonto. „Führt der Bezug der gesetzlichen Teilrente aktuell zu einem sogenannten ‚Störfall‘, soll zukünftig ein Entsparen bis zur Regelaltersgrenze möglich sein“, erläutert Klaus Bednarz, Principal von Mercer Deutschland. Ältere Mitarbeitende könnten somit ihre Arbeitszeit zum Beispiel ab dem Alter von 63 in Abstimmung mit ihrem Arbeitgeber reduzieren und die finanzielle Lücke durch eine Kombination aus gesetzlicher Teilrente und gegebenenfalls durch Wertguthaben aus einem Langzeitkonto schließen. Bednarz sieht in den geplanten Neuerungen Gestaltungsmöglichkeiten für Beschäftigte für einen fließenden Übergang von der Erwerbs- in die Rentenphase, „auf die sich Arbeitgeber, Beratende und Versicherungsunternehmen vorbereiten sollten, indem sie die Versorgungssysteme flexibler gestalten“.

Für Beschäftigte, die eine Teilrente beziehen und Begünstigte einer Betriebsrente sind, ist die vorzeitige Nutzung der bAV durchaus attraktiv, bestätigt auch Martin Bierwirth, Leiter Pensions bei Rheinmetall. „Wenn Arbeitnehmer eine Teilrente in Höhe von 99 Prozent erhalten, mussten wir ihnen in den letzten Jahren mitteilen, dass sie noch keine bAV-Leistungen in Anspruch nehmen können.“ Jedoch gibt es mit dem BRSG II keinen gesetzlichen Anspruch auf eine Teilbetriebsrente: Wenn beispielsweise im Versorgungsvertrag festgehalten ist, dass die Betriebsrente erst beim Renteneintritt fällig wird, ändert daran auch die neue Regelung nichts. Damit sie wirksam werden kann, müssen erst die arbeitsrechtlichen Vereinbarungen angepasst werden.

Für bAV-Sparer von auxilion ist der vorgezogene Bezug der betrieblichen Altersvorsorge immer schon unproblematisch. „Beschäftigte können sich ab dem 63. Lebensjahr das Sparkapital auszahlen lassen und damit ihren Vorruhestand finanziell absichern“, erklärt Joachim Bangert, Vorstand der auxilion AG. Der auf bAV spezialisierte Dienstleister bietet unternehmenseigene Vorsorgesysteme für Mittelständler, unabhängig von typischen bAV-Durchführungswegen und dem Versicherungsmarkt, an. Das Prinzip: Beschäftigte investieren einen flexibel wählbaren Teil ihres Bruttoeinkommens in die finanzielle Absicherung für den Ruhestand. Dieses Geld wird aber nicht über Versicherungen verwaltet, sondern verbleibt im Unternehmen. Den Zinssatz legen die Geschäftsleitungen selbst fest; in der Regel liegt er zwischen drei und fünf Prozent.

“Arbeitnehmer beschäftigen sich häufig nicht ausreichend mit der bAV. Bevor sie gegen eine Entgeltumwandlung im Opting-out-Modell entscheiden, würden sie sich intensiver informieren.”

Martin Bierwirth, Leiter Pensions, Rheinmetall AG 

Unser Dossier

Die betriebliche Altersvorsorge (bAV) bietet Mitarbeitenden finanzielle Sicherheit im Ruhestand und ergänzt die gesetzliche Rente. In unserem Dossier erfahren Sie, wie Sie durch attraktive Vorsorgemodelle und steuerliche Vorteile die Mitarbeiterbindung stärken und die Zufriedenheit erhöhen können.

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Opting-out in Miniversion

Seit vielen Jahren wünschen sich bAV-Expertinnen und -Experten in Deutschland ein Opting-out-Modell nach dem Vorbild von Großbritannien und Dänemark. Dieses Modell hat dort dazu geführt, dass die bAV fast flächendeckend verbreitet ist. Mit dem BRSG aus dem Jahr 2018 erhielten die Tarifvertragsparteien die Regelungskompetenz über ein Auto-Enrollment, das aber in der Folgezeit nicht umfassend angewendet wurde. Das BRSG II sieht nun ein Opting-out auf Betriebsebene vor, allerdings nur per Betriebs- oder Dienstvereinbarung – wenn der Arbeitgeber mindestens 20 Prozent des umgewandelten Entgelts als Arbeitgeberzuschuss hinzugibt.

Betriebe ohne Betriebsrat können kein rechtssicheres ­Opting-out einführen. Nachdem der Referentenentwurf noch vorsah, dass ein Opting-out auch „ohne tarifliche Grundlage“ umgesetzt werden kann, soll dies nach dem aktuellen Regierungsentwurf jetzt nur noch möglich sein, wenn Entgeltansprüche nicht und auch nicht üblicherweise in einem einschlägigen Tarifvertrag geregelt sind. BAV-Expertin Hanne Borst von WTW: „Es ist außerordentlich bedauerlich, dass die Tür für ein umfassendes Opting-out weit zugemacht wurde, da es ein starker Hebel zur Verbreitung der bAV ist. Zwischen Referenten- und Regierungsentwurf wurde das Rad spürbar zurückgedreht.“ Auch Martin Bierwirth von Rheinmetall ist sich sicher, dass mit einem Opting-out die Durchdringung der bAV in Deutschland enorm steigen würde: „Aus meiner Sicht beschäftigen sich Arbeitnehmer häufig nicht ausreichend mit der betrieblichen Altersversorgung. Bevor sie sich aber aktiv gegen eine Entgeltumwandlung und eine bAV entscheiden würden, ist davon auszugehen, dass sie sich vorher genau informieren.“

Als „vertane Chance“ bewertet Per Protoschill, Stuttgarter Vorsorge-Management, die jetzige Lösung. Ebenso sei nicht einleuchtend, warum ein Arbeitgeber, der mit seinem Betriebsrat zugunsten seiner Arbeitnehmer ein Opting-out-System mit Entgeltumwandlung auf den Weg bringt, dadurch bestraft werden soll, dass er einen Arbeitgeberzuschuss von 20 Prozent statt wie üblich von 15 Prozent des umgewandelten Entgelts leisten müsse. 

Optimistischer beurteilt Klaus Bednarz von Mercer die Perspektiven für tarifgebundene Unternehmen: „Wieso sollten die Tarifparteien nicht künftig Opting-out- oder ähnliche Modelle in ihren Tarifverträgen verankern?“ Bereits vor Verabschiedung des Altersvermögensgesetzes im Jahr 2008 wurden mit dem drohenden, aber letztendlich nicht umgesetzten Wegfall der Sozialversicherungsfreiheit von Entgeltumwandlung in Haustarifverträgen Modelle mit Entgeltverzicht umgesetzt, die eine 100-prozentige Beteiligungsquote zum Ziel hatten.

“Das BRSG II erweckt den Eindruck, dass die Politik ihre Schwerpunkte auf das Sozialpartnermodell sowie staatlich geförderte private Altersvorsorge legt.”

Hanne Borst, Head of Retirement Germany, Willis Towers Watson GmbH 

Zinswende entlastet manche Unternehmen

Jahrelang bereitete der Niedrigzins Versicherungen und Versicherten Kopfschmerzen. Anfang 2022 drehte sich die Entwicklung, und die Zinsen stiegen enorm – mit Auswirkungen auf die Altersversorgungsverpflichtungen. Unternehmen, die nach International Financial Reporting Standards IFRS bilanzieren, brachte die Zinswende eine große Entlastung bei den Pensionsverpflichtungen. Die WTW-Studie „DAX Pensionswerke 2023“ und auch ein Blick auf den Stand zur Jahresmitte 2024 belegen dies: „Der Ausfinanzierungsgrad liegt bei fast 85 Prozent, das hat es in dieser hohen Ausprägung noch nicht gegeben“, merkt Hanne Borst an. Zwar zeigten sich 2022 im Asset-Markt auch durch das Wiedererwachen der Inflation große Probleme, aber die Renditen konnten sich 2023 und 2024 wieder stabilisieren. „Bei HGB-bilanzierenden Unternehmen ist die Zinswende leider nicht angekommen“, führt die bAV-Expertin weiter aus. Die Ursache: Unternehmen müssen den maßgeblichen Rechnungszins der letzten zehn Jahre anwenden. Dieser liegt jetzt sogar unter dem Siebenjahresdurchschnitt. Nicht umsonst forderten die versicherungsmathematischen Sachverständigen für Altersversorgung den Zehnjahresschnitt für Pensionsverpflichtungen durch einen konstanten Abzinsungssatz im HGB zu ersetzen.

Auf das bAV-Sparbuchmodell von auxilion haben Zinsschwankungen kaum Folgen. Geschäftsführer Joachim Bangert: „Da das Kapital nicht über Versicherungen verwaltet wird, sondern dem Arbeitgeber zur Verfügung steht, können die Unternehmen unabhängig von sinkenden oder steigenden Zinsen ihre geplanten Investitionen tätigen.“ Auch Kunden von Lebens- beziehungsweise Direktversicherungen spürten keine bilanziellen Auswirkungen.

Die Branche insgesamt begrüßte, dass die Niedrigzins­phase der Vergangenheit angehörte. Der rasante Zinsanstieg habe sich zwar auf die Kapitalanlagen ausgewirkt, aber nicht im kritischen Bereich, wie Per Protoschill vom Stuttgarter Vorsorge-Management betont. Dafür seien nun auch wieder höhere Rechnungszinsen in den Produkten möglich, und das Produktportfolio könne sich ein wenig öffnen. Möglicherweise würden höhere Garantien gewünscht, die mit höheren Rechnungszinsen ausgestattet werden könnten.

“Ob ein Unternehmen beim Sozialpartnermodell mitmachen darf, entscheiden die Sozialpartner, die das System tragen. Für Arbeitgeber entstehen Kosten für die Durchführung und Steuerung.”

Per Protoschill, Geschäftsführer der Stuttgarter Vorsorge-Management GmbH, Leitung Vertriebsunterstützung bAV, Stuttgarter Lebensversicherung AG 

Erhöhung des Rechnungszinses?

Seit 2018 hat sich die beitragsorientierte Leistungszusage (BOLZ) als das vorherrschende Produkt etabliert. Da es bislang kein Garantieniveau einer Mindestleistung seitens des Gesetzgebers gibt, wird in Fachkreisen diskutiert, welches Garantielevel sinnvoll ist. Bei Neuverträgen sind unabhängig vom Durchführungsweg mittlerweile Garantieleistungen zwischen 60 und 90 Prozent der eingezahlten Beiträge üblich, berichtet Klaus Bednarz von Mercer. Sein dringender Appell: „Beschäftigte müssen gründlich da­rüber aufgeklärt werden, dass abgesenkte Garantien mehr Spielraum in renditestarke Anlagen ermöglichen.“ Ziel der BOLZ sei „eine attraktive Gesamtleistung und eben nicht, wie manchmal zu hören ist, eine Beschränkung der Versorgungsleistungen auf geringe Garantieleistungen“. Auch wenn der Garantiezins deutscher Lebensversicherer ab 2025 erstmals nach 30 Jahren auf ein Prozent steigt, geht Klaus Bednarz nicht davon aus, dass dies zu einer Trendumkehr führt: „Im Gegenteil, der Gesetzentwurf zur Reform der steuerlich geförderten privaten Altersvorsorge sieht ebenfalls abgesenkte Garantien vor.“ Trotzdem seien Tarife mit Garantiezinsen notwendig wie zum Beispiel bei Liquidationsdirektversicherungen.

Und nicht nur bei dieser Form der Versicherung. Zwar konzentrieren sich die Nachfragen der Arbeitgeber auf moderne Anlagekonzepte, bei denen durch die reduzierte Garantie auf 80 Prozent der Beitragssumme eine mehr sachorientierte Anlage möglich ist, wie Per Protoschill vom Stuttgarter Vorsorge-Management feststellt: „Wenn aber Kunden eine andere Alternative wie etwa eine 100-Prozent-Garantie wählen möchten, wollen wir diese Nachfrage mit der Erhöhung des Rechnungszinses auch wieder bedienen.“

Wie die meisten Arbeitgeber hat sich auch Rhein­metall vom garantierten Festzins verabschiedet. Das neue bAV-Modell „Rheinmetall Plus 2.0“ wurde 2023 mit dem Deutschen bAV-Preis ausgezeichnet, auch weil das Unternehmen für die etwa 15 000 Beschäftigten in Deutschland ein attraktives Paket geschnürt hat: eine arbeitgeber­finanzierte Grundversorgung (mit einem Mindestbeitrag für untere Einkommensgruppen), eine arbeitgeberfinanzierte konzernerfolgsabhängige Aufbauversorgung und eine mitarbeiterfinanzierte Zusatzversorgung durch Entgeltumwandlung mit einem Arbeitgeber-Matching in Höhe von 20 Prozent. Martin Bierwirth, Leiter Pensions, erklärt: „Wir legen die Beiträge in einem kapitalmarkt­orientierten Modell an, um bessere Renditen und eine wirksamere Absicherung im Versorgungsfall zu erzielen.“ Das Life-Cycle-Modell sieht vor, dass bis zum Alter von 45 Jahren das Kapital zu 90 Prozent in Aktien und zehn Prozent in Anleihen angelegt wird. Danach reduziert sich der Aktienanteil bis zum Renteneintritt sukzessive, und es wird vermehrt in Anleihen investiert.

Dass eine feste Zinsgarantie für Beschäftigte nach wie vor interessant ist, beobachtet Joachim Bangert von auxilion. Gerade seine Klientel, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in mittelständischen Unternehmen, wusste es wertzuschätzen, dass die Niedrigzinsphase zu keinen negativen Effekten auf dem bAV-Sparbuch mit dem vorher vereinbarten Garantiezusagezins von drei bis fünf Prozent führte.

Hinweis der Redaktion

Die bAV-Expertin und die bAV-Experten trafen sich zur Round-Table-Diskussion vor dem „Ampel-Aus“ am 6. November 2024. Nun ist ­unwahrscheinlich, dass das BRSG II in dieser Legislaturperiode überhaupt noch zur Abstimmung kommen wird. Am 11. November haben zudem auch die Ausschüsse im Bundesrat Prüfungsbedarf angemeldet und Änderungs­empfehlungen ausgesprochen.

Digitalisierung und Kommunikation: Wie ist der Status quo?

Digitale Rentenübersicht auf Knopfdruck – damit wirbt die Deutsche Rentenversicherung. Seit rund anderthalb Jahren ist das Online-Portal in Betrieb. Die Zugangsmöglichkeit habe man aber leider auf den digitalen Personalausweis eingeschränkt, den noch lange nicht jeder hat, kritisiert Per Protoschill, Stuttgarter Vorsorge-Management, „als völlig unnötige Hürde“. Je besser Beschäftigte ihre Versorgungssituation kennen würden, umso motivierter seien sie, ihre Versorgungslücke zu schließen. Unternehmen nimmt er als „sehr offen für digitale Lösungen“ wahr. Die Stuttgarter selbst hat für Firmenkunden Anfang 2024 eine digitale Verwaltungslösung erstellt. Sie ist dem Wunsch vieler Arbeitgeber nachgekommen, Dokumente wie bAV-Policen und Schriftverkehr digital zu übermitteln und zu archivieren, was für Unternehmen „eine große Erleichterung darstellt“.

In mittelständischen Unternehmen registriert Joachim Bangert von auxilion noch keine digitale Wende. Dabei sei sie gerade dort unentbehrlich, da Personal fehle, um Ressourcen für die bAV-Administration und -Kommunikation aufzubauen. Auxilion übernimmt daher für Kunden die Administration, zu der Personalabteilungen einen digitalen Zugang haben. Ergänzend wird ein Mitarbeiterportal im Corporate Design der Unternehmen angeboten. „Gleichzeitig schätzen wir nach wie vor die persönliche Betreuung, wir versuchen das Beste aus beiden Welten zu kombinieren.“

Bei der digitalen bAV-Kommunikation beobachtet Hanne Borst von WTW einen kontinuierlichen Fortschritt. So seien zum Beispiel die Informationen häufig auf bestimmte Zielgruppen zugeschnitten, da sich je nach Alter die Fragen zur Altersvorsorge stark unterscheiden. Manche Arbeitgeber würden KI-Lösungen beim bAV-Wissensmanagement einsetzen, aber nicht mit dem Ziel, die persönliche Ansprache gänzlich zu ersetzen. Bei der Digitalisierung der bAV-Administration sieht sie jedoch noch Luft nach oben.
Rheinmetall setzt bei der bAV-Kommunikation bislang nicht auf KI-Lösungen. Martin Bierwirth berichtet zum einen von klassischen Instrumenten wie Betriebsversammlungen, Broschüren und Thementagen zur bAV; zum anderen bietet das Unternehmen Einzelgespräche online oder persönlich an, verfügt über eine Hotline und informiert im Intranet. Neue Mitarbeitende sowie die neuen Auszubildendenjahrgänge werden im Rahmen des Onboardings über die bAV informiert. „Wir setzen auf einen Mix aus Online-Lösungen und persönlicher Ansprache.“

“Abgesenkte Garantien eröffnen mehr Spielraum für renditestarke Anlagen, die zu einer attraktive Gesamtleistung führen; das muss Mitarbeitenden deutlich kommuniziert werden.”

Klaus Bednarz, Principal, Mercer Deutschland GmbH 

Junge Generationen: bAV soll flexibel und einfach sein

Weitgehend einig sind sich die bAV-Experten darin, dass die Gen Y und Gen Z Interesse an einer bAV haben und um die Problematik der Altersvorsorge Bescheid wissen. „Den jungen Generationen ist sehr wohl bewusst, dass frühzeitiges Sparen in einem bAV-Modell zu einer auskömmlichen Altersversorgung führen kann“, betont Klaus Bednarz von Mercer. Daher bestehe eine hohe Bereitschaft, an einem bAV-Modell, finanziert aus Arbeit­geberbeiträgen oder aus Entgeltumwandlung, teilzunehmen – wenn es attraktiv ist und die Kommunikation stimmt. Außerdem beobachtet der bAV-Experte, dass von jüngeren Mitarbeitenden neben der bAV die betriebliche Invaliditäts- und Todesfallabsicherung sowie Krankenversicherung durchaus wertgeschätzt würden. Aufgabe der Arbei­tgeber sei es, Zusatzleistungen zu identifizieren, „die sich so gut wie möglich an den Bedürfnissen der Mitarbeitenden ausrichten, denn nur so sind die Gelder für Benefits sinnvoll investiert“.

Auch Rheinmetall bemerkt bei der Bewertung der finanziellen Alterssituation keine großen Unterschiede zwischen der Gen X und der Gen Z. „Beim Thema Entgeltumwandlung verhalten sie sich nicht anders als die älteren Mitarbeitenden“, sagt Martin Bierwirth. Das Bewusstsein der jüngeren Beschäftigten, für die Rente vorzusorgen, sei vorhanden, und mit Zuschüssen gebe das Unternehmen noch einen kleinen Anreiz. Allerdings ist die bAV nur ein Teil der ganzheitlichen Benefitstrategie bei Rheinmetall und steht im Wettbewerb zum Beispiel mit einem Aktien­kaufprogramm, zu dem es 30 Prozent Zuschuss gibt. „Da bei diesen Aktien nur eine Haltefrist von zwei Jahren besteht, kann dies für manche der Jüngeren je nach Lebensplanung attraktiver sein.“ Eine Bindungswirkung durch einen bAV-Vertrag sieht Bierwirth allerdings kaum. „Wer zu einem anderen Arbeitgeber wechseln will, wird sich wahrscheinlich nicht von der bAV abhalten lassen. Zumal die arbeitgeberfinanzierten Leistungen bereits nach einer relativ kurzen Zeit von drei Jahren unverfallbar und somit durch den Wechsel nicht verloren sind.“ Als „gut aufgeklärt“ erlebt auch Joachim Bangert von auxilion junge Mitarbeitende. Wenn sie schon im Einstellungsprozess und beim Onboarding über die bAV informiert würden, sei ihr Interesse an einem Abschluss groß. Aber sie äußern andere Anforderungen an eine bAV-Lösung: Sie wollen Vor- und Nachteile von Ansparwegen direkt vergleichen und nach Abschluss einer Lösung auch selbst administrieren können. Das bAV-Credo der Gen Z: Planbar, einfach und transparent muss sie sein.

Dass sich die Ansprüche der Gen Z an eine bAV von den Vorgängergenerationen unterscheiden, konstatiert auch Hanne Borst von WTW: Junge Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer suchten eine hohe Flexibilität, hinterfragten die langfristige Bindung der finanziellen Mittel kritisch, und sie wollten selbst entscheiden, wie das Kapital investiert wird. „Das Produkt von der Stange ist für sie nicht so attraktiv. Sie möchten mehr direkten Zugriff auf das Kapital haben, etwa auch bei den Einzahlungen pausieren oder zum Beispiel für einen Immobilienkauf darauf zugreifen können.“ 

Fotos: jd-photodesign – stock.adobe.com (Titelbild), Auxilion, Mercer, Rheinmetall, WTW, Stuttgarter Lebensversicherung AG