
Gelingt es den Personalern, ihren Teil zum Gesamterfolg der Organisation beizutragen? Oder verschwindet die Funktion bald gar in der Versenkung? Acht Change Management-Experten konnten beim Round Table der Personalwirtschaft Orientierung geben.
Dass es allein die vielbeschriebene Digitalisierung ist, die die Unternehmen aus ihrer Komfortzone treibt, ist mitnichten so. Vielmehr geht es für viele von ihnen darum, den Spagat zwischen den aktuellen Anforderungen des Geschäfts zu meistern und sich gleichzeitig zukunftsfähig aufzustellen – mit allen Folgen, die das auch und gerade für die Unternehmenskultur und die Belegschaft bedeutet. Durch sie verläuft mitunter ein Graben zwischen denen, die Neuem hoffnungsvoll und offen gegenüberstehen, und jenen, die konservativer denken, um es diplomatisch auszudrücken. Mit dieser Vielfalt umzugehen ist eine große Aufgabe für die Manager und auch für HR.
Da werden neue Konzepte, die vermeintlich oder tatsächlich bei der Bewältigung des Wandels helfen, gerne angenommen. Agile Strukturen sind ein Thema, das derzeit in aller Munde ist, obwohl das Agile Manifest bereits 2001 formuliert wurde. Sie haben ihre Vorteile, da sind sich die Change Manager einig. Sie können beispielsweise mehr Partizipation und Autonomie ermöglichen. Neu ist zudem, dass die Bereitschaft in allen Ebenen eines Unternehmens wächst, Agilität auszuprobieren. Allein, nahezu jeder hat mittlerweile seine eigene Definition von dem Begriff. Zwar ermöglicht Agilität schnellere Entscheidungs- oder Produktionszyklen, aber um Geschwindigkeit allein geht es nicht. Zwar wird in den Unternehmen viel ausprobiert, aber konsequent umgesetzt wird sie oftmals nicht. Die Liste ließe sich fortsetzen. Das mag daran liegen, dass es immer noch Menschen sind, die in den Unternehmen arbeiten. Und die haben mitunter ihre Befindlichkeiten, Angst vor Machtverlust oder sind schlicht unsicher.
Die Fähigkeit zum oben beschriebenen Spagat zwischen dem Wertschätzen von Altbekanntem und der Neugierde auf neue Horizonte wird zeitgenössisch mit Ambidextrie betitelt. Sie gilt als eine Haltung, mit der beides unter einen Hut gebracht werden kann. Zugleich bringt sie die Unsicherheit, die für viele im Arbeitsalltag greifbar ist, schön auf den Punkt. Es hilft schon sehr, die Herausforderung in Worte zu fassen, wenngleich Ambidextrie wenig konkrete Handlungsempfehlungen bietet. Sie sensibilisiert aber zumindest schon einmal für das Thema.
Was folgt daraus für Führungskräfte? Etwa, dass sie den Wandel als Tagesgeschäft und nicht als Projekt on top betrachten sollten. Und dass sie ihre Rolle frühzeitig klären sollten, damit jeder dasselbe unter schön klingenden Begriffen wie Agilität oder Ambidextrie versteht. In der Praxis geschieht dies noch zu selten, so die Beobachtung der Change-Experten am Round Table. Zudem müssen sich Führungskräfte davon verabschieden, ihre Akzeptanz allein aus ihrer Funktion zu gewinnen. Auch sie können nicht genau wissen, wie das Geschäft in fünf Jahren aussieht, vielleicht nicht einmal in zwei. Zuversicht vermitteln und zugeben, was sie nicht wissen können, sind zwei wichtige Aspekte ihrer zukünftigen Arbeitsbeschreibung.
Auf der Suche nach einem neuen Profil
Genau dies, die Führungskräfteentwicklung, war einst die Königsdisziplin von HR. Die Personaler bilden in der Transformation aber keine Insel, ganz im Gegenteil. Die Gewissheit, dass auch hier große Veränderungen vonnöten sind, hat sich mittlerweile bei den meisten von ihnen durchgesetzt. Für die Begleitung des Wandels seien sie aber mit zu viel administrativer Arbeit belastet und nicht besser aufgestellt als andere Unternehmensbereiche, war beim Round Table zu hören. Das Requiem auf sie wollte jedoch keiner anstimmen – tatsächlich sah die Mehrheit sogar einen Bedeutungszuwachs für die Funktion. HR müsse beispielsweise das Finden neuer Rollen für die Belegschaft vorwärtstreiben und sich stärker in puncto Fortbildungen und Weiterqualifizierungen engagieren.
Das muss nicht heißen, dass HR gleich HR bleibt: Eine Möglichkeit wäre, Personalangelegenheiten in eine neue Unternehmenseinheit zu integrieren, die die kommenden Aufgaben crossfunktional angeht. Das klingt nach Zukunftsmusik? Das sagte man vor 20 Jahren auch noch über Smartphones…
David Schahinian arbeitet als freier Journalist und schreibt regelmäßig arbeitsrechtliche Urteilsbesprechungen, Interviews und Fachbeiträge für die Personalwirtschaft.