Viele Deutsche schaffen es nicht, ihre Arbeit im Urlaub beiseitezulegen. Laut einer aktuellen Studie der Königsteiner Gruppe geben 48 Prozent der Befragten an, während ihrer Auszeit zu arbeiten, 13 Prozent tun dies sogar regelmäßig. 27 Prozent dieser Beschäftigten sind eigenen Angaben zufolge auch am Urlaubsort permanent telefonisch erreichbar. Immerhin 35 Prozent geben an, in ihren Ferien gelegentlich für berufliche Anliegen ansprechbar zu sein.
Vor allem Menschen mit akademischer Ausbildung können laut Studie nur schwer von ihrer Arbeit lassen. Mehr als ein Viertel (28 Prozent) von ihnen nehmen immer ihren Laptop mit in den Urlaub, um notfalls auch im Hotel oder der Ferienwohnung zu arbeiten. Über alle Berufsgruppen hinweg tun dies 18 Prozent. Noch höher ist der Anteil derjenigen, die aus Arbeitsgründen auf eine funktionierende WLAN-Verbindung in der Unterkunft achten: 45 Prozent aller Beschäftigten sowie 52 Prozent der Akademikerinnen und Akademiker geben dies an.
Inhaltlich beschränken sich die verhinderten Urlauberinnen und Urlauber vorwiegend auf drei Tätigkeiten. So erledigen 18 Prozent der Befragten, die angeben auch in den Ferien zu arbeiten, immer ihre E-Mails. Weitere 40 Prozent von ihnen geben an, dies gelegentlich zu tun. Zudem stehen Projektmanagement und administrative Tätigkeiten ganz oben auf der To-Do-Liste in der freien Zeit.
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Über die Umfrage
Für die Studie „Workation und Urlaub“ befragte das Kölner Marktforschungsunternehmen bilendi im Auftrag der Königsteiner Gruppe bundesweit 1017 berufstätige Arbeitnehmer in allen Altersstufen. Dabei wurden im Mai dieses Jahres je zur Hälfte Akademiker und Nichtakademiker befragt. 53 Prozent der Teilnehmer waren Männer, 47 Prozent Frauen.
Freiwillige und unentgeltliche Leistung ist grundsätzlich erlaubt
„Das Bundesurlaubsgesetz regelt eigentlich, dass Beschäftigte während ihres Urlaubs nicht arbeiten sollen. An unseren Zahlen sehen wir allerdings, dass dies trotzdem oft passiert – in den meisten Fällen allerdings auch freiwillig”, so Nils Wagener, Geschäftsführer der Königsteiner Gruppe. „Wenn diese Mehrarbeit in einem vertretbaren Rahmen bleibt, ist das aus Arbeitgebersicht sicher auch in Ordnung. Schwierig wird es dann, wenn der Job zum ständigen Urlaubsbegleiter wird. Dann kann das schnell in die Unternehmenskultur übergehen und als erwartbare Leistung wahrgenommen werden.“ Aus arbeitsrechtlicher Sicht sind Beschäftigte in Deutschland grundsätzlich nur zu einer Erreichbarkeit im Rahmen der vereinbarten Arbeitszeit verpflichtet: Arbeitsfreie Zeit soll der Erholung dienen. Im Normalfall dürfen Diensthandy oder -laptop also abends, im Urlaub, an Feiertagen oder am Wochenende ausgeschaltet bleiben. Anders sieht es bei Rufbereitschaft oder Bereitschaftsdienst aus. Dort müssen die Mitarbeitenden permanent erreichbar sein. Auch wenn es eine Betriebsvereinbarung gibt, die kurzfristige Änderungen im Dienstplan erlaubt, müssen Mitarbeitende auf kurzfristige Nachrichten reagieren, hat das Bundesarbeitsgericht entschieden.
Während für viele Angestellte die Arbeit im Urlaub nichts Ungewöhnliches ist, gibt es dazu auch kritische Stimmen. Wenig überraschend ist etwa die Position der Gewerkschaften. Urlaub solle der Erholung des Beschäftigten dienen, bekräftigt zum Beispiel die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi: „Die bezahlte Freistellung bezweckt die Auffrischung und Regeneration der Arbeitskraft.“ Nach dem Mindesturlaubsgesetz dürften Mitarbeitende während des Urlaubs keine dem „Urlaubszweck widersprechende Erwerbstätigkeit leisten.“. Arbeit allgemein, beispielsweise ehrenamtlich, sei natürlich erlaubt, so Verdi.
Dazu passt auch eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Köln aus dem Jahr 2009. Im konkreten Fall, der dem Urteil zugrunde liegt, ging es um eine Frau, die während ihres Urlaubs unbezahlt auf dem Weihnachtsmarkt am Stand ihres Mannes arbeitete. Als ihr Arbeitgeber davon erfuhr, kündigte er der Frau. Zu Unrecht, entschied das Gericht: Mitarbeitenden sei es grundsätzlich erlaubt, ihre „Persönlichkeit im Urlaub durch eine freiwillige und unentgeltliche Tätigkeit zu entfalten“.
Unklares Stimmungsbild auf LinkedIn
Auch bei LinkedIn wird das Thema „Arbeiten im Urlaub“ lebhaft diskutiert. Andreas Kort, Leiter Marketing und Vertrieb bei der ADP Office Design GmbH beispielsweise ist diesbezüglich eher entspannt. „Als jemand, der freiwillig und auch gerne im Urlaub arbeitet, habe ich eine klare Meinung: Solange es meine eigene Entscheidung ist, macht es mir Freude. Doch sobald eine Erwartungshaltung entsteht, geht der Spaß und intrinsische Antrieb verloren“, schreibt Kort.
Eine etwas striktere Trennung von Urlaub und Arbeit vertritt dagegen Andreas Heinz, Managing Director beim Beratungsunternehmen Gambit. Bereits vor zehn Jahren stellte Heinz eine Abwesenheitsmail ein, in der es hieß: „Ich bin im Urlaub. Eingehende Mails werden gelöscht.“ In Wirklichkeit wurden die Mails damals zwar nur automatisiert in einen Ordner verschoben. Gelesen hat Heinz die Mails aber tatsächlich nie. Freunde machte er sich damit allerdings keine: „Einzelne Mitarbeiter fanden das gar nicht lustig, und am Ende eskalierte der Vorgang sogar bis zu unserem CEO.“
Von dieser harten Trennung von Arbeit und Urlaub hat sich der Gambit-Geschäftsführer inzwischen zwar etwas entfernt, trotzdem bemüht er sich, beide Bereiche möglichst nicht zu vermischen. „Private E-Mails und geschäftliche E-Mails sind auf iPhone und iPad in unterschiedlichen Apps – so kann ich im Urlaub gut steuern, wie stark ich geschäftliche Themen im Urlaub bearbeite.“ Grundsätzlich, erklärt er, sei er zudem ein Freund von klaren Vertretungen, die auch notwendige Entscheidungen treffen können und dürfen. „Alles eine Frage der Organisation, BEVOR es in den Urlaub geht.“ Für diese Einschätzung bekommt er auf Linkedin viel Zuspruch. So schreibt Cornelia Funk, Führungskraft beim Pharmakonzern Roche: „Es gibt meiner Meinung nach in einem gut funktionierenden Team nichts, was nicht delegiert werden oder warten könnte.“ Sollte aus Sicht des Teams mal etwas richtig brennen, dürfe man ihr auch eine WhatsApp schicken. „Kommt extrem selten vor.“
Es braucht klare Vorgaben
Fest steht: Wollen Führungskräfte und Beschäftigte im Urlaub arbeiten – oder zumindest für ihren Arbeitgeber erreichbar sein –, braucht es klare Regeln, um das Ganze gesundheitsgerecht zu gestalten. Hier seien klare Absprachen wichtig, um die Erholung im Urlaub zu sichern, schreibt dazu die von 23 Handwerkskammern herausgegebene Deutschen Handwerks-Zeitung. Sowohl für Führungskräfte als auch für Mitarbeitende haben die Handwerkskammern Empfehlungen formuliert (siehe Kasten).
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Tipps für Führungskräfte
- Klar kommunizierte Regelungen zur Erreichbarkeit im Urlaub helfen dabei, sich in der Freizeit zu erholen und richtig abzuschalten. Führungskräfte sollten mit Ihren Beschäftigten verschiedene Situationen durchsprechen und so gegenseitige Erwartungen an eine Erreichbarkeit außerhalb der Arbeitszeit klären.
- Auch Führungskräfte müssen nicht immer und überall erreichbar sein. Regelmäßige erreichbarkeitsfreie Zeiten – in Absprache mit dem Team – sollten auch für leitende Mitarbeitende verpflichtend sein.
- Die Bildung von Tandems innerhalb einzelner Teams ist eine Möglichkeit, dass sich Kolleginnen und Kollegen gegenseitig in Urlaubs- und Krankheitszeiten vertreten können.
Tipps für Mitarbeitende
- Mitarbeitende, die das Gefühl haben, immer erreichbar sein zu müssen, sollten mit ihrer Führungskraft sprechen, die gegenseitigen Erwartungen klären und so gemeinsam eine Lösung finden, die sie entlastet.
- Mitarbeitende sollten sich frühzeitig in Absprache mit Ihrer Führungskraft darum kümmern, dass wichtige Aufgaben während der Urlaubszeit von Kolleginnen und Kollegen erledigt werden.
- Mitarbeitende sollten versuchen, sich im Urlaub, nach Feierabend oder am Wochenende ganz auf Ihre Erholung konzentrieren. Das gilt auch räumlich: Die Arbeit ins Schlafzimmer oder die Küche zu verlagern, mag eine Zeit lang gemütlich sein. Doch auf Dauer leidet oft die Erholungsfähigkeit.
Quelle: Deutsche Handwerker Zeitung
Arbeiten im Urlaub eher kein Karrieresprungbrett
Einen Karrieresprung erwarten übrigens die Wenigsten von ihrem „Urlaub vom Urlaub“. Den erhoffen sich laut Königsteiner-Befragung nämlich nur 22 Prozent der Teilnehmenden. 45 Prozent der Befragten sind dagegen der Auffassung, dass die Urlaubsarbeit keinen Einfluss auf ihre beruflichen Ambitionen hat.
Die meisten Beschäftigten gehen trotzdem davon aus, dass ihre außerplanmäßige Arbeit im Unternehmen eher positiv bewertet wird, im privaten Umfeld dagegen eher negativ. So glauben 37 Prozent von ihnen, dass ihre Kolleginnen und Kollegen ihren Einsatz zu schätzen wissen. Nur 15 Prozent befürchten, dass das eigene Engagement im Kollegenkreis nicht gut ankommt. Deutlich mehr als die Hälfte (57 Prozent) glauben zudem, mit ihrer Mehrarbeit bei der eigenen Führungskraft punkten zu können. Nur im Familienkreis, da sind sich viele von ihnen einig, wird das Engagement weniger geschätzt, weil es eben auf Kosten der gemeinsamen Freizeit geht. Mehr als jeder Zweite (51 Prozent) ist überzeugt, dass die eigene Familie die Arbeit im Urlaub alles andere als gut findet.
Sven Frost betreut das Thema HR-Tech, zu dem unter anderem die Bereiche Digitalisierung, HR-Software, Zeit und Zutritt, SAP und Outsourcing gehören. Zudem schreibt er über Arbeitsrecht und Regulatorik und verantwortet die redaktionelle Planung verschiedener Sonderpublikationen der Personalwirtschaft.