CDU/ CSU
Die Unionsparteien setzen auf ein breites Zusammenspiel von mehreren Aspekten, um die Arbeitswelt zukunftsfit aufzustellen. Sie will sich auf die Modernisierung des Arbeitsrechts fokussieren und den Fachkräftemangel durch Zuwanderung, Möglichkeiten zum lebenslangen Lernen sowie bessere Arbeitsbedingungen verringern. Gleichzeitig will die Partei die Digitalisierung in der Arbeitswelt vorantreiben.
Um die Arbeitsbedingungen attraktiver zu machen, möchte die Union zum einen die Arbeitszeitregelungen flexibilisieren. Anstelle einer täglichen soll es eine wöchentliche Höchstarbeitszeit geben. Zum anderen wollen die Christdemokraten und -demokratinnen klare rechtliche Rahmenbedingungen für mobiles Arbeiten und Homeoffice schaffen und diese beiden Arbeitsformen auch grenzüberschreitend innerhalb der EU rechtssicher und möglichst flexibel ermöglichen.
Gegen den Fachkräftemangel schlägt die Union eine „Fachkräfteoffensive“ vor. Es soll eine digitale „Work-and-Stay-Agentur“ für ausländische Fachkräfte geschaffen werden, welche die Fachkräfte von der Anwerbung, über die Arbeitsplatzvermittlung und die Prüfung des Aufenthaltsstatus bis zur Arbeitsplatzeinführung unterstützt. Zudem soll der Anerkennungsprozess für ausländische Berufsqualifikationen einfacher und schneller vonstattengehen.
Potenzial auf dem inländischen Fachkräftemarkt möchten CDU und CSU durch eine bessere Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt – insbesondere durch verbesserte Rahmenbedingungen für Teilzeit- und Vollzeitstellen – nutzen. Auch sollen ältere Beschäftigten dazu motiviert werden, über die Regelaltersgrenze hinaus rechtssicher zu arbeiten. Überstundenzuschläge bei Vollzeitbeschäftigten sollen steuerfrei sein und die Pendlerpauschale erhöht werden. Gleichzeitig wollen die Christdemokraten und -demokratinnen die Ausbildungsstrukturen verbessern und „Anreize für lebenslanges Lernen“ schaffen, damit sich die Wirtschaft besser an digitale und technologische Entwicklungen anpassen kann.
Apropos Digitalisierung: Die Union will die Schriftform im Arbeitsrecht lockern und sie zukünftig nur dort, wo es nötig ist, beibehalten. In Zeiten des Stellenabbaus sollen zudem „Personalpartnerschaften“ erleichtert werden: Zwei Unternehmen können sich im Rahmen einer Kooperation freie Personalkapazitäten mit Zustimmung der Betriebsräte untereinander zur Verfügung stellen.
SPD
Die SPD setzt darauf, dass eine soziale Arbeitswelt am erfolgreichsten ist, und fokussiert sich in ihrem Wahlprogramm auf aktuelle Krisenherde – auch fernab vom Fachkräftemangel. Arbeitslosigkeit durch Stellenabbau und Stress, der zur Krankheit führt – diesen beiden Entwicklungen in der Arbeitswelt will die SPD entgegenwirken. Zum einen mit Arbeitsmarktdrehscheiben, Job-to-Job-Vermittlungen und der Weiterentwicklung von Transfergesellschaften. Zum anderen, indem ganzheitliche Gefährdungsbeurteilungen und das Beschäftigungseingliederungsmanagement (BEM) in Unternehmen gestärkt werden.
Fairness will die SPD durch die gezielte Verringerung des Gender Pay Gaps erzielen sowie, indem das EU-Entgelttransparenzgesetz nicht nur in nationales Recht umgewandelt, sondern zu einem „wirksamen Lohngerechtigkeitsgesetz“ weiterentwickelt wird. Minijobs sollen in soziale Beschäftigungsverhältnisse überführt werden.
Um den Fachkräftemangel zu verringern, setzt auch die SPD auf Weiterbildung. Jeder und jede soll ein Recht auf Weiterbildung und beruflichen Neustart in allen Lebensphasen haben. Langzeitarbeitslose sowie Empfängerinnen und Empfänger von Bürgergeld sollen durch Weiterbildungsprogramme neue Perspektiven erhalten. Gleichzeitig sollen es ausländische Fachkräfte leichter haben, Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt zu haben. Das soll durch eine vereinfachte Anerkennung von beruflichen Abschlüssen und Qualifikationen im Ausland, berufsbegleitende Integrationskurse, Deutschsprachförderung und Beratungsangebote gelingen. Die SPD will sich auch dafür einsetzen, dass es flexiblere Arbeitszeiten, weniger Diskriminierung und mehr Mitbestimmung der Betriebsräte gibt.
Bündnis 90/ Die Grünen
Wenn es nach den Grünen geht, dann soll die Arbeitswelt inklusiver und gerechter gestaltet werden. Sie wollen Arbeitsbedingungen modernisieren, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern und dem Fachkräftemangel durch Ausbildung, Inklusion und Zuwanderung entgegenwirken.
Als gerechter empfinden die Grünen die Arbeitswelt, wenn der Mindestlohn ab 2025 auf 15 Euro angehoben und die Tarifbindung gestärkt wird. Zudem will die Partei rund um Robert Habeck Minijobs schrittweise in reguläre Jobs überführen – mit Ausnahme für Rentner, Schülerinnen und Studierende. Auch soll der Gender Pay Gap verringert werden, indem die EU-Entgelttransparenzrichtlinie umgesetzt wird. Bessere Arbeitsbedingungen sollen durch flexiblere Arbeitszeitregelungen (die Einführung einer wöchentlichen Höchstarbeitszeit) und einer rechtssicheren Gestaltung für mobiles Arbeiten und Homeoffice geschaffen werden.
Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, wollen die Grünen zum einen die Aufnahme von ausländischen Fachkräften vereinfachen. Dafür soll eine digitale Einwanderungsagentur ins Leben gerufen werden. Auch die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse soll durch eine zentrale Stelle schneller und einfacher geregelt werden. Geflüchteten sollen Ausbildungsplätze vermittelt und generell der Zugang zu Weiterbildungsangeboten ermöglicht werden. Die Visavergabe wollen die Grünen komplett digitalisieren.
Zum anderen sollen Aus- und Weiterbildung gefördert werden. Etwa dadurch, dass das Qualifizierungsgeld weiterentwickelt und die duale Ausbildung – gerade auch in praktischen Berufen – attraktiver gestaltet wird. Ungenutztes Potenzial für den Arbeitsmarkt sehen die Grünen auch in Frauen, Rentnerinnen und Rentnern sowie Menschen mit Behinderung. Für Rentnerinnen und Rentner wollen die Grünen Anreize bei Sozialversicherungsbeiträgen schaffen, damit sie dem Arbeitsmarkt länger zur Verfügung stehen. Um Frauen besser in den Arbeitsmarkt zu integrieren, sollen die Brückenteilzeit und das Rückkehrrecht in Vollzeit ausgeweitet und individueller gestaltet werden. Menschen mit Behinderung sollen aktiver inkludiert werden.
AfD
Die in Teilen gesichert rechtsextreme Alternative für Deutschland bezieht sich in ihrem Wahlprogramm nur auf das Thema Fachkräftemangel und auf keine anderen für HR relevanten Aspekte. Die AfD sieht den Fachkräftemangel als „ernstes Problem für die Wirtschaft“ an. Dieses Problem soll vor allem durch eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen für die heimischen Arbeitskräfte gelöst werden, und nicht durch Zuwanderung. Letztere sei zwar notwendig, müsse aber nach strengen Kriterien geregelt werden. Sie setzt auf ein Punktesystem zur Auswahl von Fachkräften, das bestimmte Qualifikationen wie Berufserfahrung und Sprachkenntnisse berücksichtigt sowie den Bedarf der Fachkräfte in ihrem jeweiligen Berufsfeld.
Da heimische Arbeitskräfte laut der AfD einen Großteil der Lösung für den Fachkräftemangel darstellen, wollen sie deutsche Fachkräfte, die ausgewandert sind, mit „Rückgewinnungsprogrammen“ wieder zurück in die Bundesrepublik holen. Gleichzeitig sollen Technologien wie Künstliche Intelligenz und Robotik ausgebaut werden, um den Fachkräftemangel zu verringern.
FDP
Die freien Demokraten und Demokratinnen haben sich auf Diversity und Flexibilität fokussiert. Sie betonen aber auch die Wichtigkeit einer modernisierten Bildung und Fachkräften aus dem Ausland – und nennen recht konkrete Vorhaben in ihrem Wahlprogramm.
Die FPD will sich darauf fokussieren, dass jede und jeder gleiche Chancen auf dem Arbeitsmarkt hat. Sie setzt hier allerdings auf Selbstverpflichtung statt auf Quoten, aber auch auf Gehaltstransparenz sowie ein „ganzheitliches Diversity Management“. Zum Beispiel soll ein Partnerschutz (ursprünglich bekannt als Vaterschaftsurlaub) von zehn Tagen nach der Geburt des Kindes eingeführt, Betriebskindergärten gefördert, eine wöchentliche statt tägliche Höchstarbeitszeit eingeführt werden und begrenzte Mandatsniederlegungen von Vorständen, Aufsichtsräten und Führungskräften möglich sein. Zudem sollen Jobsharing-Modelle Standard werden und jede sowie jeder einen Erörterungsanspruch für die Arbeit aus dem Homeoffice haben.
Gleichzeitig setzt die FDP auf die Einwanderung von ausländischen Fachkräften, um den Fachkräftemangel zu verringern. Diese soll erleichtert werden – etwa durch bessere Integrationsangebote wie Sprachkurse und kulturelle Integrationskurse, eine auch für nicht-akademische Fachkräfte geltende Blue Card und die Errichtung eines „europäischen Talentepools“. Bildung sieht die FDP als weiteren Hebel gegen den Fachkräftemangel. So will sie eine „Zukunftsgarantie“ einführen, welche ein Übergangsprogramm zur Ausbildung darstellt, Teilqualifizierungen ausbauen, die Ausbildungsdauer generell flexibilisieren sowie digitale Ausbildungsangebote fördern.
Info
Wahlkompass Vereinbarkeit
Wie soll die Zukunft der Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben in Deutschland gestaltet werden? Was genau bieten die Parteien pflegenden Angehörigen, Familien und Menschen mit Fürsorgeverantwortung? Diese Fragen beantwortet der Bundesverband Vereinbarkeit (BVV) in einem selbsterstellen Wahlkompass.
Die Linke
Die Linke will eine sozialere Arbeitswelt kreieren, in der alle Beschäftigten möglichst abgesichert sind und fair behandelt werden. Dies wollen sie zum einen durch eine faire Entlohnung sicherstellen. So soll bis 2026 der Mindestlohn auf 16 Euro angehoben werden und sich jährlich an die Inflation anpassen. Auch will die Linke ein Entgeltgleichheitsgesetz einführen, das gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit garantiert. Minijobs sollen in sozialversicherungspflichtige Jobs überführt, die Tarifbindung erhöht und Leiharbeit sowie sachgrundlose Befristungen abgeschafft werden.
Generell ist die Linke der Meinung, dass die Arbeitsbedingungen verbessert werden müssen. Dazu gehöre es, wöchentlich keine längere Arbeitszeit als 40 Stunden zuzulassen und sich für die Vier-Tage-Woche einzusetzen. Beschäftigte sollen zudem zweimal in ihrem Berufsleben die Möglichkeit haben, für ein Jahr auszusteigen (Sabbatjahr), um sich zu erholen – und das Recht haben, zurückzukommen. Gleichzeitig will die Linke den Arbeits- und Gesundheitsschutz verbessern und plädiert für höhere Personalmengen in Unternehmen.
Um dem Fachkräftemangel zu begegnen, setzt die Linke auf eine Ausbildungsstrategie, die vor allem auch Unternehmen dazu anregt, selbst mehr auszubilden. Etwa in Form einer „Ausbildungsumlage“, bei der sich Betriebe, die nicht selbst ausbilden, an den Kosten der Ausbildung von Ausbildungsbetrieben beteiligen. Gleichzeitig will die Linke, dass Beschäftigte ihre Arbeitszeit für die Ausbildung verkürzen können und dabei mindestens 70 Prozent ihres Lohns gezahlt bekommen – im Niedriglohnsektor sollen es 100 Prozent sein. Auch die Linke sieht die Einwanderung von ausländischen Fachkräften als eine Lösung für den Fachkräftemangel an. Sie soll einfacher, weniger bürokratisch sein. Ausländische Berufsabschlüsse sollen schneller anerkannt werden und Migranten und Migrantinnen sowie Geflüchtete sollen einfacher Zugang zum Arbeitsmarkt haben und sozial abgesichert sein.
BSW
Das Bündnis Sahra Wagenknecht setzt für eine stärkere Arbeitswelt auf der einen Seite auf soziale Aspekte. Auf der anderen Seite sehen sie in wenig Zuwanderung und einer Verbesserung der Bildung in Deutschland einen Hebel, um die deutsche Wirtschaft aus der Krise zu holen.
Was die sozialen Aspekte angeht, so will die 2023 neu gegründete Partei den Mindestlohn auf 15 Euro anheben, Minijobs in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse überführen und eine höhere Tarifquote erreichen. Letzteres soll dadurch erreicht werden, dass öffentliche Aufträge und Subventionen nur noch an Unternehmen vergeben werden, die Tariflöhne zahlen und die Gründung eines Betriebsrats erleichtert wird. Zudem soll das Renteneintrittsalter nicht erhöht und kein Karenztag eingeführt werden.
Was den Fachkräftemangel betrifft, so ist die BSW überzeugt: „Leider führt die Debatte in der Regel nur zu einem Ruf nach mehr Einwanderung, während die hausgemachten Ursachen kaum thematisiert werden: akuter Lehrermangel, Unterrichtsausfall und falsche Lehrpläne“, heißt es im Wahlprogramm. „Immer mehr Jugendliche verlassen die Schule ohne elementare Kenntnisse. Sie haben später auf dem Arbeitsmarkt kaum eine Chance.“ Die BSW will deshalb in erster Linie junge Menschen in Deutschland qualifizieren und ausbilden sowie Arbeitslose gezielt unterstützen, bevor man sich auf die Zuwanderung von ausländischen Fachkräften fokussiert. Dafür soll vor allem das Schul- und Ausbildungssystem modernisiert werden.
Die Arbeitswelt soll weiterhin zukunftsfit aufgestellt werden, indem Unternehmen bei der Digitalisierung ihrer Geschäftsprozesse unterstützt werden – besonders der Mittelstand, denn er sei das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Auch setzt sich das BSW für Anreize zur Schaffung barrierefreier Arbeitsplätze und eine inklusivere Arbeitswelt ein.
Lena Onderka ist redaktionell verantwortlich für den Bereich Employee Experience & Retention – wozu zum Beispiel auch die Themen BGM und Mitarbeiterbefragung gehören. Auch Themen aus den Bereichen Recruiting, Employer Branding und Diversity betreut sie. Zudem ist sie redaktionelle Ansprechpartnerin für den Deutschen Human Resources Summit.