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LinkedIn: Diskriminierung beim Netzwerken

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Was früher etwas flapsig „Vitamin B“ genannt wurde, der Zugang zu Jobs über Bekannte, ist im Social-Media-Zeitalter längst in einer globalen Dimension angekommen. Netzwerke wie LinkedIn haben diese Rolle übernommen. In den USA werden etwa die Hälfte aller Arbeitsplätze durch Informationen und Empfehlungen aus diesen informellen Netzwerken besetzt. Gerade hochdotierte Jobs werden dabei meist von einflussreichen Personen mit Insiderwissen vermittelt.

Das Problem: Längst nicht alle Personengruppen können von diesen Netzwerken profitieren. In einer experimentellen Studie haben Ökonomen der Universität Mannheim untersucht, wie sich Diskriminierung auf die Größe und die Qualität der Jobnetzwerke von schwarzen US-Amerikanerinnen und -Amerikanern auswirkt.

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Personalwirtschaft: Herr Professor Mill, Sie haben den Zugang zu beruflichen Netzwerken für Schwarze in den USA untersucht. Was sind Kernerkenntnisse der Studie?
Wladislaw Mill: 
Unsere Studie zeigt, dass schwarze LinkedIn-Profile deutlich seltener Verbindungen zu beruflichen Netzwerken aufbauen können – die Annahmequote für Verbindungsanfragen war 13 Prozent niedriger als bei vergleichbaren weißen Profilen. Interessanterweise zeigte sich innerhalb der Netzwerke, dass bei gleichen Zugangsmöglichkeiten keine signifikanten Unterschiede in der Nützlichkeit der Kontakte besteht. Sobald eine Verbindung etabliert ist, erhalten weiße und schwarze Profile vergleichbar viele und hilfreiche Antworten auf direkte Nachrichten mit Fragen zu Karriere und Bewerbungsprozessen. Dies unterstreicht, dass die Diskriminierung vor allem im Netzwerkaufbau stattfindet, also durch einen sogenannten „Türsteher-Effekt“.

Um welche Art von Netzwerken handelte es sich?
Unsere Untersuchung fokussiert sich auf berufliche Netzwerke, insbesondere auf LinkedIn, der weltweit größten Plattform für professionelles Networking. Die kontaktierten Nutzer spiegeln typische berufliche Kontakte wider, darunter Personen aus ähnlichen Branchen, Bildungshintergründen und geografischen Regionen.

Wie erklären Sie sich, dass der Zugang zu Netzwerken stark von Äußerlichkeiten wie der Hautfarbe geprägt ist, innerhalb des Netzwerkes selbst aber keine nennenswerten Unterschiede im Umgang stattfinden?
Dies könnte darauf hindeuten, dass gruppenbasierte Erwartungen, Vorurteile und Stereotype besonders im ersten Kontakt dominieren. Menschen scheinen unbewusst Entscheidungen zu treffen, basierend auf äußerlichen Merkmalen wie der Hautfarbe. Sobald jedoch eine Verbindung besteht, scheinen diese Vorurteile in den Hintergrund zu treten. Dies deckt sich mit der Theorie, dass Diskriminierung aus rationaler Unaufmerksamkeit resultiert – das heißt Menschen aufgrund begrenzter Aufmerksamkeit und Informationsverarbeitungskapazitäten Entscheidungen auf Basis vereinfachter oder oberflächlicher Merkmale treffen, anstatt sich tiefergehend mit den individuellen Qualifikationen auseinanderzusetzen. Wenn Personen also eine direkte Nachricht erhalten, genügt diesen womöglich die Information, dass die Nachricht von einem direkten Kontakt stammt, um über eine Antwort zu entscheiden.

Welche Studienergebnisse haben Sie am meisten überrascht?
Am überraschendsten war für uns, dass Frauen und jüngere Nutzerinnen und Nutzer häufiger diskriminieren als Männer und ältere Menschen. Das widerspricht auch den Annahmen vieler Experten und legt nahe, dass unbewusste Vorurteile breiter gestreut und nicht auf spezifische Gruppen beschränkt sind.

Sind berufliche Netzwerke wie Xing, LinkedIn oder interne Kontakte für den Arbeitsmarkt in Deutschland ähnlich wichtig wie in den USA?
Ja, berufliche Netzwerke spielen auch in Deutschland eine zentrale Rolle. Plattformen wie Xing und LinkedIn werden zunehmend genutzt, um Kontakte zu knüpfen und Karrierechancen zu verbessern. Allerdings gibt es kulturelle Unterschiede, die den Stellenwert dieser Netzwerke beeinflussen können, etwa ein stärkeres Gewicht auf traditionelle Bewerbungswege in Deutschland.

Lassen sich Erkenntnisse aus dieser Untersuchung also übertragen auf die Verhältnisse hier? Welche?
Die grundsätzlichen Mechanismen von Diskriminierung – insbesondere beim Erstkontakt – sind wahrscheinlich vergleichbar. Ähnlich wie in den USA könnten visuelle Merkmale wie Profilbilder auch in Deutschland eine Rolle spielen. Die Ergebnisse legen nahe, dass Maßnahmen zur Sensibilisierung für unbewusste Vorurteile auch hier sinnvoll wären.

Gibt es Hinweise darauf, dass bestimmte Gruppen in Deutschland, beispielsweise Menschen mit Migrationshintergrund oder People of Color, beim Zugang zu Netzwerken benachteiligt sind?
Bestehende Studien zu Diskriminierung am Arbeitsmarkt in Deutschland zeigen, dass Bewerbungen mit Namen oder Bildern von People of Color oder Menschen mit Migrationshintergrund weniger häufig zu Bewerbungsgesprächen eingeladen werden. Diese Forschung lässt vermuten, dass auch der Zugang zu beruflichen Netzwerken in Deutschland in ähnlicher Weise eingeschränkt sein könnte.

Der schnelle Blick auf das LinkedIn-Profil von Bewerberinnen und Bewerbern ist auch vor Einstellungsgesprächen durchaus üblich – wie kann dabei Diskriminierung vermieden werden? Welche Rolle spielen unbewusste Vorurteile?
Eine Möglichkeit, Diskriminierung zu reduzieren, ist die allgemeine Anonymisierung von Bildern in der ersten Screening-Phase, wie es bei Lebensläufen in den USA üblich ist. Obwohl LinkedIn diese Funktionalität nicht bietet, könnten Unternehmen Richtlinien einführen, die den Blick auf soziale Medien während der Bewerbungsphase vermeiden. Ergänzend dazu könnten regelmäßige Schulungen zu unbewussten Vorurteilen für Mitarbeitende durchgeführt werden, um Sensibilität für diese Thematik zu schaffen. Solche Maßnahmen fördern eine objektivere Bewertung und reduzieren das Risiko, dass Vorurteile Entscheidungen beeinflussen.

Neben den großen Netzwerken gibt es auch vielfach interne digitale Netzwerke in Unternehmen – was können Unternehmen machen, um strukturelle Diskriminierung beim Zugang zu solchen digitalen Netzwerken auszuschließen?
Unternehmen können sicherstellen, dass alle Mitarbeitenden gleiche Zugänge zu internen Netzwerken erhalten, etwa durch transparente Einladungs- und Teilnahmeprozesse. Mentoring-Programme könnten zudem gezielt unterrepräsentierte Gruppen unterstützen, ihre Netzwerke zu erweitern. Ebenso könnten Unternehmen die Diversität in bestehenden Netzwerken regelmäßig evaluieren.

Haben Sie auch Ratschläge, wie in der „analogen Welt“ Unternehmensnetzwerke den Zugang für Minderheiten oder Angehörige von benachteiligten Gruppen vereinfachen können?
In der analogen Welt könnten Unternehmen den Zugang zu Netzwerken für Minderheiten durch gezielte Maßnahmen erleichtern. So können Random Lunches oder zufällige Sitzzuordnungen bei Treffen sinnvoll sein, um neue Verbindungen zu fördern. Mentoring-Programme, wie Cross-Mentoring zwischen Führungskräften und jungen Talenten aus unterrepräsentierten Gruppen, bieten gezielte Unterstützung beim Aufbau von Kontakten. Zudem schaffen Formate wie Speed Networking oder thematische Diversitycafés Räume für interkulturellen Austausch und stärken den Zugang zu beruflichen Netzwerken.

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Christina Petrick-Löhr betreut das Magazinressort Forschung & Lehre sowie die Berichterstattung zur Aus- und Weiterbildung. Zudem ist sie verantwortlich für die redaktionelle Planung verschiedener Sonderpublikationen der Personalwirtschaft sowie den Deutschen Personalwirtschaftspreis.