Wie sehen Personalarbeit und Arbeitswelt 2074 aus?

Werden wir alle in Zukunft länger arbeiten müssen? Wahrscheinlich ja – wir werden es immer häufiger aber wohl auch können. (Illustration: Personalwirtschaft, generiert mit der Bild-KI Midjourney) DEMOGRAFIE Die Menschen in Deutschland werden immer älter – in jeglicher Lesart des Satzes. Denn zum einen steigt die Lebenserwartung immer weiter an. Zum anderen nimmt der Anteil der älteren Jahrgänge – auch durch eine sinkende Kinderzahl – zu. Waren 1974 laut Statistischem Bundesamt 15 Prozent der Menschen in Deutschland über 65 Jahre alt, sind es heute schon 23 Prozent. Laut einem Online-Rechner des statistischen Bundesamtes, der bis 2070 basierend auf verschiedenen Annahmen die zukünftige Bevölkerungszusammensetzung modelliert, könnten es in knapp 50 Jahren fast ein Drittel über 65-Jährige sein. Der Anteil der Menschen zwischen 20 und 64 – das, was man heute gerne das „arbeitsfähige Alter“ nennt – macht dann nur noch rund die Hälfte der Bevölkerung aus. Was heißt das für HR, was für die Arbeitswelt? Bei sinkender Kinderzahl und steigender Lebenserwartung werden Benefits zur Kinderbetreuung wohl an Wichtigkeit verlieren, Möglichkeiten, die alternden Angehörigen zu pflegen oder unterzubringen, dafür umso wichtiger. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden auch länger arbeiten müssen – und können. Denn mit der Lebenserwartung steigt in der Regel auch das Alter, bis zu dem Menschen fit und gesund sind. Und gleichzeitig sinkt die Zahl der Jobs, in denen die Beschäftigten körperlich hart arbeiten müssen, kontinuierlich. Ein Büroarbeiter kann in der Regel seinen Job länger ausüben als eine Bauarbeiterin. Durch den Klimawandel begleitende Hitzewellen und zukünftige Pandemien könnte dieses Szenario natürlich hinfällig werden. Denn unter beidem leiden vor allem ältere Menschen. Wenn die AR- und VR-Technologie fortschreitet, wird wohl noch etwas Drive in die Homeoffice-Diskussion kommen. (Illustration: Personalwirtschaft, generiert mit der Bild-KI Midjourney) HYBRIDE ARBEIT Kaum ein Thema aus der Arbeitswelt wurde in den vergangenen Jahren so ausdauernd und mitunter emotional und kontrovers diskutiert wie die Frage, wo die Menschen in Zukunft arbeiten werden. War es noch 2019 für viele Menschen eher die Ausnahme, von zu Hause zu arbeiten, änderte sich das im März 2020 von einem Tag auf den anderen. Jetzt, vier Jahre nach Beginn und gut ein Jahr nach dem vermeintlichen Ende der Pandemie, fällt es vielen Unternehmen noch schwer, Regeln für Büropräsenz zu finden – und für deren Akzeptanz zu sorgen. Denn viele Beschäftigte haben sich an die Vorzüge der regelmäßigen Arbeit von zu Hause gewöhnt. Auf der anderen Seite leidet, auch so viel ist schon länger klar, nicht nur der Teamzusammenhalt unter der örtlichen Vereinzelung der Beschäftigten. Möglicherweise wird in zahlreichen Unternehmen auch in 50 Jahren noch über das Thema diskutiert – zumal die technischen Möglichkeiten der ortsungebundenen Zusammenarbeit noch weiter zunehmen dürften. Virtual- und Augmented-Reality-Tools werden ein neues Level der Distanzkommunikation erschließen helfen, das im dreidimensionalen Raum stattfindet. Zum Beispiel als Hologramm-Meetings, bei denen die Gesprächspartner sich als Projektionen im virtuellen Raum begegnen. Prototypen für Hologrammkabinen wurden im vergangenen Jahr bereits vorgestellt. Auch Google arbeitet bereits an 3D-Videokonferenzen. Klar ist jedenfalls: Zurückdrehen in die Zeit vor Corona lassen sich die Uhren nicht mehr. Vermutlich wird es aber auch 2074 in den meisten Unternehmen noch zentrale Standorte geben – sei es zur Repräsentation, zur (unregelmäßigen) Zusammenkunft oder für streng geheime Besprechungen, die weder Hacker, Wirtschaftsspione der Konkurrenz, die Regierung noch irgendwer sonst abhören darf. Und immerhin dürfte die Anreise mit dem Zug etwas angenehmer sein. Denn für 2070 hat die Deutsche Bahn ja den Deutschland-Takt angekündigt. Eine der wichtigsten Aufgaben von HR wird die Pflege internationaler Teams sein. (Illustration: Personalwirtschaft, generiert mit der Bild-KI Midjourney) INTERNATIONALITÄT Wie global wird Arbeiten in Zukunft sein? Seit 2010 haben in jedem Jahr zwischen 130.000 und 140.000 angehende Akademiker im Ausland studiert – diese Kohorte steigt sukzessive in Führungspositionen auf. Wer nach dem Abschluss des Schengen-Abkommens 1995 in Deutschland geboren wurde, hat (außer in den Corona-Hochzeiten) nie etwas anderes kennengelernt als ein Europa ohne Grenzkontrollen. Zunehmende Migration sorgt überdies für eine immer diversere Arbeitsbevölkerung gerade in Deutschland, wo schon heute fast jeder Dritte einen Migrationshintergrund hat – Tendenz steigend. Andererseits stehen viele Zeichen auf De-Globalisierung: Russland, China, Großbritannien und auch die USA schotten aus unterschiedlichen Motiven ihre (Arbeits-)Märkte ab. Auch in Europa versucht man angesichts zunehmend unsicherer Lieferketten unter dem Stichwort De-Risking kritische Produktionen etwa von systemrelevanten Pharmazeutika wieder auf den Kontinent zu holen. Info Unser Blick in die Zukunft erschien auch im Mai-Magazin, unserer Jubiläumsausgabe. Hier können Sie ein Abonnement abschließen – und hier finden Sie alle Infos zu unserem Jubiläum „50 Jahre Personalwirtschaft“. Was glauben Sie? Wie sieht die Arbeitswelt 2074 aus? Und wie werden Personalabteilungen arbeiten? Schreiben Sie uns. Entweder per Kontaktformular oder an die E-Mail-Adresse matthias.schmidt-stein@faz-bm.de. Die physischen Zäune für Zuwanderer – außer für begehrte Fachleute – werden gerade um wirtschaftlich starke Länder und Regionen immer höher und undurchdringlicher. Ein Trend, der sich vermutlich fortsetzen wird. Innerhalb Europas dagegen wird es für Studierende, Azubis und Beschäftigte wie heute völlig normal sein, grenzenlos zu leben, zu lernen und zu arbeiten. Das wirkt sich immer mehr auch auf die Kommunikation aus: Deutsch als alleinige Unternehmenssprache hat auch in KMU keine Perspektive, HR muss mehrsprachig werden oder auf Englisch umsteigen. Eine der wichtigsten Aufgaben von HR wird die Pflege internationaler Teams sein. Daneben nutzen trotz nationaler Abschottungstendenzen internationale Konzerne in den kommenden Jahrzehnten immer mehr die Möglichkeiten ortsungebundener Arbeit und verteilen weltweit die Arbeitsorte je nach lokalem Lohnniveau, Steuervorteilen und dem Angebot passender Arbeitskräfte. Die Großen machen das teilweise schon heute vor – und dass auch kleinere Organisationen in Zukunft nachziehen, ist absehbar. Feuerwehrleute werden wohl so schnell nicht von ChatGPT und Co. ersetzt. (Illustration: Personalwirtschaft, generiert mit der Bild-KI Midjourney) KI UND ARBEIT Der 30. November 2022 – der Tag, als ChatGPT veröffentlicht wurde – markiert den Wendepunkt zu einer von KI durchdrungenen Arbeitswelt. Das Weltwirtschaftsforum geht in seinem Future Jobs Report 2023 davon aus, dass sich allein in den nächsten fünf Jahren ein Viertel der globalen Jobs verändern werden. Eine breitgefächerte Analyse von 867 Jobs hatte ergeben, dass weit mehr als die Hälfte aller heutigen Aufgaben (62 Prozent) sprachbasiert sind – und von entsprechenden KIs zumindest teilweise ersetzt oder verändert werden. Die KI-Revolution wird manche Jobs verschwinden lassen, neue Berufe entstehen, fast alle werden sich weiterentwickeln. Besonders den White-Collar-Jobs geht es diesmal an den Kragen. Hohes Automatisierungspotenzial gibt es überall dort, wo größere Datenmengen erfasst und analysiert werden – also etwa in der Buchhaltung, Steuerberatung, Wirtschaftsprüfung und Kanzleien, auch in Banken und Versicherungen und Medien werden KI-Tools viele Aufgaben übernehmen. Neue Jobs, so prognostiziert das Weltwirtschaftsforum, wird es im Umfeld von Spezialisten für KI, Datenanalyse und Machine Learning geben, für Mathematiker, Aktuare und Statistik-Profis. Auch die Verbindung individueller Fähigkeiten etwa von Musikern oder Künstlerinnen und Filmemachern mit KI ist zukunftsträchtig. Wie genau diese Jobs aussehen und welche Namen sie tragen – das ist Zukunftsmusik. Vom KI-Boom unberührt bleiben dagegen auf absehbare Zeit solche Jobs, die wenig Routine enthalten und viel physische Arbeit: Dächer decken, Zähne ziehen, Haare schneiden und Feuer löschen – all das können Menschen auch 2074 besser als Maschinen.

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