Arbeitgeber sind verpflichtet, ihren Mitarbeitenden eine Gehaltsabrechnung bereitzustellen. Das muss laut einem aktuellen Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) jedoch nicht unbedingt auf Papier erfolgen. Da das Gesetz lediglich die sogenannte Textform verlange, sei auch eine rein digitale Bereitstellung verhältnismäßig. Beschäftigte haben daher keinen Anspruch auf gedruckte Lohnunterlagen.
Geklagt hatte eine Verkäuferin, der seit März 2022 die Entgeltabrechnungen nur elektronisch zur Verfügung gestellt worden sind. Die Frau wollte ihre Gehaltsabrechnungen aber wie bis dato üblich weiterhin in Papierform erhalten. Basis der digitalen Bereitstellung der Abrechnungen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist eine Konzernbetriebsvereinbarung vom April 2021 über das Einführen und das Anwenden eines digitalen Mitarbeiterpostfachs.
In dieser Konzernbetriebsvereinbarung wurde festgeschrieben, dass den Beschäftigten „alle Personaldokumente, insbesondere Entgeltabrechnungen, über einen externen Anbieter in einem digitalen Mitarbeiterpostfach“ bereitgestellt werden. Die Mitarbeitenden haben einen passwortgeschützten Online-Zugriff auf ihre Dokumente.
Konzernbetriebsrat und Konzernleitung hatten zudem vereinbart, dass für Mitarbeitende ohne Zugriffsmöglichkeiten mit einem privaten Endgerät auf dieses Mitarbeiterpostfach übergangsweise die Möglichkeit geschaffen werden muss, „die Dokumente im Betrieb einzusehen und auszudrucken“. Seit März 2022 stellte der Konzernverbund, in dem die Klägerin beschäftigt ist, die Entgeltabrechnungen dann ausschließlich nur noch digital zur Verfügung. Dieser Form widersprach die Verkäuferin und forderte ihre Abrechnungen weiterhin in Papierform.
Gehaltsabrechnungen: Bring- oder Holschuld?
Vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen hatte die Klage Erfolg. Der Senat dort argumentierte, dass der Klägerin die Entgeltabrechnungen durch Einstellen in das Online-Portal „nicht ordnungsgemäß“ übermittelt worden seien. Denn es handele sich bei Entgeltabrechnungen „um zugangsbedürftige Erklärungen“. Das LAG betonte seinerzeit ferner, ein digitales Mitarbeiterpostfach sei „nur dann eine geeignete Empfangsvorrichtung, wenn der Empfänger sie auch für den Empfang von Willenserklärungen im Rechts- und Geschäftsverkehr bestimmt hat“. Das aber treffe auf die Klägerin nicht zu.
Die beklagte Arbeitgeberin nutzte daraufhin die Möglichkeit der Berufung und hatte vor dem BAG Erfolg: Die Richterinnen und Richter bestätigten, dass Arbeitgeber, die Entgeltabrechnungen in ein digitales Mitarbeiterpostfach einstellen, grundsätzlich die dafür in § 108 Abs. 1 Satz 1 Gewerbeordnung vorgeschriebene Textform wahren.
Der Neunte Senat verweis zudem darauf, der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Abrechnung seines Entgelts sei „eine sog. Holschuld, die der Arbeitgeber erfüllen kann, ohne für den Zugang der Abrechnung beim Arbeitnehmer verantwortlich zu sein“. Die Bereitstellung der Abrechnungen an einer digitalen, d.h. „elektronischen Ausgabestelle“ sei dabei ausreichend. Jedoch müsse den berechtigten Interessen der Beschäftigten ohne einen privaten Online-Zugriff Rechnung getragen werden.
Die Richterinnen und Richter stellten überdies fest, dass das digitale Zurverfügungstellen der Gehaltsabrechnungen „nicht unverhältnismäßig in die Rechte der betroffenen Arbeitnehmer“ eingreife. Die Konzernbetriebsvereinbarung beachte schließlich § 87 Abs. 1 Nr. 6 Betriebsverfassungsgesetz, also die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen.
Eine abschließende Entscheidung im konkreten Fall konnte der Senat eigenen Angaben zufolge jedoch dennoch nicht treffen, da es bisher keine Feststellungen dazu gebe, „ob Einführung und Betrieb des digitalen Mitarbeiterpostfachs in die Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats fallen“. Um das zu klären, wurde die Sache wurde an das LAG Niedersachsen zurückverwiesen.
Info
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28. Januar 2025, Az. 9 AZR 48/24.
- Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 16. Januar 2024, Az. 9 Sa 575/23.
Hinweis: Dieser Beitrag erschien ursprünglich in leicht anderer Fassung in unserer Schwesterpublikation BetriebsratsPraxis24.