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Das planen Union und SPD für die Arbeitswelt

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Update vom 27. März 2025: Inzwischen liegen erste Ergebnisse aus den Arbeitsgruppen der Koalitionsverhandlungen vor:


Artikel vom 10. März 2025: Union und SPD haben erste Ideen vorgelegt, wie sie als mögliche zukünftige Koalition die Arbeitswelt zukunftsfit machen möchten. Große Überraschungen enthält das Sondierungspapier nicht. Denn die Pläne stellen eine Mischung aus den Wahlprogrammen beider Parteien dar. Die Vorhaben im Detail:

Vergütung

Union und SPD wünschen sich, dass der Mindestlohn spätestens bis 2026 auf 15 Euro angehoben wird. Dieser solle aber nicht von der Politik festgelegt werden, sondern wie auch bisher von einer „starken und unabhängigen Mindestlohnkommission“. Zudem soll es eine höhere Tarifbindung geben. Dafür soll ein Tariftreuegesetz auf den Weg gebracht werden. Ein Gesetzesentwurf hatte es auch schon von der vorherigen Regierung gegeben. „Tariflöhne müssen wieder die Regel werden und dürfen nicht die Ausnahme bleiben“, heißt es im Sondierungspapier. Wie genau das Tariftreuegesetz aussehen soll, wird nicht beschrieben.

Die Arbeitsrechtler Ferdinand Groß und Till Heimann von der Kanzlei Kliemt prognostizieren basierend auf vorangegangenen Entwurfsfassungen aus dem SPD-geführten Arbeitsministerium folgende Regelung: Unternehmen müssen Tarifbindungen haben, um zukünftig staatliche Aufträge zu bekommen. Die Arbeitsrechtler ordnen die Vergütungsvorhaben in ihrem Blogbeitrag kritisch ein. „Die nahezu schon philosophische Frage, ob ein an Attraktivität verlierendes Modell der Tarifbindung durch gesetzlichen Zwang attraktiver wird, wird auch dieses Mal gestellt werden dürfen“. Gleichzeitig würde eine höhere Tarifbindung für viele Unternehmen zu einer Lohnkostensteigerung führen.

Bezüglich der Vergütung soll auch Equal Pay vorangetrieben und „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ sichergestellt werden – egal, ob eine Frau oder ein Mann den entsprechenden Job ausführt. „Gesetzliche Schritte, um dieses Ziel zu erreichen, wollen wir prüfen“, heißt es im Sondierungspapier. Dieser Schritt ist losgelöst vom Willen der Parteien nötig, da Deutschland verpflichtet ist, die EU-Entgelttransparenzrichtlinie bis 2026 in nationales Recht umzusetzen.

Arbeitszeit

Auch beim Arbeitszeitgesetz hatte die Ampel-Regierung immerhin schon einen Referentenentwurf. Allerdings ist die Umsetzung europäischer Vorgaben in ein neues Arbeitszeitgesetz auch längst überfällig. Union und SPD haben sich in den Sondierungen auf Folgendes geeinigt: Statt einer täglichen soll es zukünftig eine wöchentliche Höchstarbeitszeit geben. Die geltenden Ruhezeitregelungen wollen Union und SPD aber beibehalten. Damit sollen Arbeitnehmende Familie und Beruf besser vereinbaren und flexibler arbeiten können. Ob die neue Regelung tatsächlich einen signifikanten Unterschied machen wird, bezweifeln einige Arbeitsrechtler. „Mehr Flexibilität kann damit kaum erreicht werden, wenn es bei den bisherigen Ruhezeitregelungen bleibt“, schreibt Kai-Oliver Burmann, Rechtsanwalt bei Grüter Rechtsanwälte auf Linkedin.  

Wenn es nach der Union und SPD geht, soll mit Überstunden zudem anders umgegangen werden. Sie wollen steuerfreie Überstundenzuschläge einführen, um Mehrarbeit attraktiver zu machen. Mit steuerlichen Anreizen soll auch die Vollzeitquote erhöht und mehr Fachkräfte in Teilzeit zu einer Stundenerhöhung motiviert werden. „Wenn der Arbeitgeber eine Prämie zur Ausweitung der Arbeitszeit zahlt, werden wir diese Prämie steuerlich begünstigen“, heißt es im Sondierungspapier. Arbeitsrechtler Burmann hält wenig von der Idee: „Dieser Ansatz verdeckt die wahren Ursachen der Teilzeitquote – Ehegattensplitting und Betreuungsdesaster.“

Während Burmann das Vorhaben kritisiert, vermissen die Kliemt-Arbeitsrechtler Angaben zur Arbeitszeiterfassung. „Leider enthält das Sondierungspapier keinerlei Aussagen, ob die seit September 2022 angekündigte Regelung zur Arbeitszeiterfassung nunmehr kommen soll“, schreiben Groß und Heimann. „Es wäre wünschenswert, wenn die Flexibilisierung der Arbeitszeit von einer zeitgemäßen gesetzlichen Regelung zur Arbeitszeiterfassung flankiert wird und die Unternehmen insoweit endlich Rechtssicherheit erhalten.“

Fachkräftesicherung

Wie von CDU/CSU im Wahlprogramm angekündigt, soll es in naher Zukunft eine digitale Agentur für Fachkräfteeinwanderung geben, um so eine „einheitliche Ansprechpartnerin für ausländische Fachkräfte“ zu haben. Auch sollen Menschen mit Behinderung verstärkt in den Arbeitsmarkt integriert werden. Ebenfalls stellen Arbeitslose für die beiden Parteien Fachkräftepotential dar. So solle sich zukünftig stärker auf deren Vermittlung und Qualifizierung fokussiert werden. Verweigern Arbeitslose wiederholt die Annahme von Arbeit, sollen ihnen die Leistungen vollständig entzogen werden.

Eine weitere Gruppe, welche Union und SPD verstärkt in den Arbeitsmarkt holen wollen, sind ältere Menschen. Auch hier sollen finanzielle Anreize die entscheidende Motivation sein: Die Parteien wollen eine sogenannte Aktivrente einführen. Wer das gesetzliche Renteneintrittsalter erreicht und weiterarbeitet, bekommt von seinem Gehalt bis zu 2.000 Euro im Monat steuerfrei. Angehoben werden soll das Renteneintrittsalter nicht und auch die vielerorts kritisierte abschlagsfreie Rente nach 45 Jahren Betriebszugehörigkeit soll weiterhin bestehen bleiben.

Bürokratieabbau

Ein Aspekt, der bisher stark von Arbeitgebern und Arbeitsrechtlerinnen sowie Arbeitsrechtlern kritisiert wurde, ist die ausgeprägte Bürokratie und ein damit verbundener Aufwand für Unternehmen. Union und SPD wollen hier Abhilfe schaffen. Das Ziel: Die Bürokratiekosten für Unternehmen in den nächsten vier Jahren um 25 Prozent verringern. Wie genau? Dazu nennen sie im Sondierungspapier zunächst nur einen Ansatz: „Wir werden die Zahl der gesetzlich vorgeschriebenen Betriebsbeauftragten signifikant reduzieren.“ Damit soll es zukünftig weniger Menschen geben, die vom Arbeitgeber bestellt werden müssen, um auf den Gebieten des Umweltschutzes, des Arbeitsschutzes und des Datenschutzes zu kontrollieren, ob bestimmte Gesetze eingehalten werden.

Was nicht im Papier erwähnt wird

Viele Punkte, die im Sondierungspapier genannt werden, lassen sich auch in den Wahlprogrammen von Union und SPD finden. Allerdings haben es zwei Bereiche nicht vom Wahlprogramm in das Sondierungspapier geschafft – und das, obwohl hier beide Parteien eigentlich ähnliche Ansichten haben. Weiterbildung und lebenslanges Lernen, welche Union und SPD während der Wahl als wichtige Eckpfeiler für ein zukünftiges Florieren der Wirtschaft gesehen haben, werden im Sondierungspapier nicht thematisiert. Auch Lösungsansätze für den Umgang mit dem Stellenabbau – beispielsweise eine Job-to-Job-Vermittlung, „Personalpartnerschaften zwischen Unternehmen“ oder die Stärkung von Transfergesellschaften – scheinen nun kein Fokus mehr der möglichen zukünftigen Regierungskoalition zu sein. Möglich ist aber, dass diese Punkte bei den Koalitionsverhandlungen wieder thematisiert werden.

Künstliche Intelligenz

Während Union und SPD nun auf Basis des Sondierungspapiers in Koalitionsverhandlungen gehen werden, zeigt sich die Arbeitsrechts-Szene enttäuscht von den geplanten Gesetzesänderungen. Ferdinand Groß und Till Heimann von Kliemt vermissen Regelungen zur Anwendung von Künstlicher Intelligenz (KI). „Bedauerlicherweise nahezu völlig unter den Tisch gefallen, ist das Thema KI auf dem Arbeitsmarkt. Gerade hier wären klarere und einfachere regulatorische Leitplanken wichtig und von vielen Unternehmen gewünscht“, so ihr Resümee. Der EU AI Act wurde vergangenes Jahr verabschiedet und muss bis Mitte 2026 in nationales Recht umgesetzt sein. Allerdings schon zum Sommer dieses Jahres müssen die EU-Mitgliedsstaaten eine nationale KI-Aufsicht benennen.

Alexander Bissels, Partner und Rechtsanwalt bei CMS Deutschland, schrieb auf Linkedin zudem: „Das Ergebnis ist eher ernüchternd. Ein arbeitsrechtlicher Aufbruch dürfte anders aussehen.“ Arbeitsrechtler Kai-Oliver Burmann wünscht sich außerdem, dass die Pläne in den Koalitionsverhandlungen nachgebessert werden. „Es bleibt zu hoffen, dass die Koalitionsgespräche innovativere Ansätze und mutigere Lösungen bringen.“

Lena Onderka ist redaktionell verantwortlich für den Bereich Employee Experience & Retention – wozu zum Beispiel auch die Themen BGM und Mitarbeiterbefragung gehören. Auch Themen aus den Bereichen Recruiting, Employer Branding und Diversity betreut sie. Zudem ist sie redaktionelle Ansprechpartnerin für den Deutschen Human Resources Summit.