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Lohnfortzahlung bei aufeinanderfolgenden Krankheiten

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Ist ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin längere Zeit arbeitsunfähig, kann es für den Arbeitgeber teuer werden: Er muss, sofern den Arbeitnehmer kein Verschulden an der Krankheit trifft, weiterhin Lohn zahlen – und das in der Regel sechs Wochen, also 42 Kalendertage lang (§ 3 Entgeltfortzahlungsgesetz). Auf diesen Zeitraum ist der gesetzliche Anspruch des Arbeitnehmers begrenzt, Arbeits- oder Tarifverträge können andere Regelungen, also einen längeren Anspruch, vorsehen.

Krankschreibung infolge gleicher oder anderer Krankheit

Um den Lohnfortzahlungsanspruch berechnen zu können, ist es wichtig zu wissen, ob die Arbeitsunfähigkeit (AU) durch dieselbe oder durch eine andere Erkrankung ausgelöst wurde. Denn bei der Berechnung des sechswöchigen Zeitraums kann der Arbeitgeber in bestimmten Fällen Vorerkrankungen des Arbeitnehmers anrechnen und somit die Lohnfortzahlung frühzeitig stoppen.

Generell gilt: Wird der Beschäftigte infolge derselben Krankheit erneut arbeitsunfähig, kann der Arbeitgeber die AU-Zeiträume zusammenrechnen,

  1. wenn der Beschäftigte innerhalb eines von sechs Monaten vor der erneuten Arbeitsunfähigkeit bereits infolge derselben Krankheit arbeitsunfähig war. Die sechs Monate werden vom Tag vor Beginn der erneuten Arbeitsunfähigkeit rückwärts gerechnet. Bestand in dieser Zeit eine Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit, entsteht kein neuer sechswöchiger Entgeltfortzahlungsanspruch, aber es besteht gegebenenfalls noch ein Restanspruch.
  2. wenn seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit keine zwölf Monate verstrichen sind. Das heißt: Muss der Arbeitgeber aufgrund der sechsmonatigen Frist kein Entgelt fortzahlen, kann sich ein neuer Anspruch auch ergeben, wenn seit dem Beginn der letzten Arbeitsunfähigkeit bereits zwölf Monate vergangen sind.

Info

Diese Regelungen gelten nicht, wenn unterschiedliche Krankheiten zusammentreffen. Dann kann es sein, dass der Arbeitgeber auch länger als sechs Wochen den Lohn fortzahlen muss. Das ist der Fall, wenn ein Beschäftigter krankgeschrieben ist, etwa aufgrund eines Knochenbruchs, und dann eine weitere Erkrankung, beispielsweise eine Coronaerkrankung, hinzukommt.

In diesem Fall ist es allerdings wichtig, ob die zweite Erkrankung hinzukam, als die erste noch nicht völlig ausgeheilt war. Ist das der Fall, darf der Arbeitgeber die beiden Zeiträume zusammenrechnen und die Entgeltfortzahlung nach insgesamt 42 Kalendertagen stoppen.

Lag jedoch zwischen der ersten und der zweiten Krankheit eine Zeit der vollen Arbeitsfähigkeit, entsteht ein erneuter Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Die Arbeitsfähigkeit kann auch nur kurz – etwa wenige Stunden – gedauert haben. Zudem muss der Beschäftigte in dieser kurzen Zeit auch nicht gearbeitet haben, beispielsweise, weil er samstags ohnehin frei hat.

Über einen solchen Fall hat das Bundesarbeitsgericht bereits im Jahr 2019 geurteilt, wie die Personalwirtschaft berichtete. Das BAG entschied damals (Urteil 5 AZR 505/18 vom 11.12.2019), dass der Arbeitgeber einer kranken Mitarbeiterin das Entgelt nur bis zu sechs Wochen fortzahlen muss, auch wenn diese wegen einer weiteren Diagnose erneut arbeitsunfähig wird, es sei denn, die erste Krankheit war beim Auftreten der zweiten bereits beendet.

Krankheitsursache kann Krankenversicherung prüfen

Da Arbeitgeber in der Regel die Ursache für Krankschreibungen nicht kennen, können sie wie folgt vorgehen, um die Zeiträume der Entgeltfortzahlung zu berechnen:

1. Ist der krankgeschriebene Arbeitnehmer privat versichert, darf der Arbeitgeber generell von einer anrechenbaren Vorerkrankung ausgehen. Falls das nicht der Fall ist, muss der Beschäftigte das Gegenteil nachweisen, um Anspruch auf Lohnfortzahlung bei neuer Arbeitsunfähigkeit zu haben.

2. Ist der Arbeitnehmer gesetzlich versichert, muss sich der Arbeitgeber an die Krankenkasse wenden. Diese kann die Möglichkeit der Anrechnung prüfen, da der Arzt ihr mit der AU-Bescheinigung auch die Diagnose übermittelt hat.

Für die Prüfung übermittelt der Arbeitgeber der Krankenkasse neben den Daten des Arbeitnehmers den Zeitraum der aktuellen Arbeitsunfähigkeit und der zu prüfenden Vorerkrankungen. Voraussetzungen, damit die Krankenkasse einen Fall prüfen darf, sind:

  • Der Beschäftigte ist gesetzlich krankenversichert.
  • Dem Arbeitgeber liegen die Arbeitsunfähigkeitsdaten zur aktuellen und zur zu prüfenden Erkrankung vor.
  • Alle Krankheiten zusammen dauerten mindestens 30 Tage.

Die Prüfung kann die Krankenkasse nicht automatisch vornehmen, weil gleiche Diagnosen nicht immer auf die gleiche Grunderkrankung zurückzuführen sind. So kann beispielsweise eine Depression diagnostiziert werden, die jedoch auf unterschiedliche Auslöser zurückzuführen ist und somit jeweils als neue Erkrankung zu werten ist. Kann die Krankenkasse anhand der Diagnose nicht zweifelsfrei einen Zusammenhang zwischen Diagnose und Erkrankung feststellen, muss sie die behandelnden Ärztinnen und Ärzte oder den Medizinischen Dienst konsultieren.

Das Ergebnis ihrer Beurteilung übermittelt die Krankenkasse schließlich dem Arbeitgeber. Zudem teilt sie mit, ob der vorliegende AU-Zeitraum anrechenbar. Der Arbeitgeber kann daraufhin über die Dauer der Entgeltfortzahlung entscheiden. Bindend ist die Mitteilung der Krankenkasse allerdings weder für den Arbeitgeber noch für Gerichte, wie das Bundesarbeitsgericht klargestellt hat. (Urteil 5 AZR 93/22 vom 18. Januar 2023).

Kirstin Gründel beschäftigt sich mit den Themen Compensation & Benefits, Vergütung und betriebliche Altersvorsorge. Zudem kümmert sie sich als Redakteurin um das Magazin "Comp & Ben". Sie ist redaktionelle Ansprechpartnerin für das Praxisforum Total Rewards.