In Teilen Deutschland sind für diese Woche Schneefall oder Schneeregen angesagt. Auch Gewitter und Stürme können Auswirkungen auf den Weg vieler Beschäftigter zur Arbeit haben. Was können und was müssen sie tun, wenn sie nicht ins Büro kommen? HR sollte die Beschäftigten zum einen informieren, wie sie sich zu verhalten haben, und zum anderen bestehende Regelungen überprüfen oder fehlende aufstellen. Insbesondere die Homeoffice-Möglichkeiten, wenn es ein Unwetter gibt oder gab, sollten allen Beteiligten vorher klar sein. Wir führen die wichtigsten gesetzlichen Regelungen für Sie auf.
„Unabhängig von Schnee, Eis und Glätte haben Angestellte die Pflicht, pünktlich an ihrem Arbeitsplatz zu erscheinen“, erläutert Sabine Brandl, Juristin der ERGO Rechtsschutz Leistungs-GmbH. „Sie tragen das sogenannte Wegerisiko, wenn es auf dem Arbeitsweg zu Verzögerungen kommt.“ Das heißt: Kündigt sich eine Schneefront an, sollten Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen der Juristin zufolge beispielsweise früher losfahren, eine andere Strecke oder Bahnverbindung wählen oder, wenn das Auto nicht anspringt, auf öffentliche Verkehrsmittel ausweichen.
Wer nicht erscheint, wird nicht bezahlt
Wer dennoch nicht oder zu spät zur Arbeit erscheint, dem drohen Lohneinbußen: Der Mitarbeitende hat für die Länge des Zeitversäumnis keinen Anspruch auf Bezahlung. Gibt es Arbeitszeitkonten mit Gleitzeitregelungen, kann die ausgefallene Arbeitszeit womöglich nachgeholt werden.
„Ist der Arbeitsbeginn aber fix um 8 Uhr vereinbart, endet die Schicht um 16:30 Uhr und kommt der Arbeitnehmer erst um 10 Uhr zur Arbeit, werden ihm die ersten beiden Stunden nicht vergütet“, unterstreicht der Hamburger Fachanwalt Michael Fuhlrott. Dies gilt auch für ganze Arbeitstage. „In der Praxis kommt dies jedoch selten vor und meist ist es möglich, die sogenannten Minusstunden über Nacharbeit oder Überstunden auszugleichen“, ergänzt Brandl.
Wann gilt die BGB-Ausnahmevorschrift?
Auf die gesetzliche Ausnahmevorschrift des § 616 S. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) wird sich der Arbeitnehmer beziehungsweise die Arbeitnehmerin in der aktuellen Situation auch nicht berufen können. Nach dieser Vorschrift behält er oder sie den Lohnanspruch, wenn er oder sie „für eine nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund an der Arbeitsleistung verhindert wird“. Aus diesem Grund gibt es Regelungen wie die bezahlte Freistellung bei notwendigen Arztbesuchen während der Arbeitszeit. Weitere Beispiele sind Hochzeiten, Todesfälle oder Umzüge.
Voraussetzung für die Ausnahmevorschrift ist einerseits, dass die Verhinderungsdauer des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin nur eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit betragen darf. Das Gesetz konkretisiert es nicht, aber häufig geht es um wenige Tage. Andererseits darf den Beschäftigten in Bezug auf den Verhinderungsgrund kein Verschulden treffen. Beispielsweise im Zuge der Coronapandemie konnte ein Verschulden durchaus nachgewiesen werden, und zwar wenn Beschäftigte ganz bewusst in Hochrisikogebiete reisen und sich dann infizieren.
Ein Anspruch auf diese bezahlte Freistellung besteht allerdings nicht, wenn der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers objektive Hindernisse entgegenstehen, also es nicht an in der Person liegenden Gründen liegt. Beispiele sind:
- Verhinderung wegen allgemeinen Straßenverkehrsstörungen
- Wahrnehmung amtlicher Termine, soweit sie auf privaten Angelegenheiten des Arbeitnehmers beruhen
- Ausfall öffentlicher Verkehrsmittel
- Naturereignisse, wie zum Beispiel Hochwasser
- Witterungsbedingungen, wie zum Beispiel Eisglätte
Es gibt jedoch auch extreme Fälle, in denen von Beschäftigten kein pünktliches Erscheinen verlangt werden kann: „Zum Beispiel, wenn sie sich schon am Vorabend auf den Weg durch das Schneechaos machen müssten, um rechtzeitig auf der Arbeit anzukommen“, erklärt Brandl. Wenn es schlichtweg unmöglich ist, zur Arbeit zu kommen trotz Prüfen aller Alternativen, so behält der Beschäftigte den Lohnanspruch.
Persönliche Betroffenheit kann durch objektive Hindernisse eintreten
Ist ein Naturereignis oder Witterungsbedingungen zudem so stark, dass Mitarbeitende – wie etwa bei der Ahrtal-Flut vor drei Jahren – ihre Wohnung oder ihr Haus verlieren oder evakuiert werden müssen, so führt die persönliche Betroffenheit doch dazu, dass Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen den Lohnanspruch nicht verlieren. Denn dann wird aus dem äußeren Umstand ein in der Person liegender Grund. „Zu beachten ist jedoch, dass der Anspruch nur für 3 bis 5 Tage besteht und arbeitsvertraglich ausgeschlossen sein kann“, sagt Rechtsanwalt Daniel Hammes.
Homeoffice als Ausweichoption?
Anders könnte es ablaufen, wenn Beschäftigte eine Homeoffice-Option haben. Doch auch hier gilt: Besagt die Homeoffice-Regelung, dass zum Beispiel montags immer Anwesenheitspflicht im Büro ist, so können Beschäftigte an diesem Tag nicht eigenständig und einseitig im Homeoffice arbeiten. In den meisten Fällen werden die Arbeitgeber Verständnis haben, doch nur wer ausdrücklich jeden Tag selbst entscheiden darf, wo er oder sie arbeitet (Full-Flex-Regelungen), kann in solchen Situationen ohne Absprache entscheiden.
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Gesine Wagner ist hauptverantwortlich für die Themen Arbeitsrecht, Politik und Regulatorik und ist Ansprechpartnerin für alles, was mit HR-Start-ups zu tun hat. Zudem verantwortet sie die Erstellung der zahlreichen Newsletterformate sowie unser CHRO-Panel.