Um das Hinweisgeberschutzgesetz gab es in Deutschland viel Wirbel – unter anderem, weil es später in Kraft trat als geplant. Mit diesem Gesetz wurde am 2. Juli eine EU-Richtlinie umgesetzt, die Whistleblower in Unternehmen und anderen Organisationen besser schützt. Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitenden sind seitdem verpflichtet, ein System für die vertrauliche Meldung von internen Verstößen anzubieten.
Das HR-Software-Unternehmen Personio hat nun kleine und mittelständische Unternehmen (KMUs) zur Umsetzung des Hinweisgeberschutzgesetzes befragt. Die Umfrage lief im Juni 2023 unter 500 Teilnehmenden, darunter 350 von Arbeitnehmer- und 150 von Arbeitgeberseite. Das Ergebnis: Fast die Hälfte der Befragten hat noch gar keine Whistleblower-Richtlinie. 15 Prozent von ihnen sind sich der Pflicht dazu nicht bewusst. Die andere Hälfte plant, die Richtline in den nächsten sechs bis zwölf Monaten bei sich einzuführen. Dafür ist es auch höchste Zeit. Unternehmen mit 51 bis 249 Angestellten haben zwar noch eine Schonfrist bis zum 17. Dezember 2023, doch bei jenen mit über 249 Mitarbeitenden muss es bereits eine Whistleblowing-Möglichkeit geben. Bei Verstoß gegen das Gesetz droht ein Bußgeld in Höhe von 50.000 Euro. Zu den Motivationsgründen, einen richtlinienkonformen Meldekanal einzuführen, zählt vor allem die Sicherheit ihrer Angestellten (35 Prozent), Compliance (26 Prozent), Mitarbeiterengagement (22 Prozent) und der Schutz des eigenen Rufs (17 Prozent).
Aufklärung ist dringend nötig
Bei den Arbeitgebern kennen 48 Prozent die neue Richtlinie, 42 Prozent haben zumindest davon gehört. Doch die Mitarbeitenden sind noch zum größten Teil unwissend: 43 Prozent der Befragten haben laut eigenen Angaben keine Kenntnisse darüber, ob ihr Unternehmen eine Whistleblower-Richtlinie hat. Nur 18 Prozent der befragten Beschäftigten kennen das neue Gesetz gut. Und das, obwohl 39 Prozent der Befragten schon einmal mit Missständen am Arbeitsplatz zu tun hatte.
Der bevorzugte Meldungskanal solcher Missstände ist für 44 Prozent der befragten Mitarbeitenden der persönliche Austausch mit der HR-Abteilung oder der Führungskraft. 39 Prozent bevorzugen einen elektronischen, anonymen Kanal. Nur 49 Prozent gibt an, dass ihr Unternehmen über eine entsprechende Technologie dafür verfügt. 34 Prozent der Arbeitgeber sichern jedoch einen sicheren Umgang zu, dem stimmen nur 20 Prozent der befragten Mitarbeitenden zu. Besorgniserregend ist, dass über drei Viertel der Befragten bei der Meldung von Missständen negative Konsequenzen fürchtet: „76 Prozent haben Angst vor Repressalien. Unternehmen scheinen ihren Umgang mit Fehlverhalten am Arbeitsplatz überzubewerten“, heißt es in der Studie.
Angela Heider-Willms verantwortet die Berichterstattung zu den Themen Transformation, Change Management und Leadership. Zudem beschäftigt sie sich mit dem Thema Diversity.