Nach einem wahren Verhandlungsmarathon hat sich die Ampelkoalition in der vergangenen Woche auf den Bundeshaushalt 2025 sowie eine sogenannte Wachstumsinitiative geeinigt. In dieser haben SPD, FDP und Grüne verschiedene Maßnahmen gebündelt, um die Wirtschaft und nicht zuletzt den Arbeitsmarkt zu beleben. Wenig überraschend sind die Ampel-Politiker und -Politikerinnen angesichts der Einigung voll des Lobes. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Die Grünen): „Wir stärken das Arbeitskräfteangebot durch ein ganzes Bündel von Maßnahmen, bei denen durchaus auch neue Impulse dabei sind.“
Doch es gibt auch kritische Stimmen. So glaubt der Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Sebastian Dullien, dass die Initiative für Wachstum viele sinnvolle Punkte enthalte, „allerdings auch Elemente, die vor allem den Staat Geld kosten, ohne einen großen Wachstumseffekt zu bringen“.
Auch die Gewerkschaften stehen der Wachstumsinitiative skeptisch gegenüber. DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi moniert: „Die arbeitspolitischen Vorschläge halten wir in Summe für das falsche Signal. Sie tragen auch nichts zum Haushalt bei und setzen zum Teil falsche Signale für die gute Gestaltung der Arbeitswelt. Zur Mobilisierung von Fachkräften hätte es klarere Signale bedurft – für mehr Kinderbetreuung und Pflege.“ Die steuerliche Besserstellung für Mehrarbeit und ausländische Fachkräfte berge außerdem gesellschaftlichen Zündstoff. „Insgesamt werden wir alle arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen kritisch prüfen.“ Wir stellen die für HR wichtigsten Maßnahmen der Initiative vor.
Rentner sollen mehr Netto vom Brutto haben
Eine Maßnahme, die die Ampel umsetzen will: Wer als Rentner oder Rentnerin weiterarbeiten will, soll künftig mehr Netto vom Brutto haben. So soll der Arbeitgeberbeitrag zur Arbeitslosenversicherung (1,3 Prozent) mit dem Lohn ausgezahlt werden. Beim Rentenbeitrag (9,3 Prozent) soll es eine Wahlmöglichkeit geben: Auszahlung mit dem Gehalt oder diesen als freiwilligen Beitrag weiterlaufen lassen, um die spätere Rente zu erhöhen.
Neben der Möglichkeit, monatliche Zuschläge auf die künftige Rente für das Aufschieben des Renteneintritts zu bekommen, werden sich Arbeitnehmende zukünftig auch für eine sogenannte Rentenaufschubprämie entscheiden können. Dabei erhält der Mitarbeitende eine Einmalzahlung in Höhe der entgangenen Rentenzahlung. Darüber hinaus wird dem Arbeitnehmer beziehungsweise der Arbeitnehmerin auch der eingesparte Beitrag zur Krankenversicherung ausbezahlt. Die Rentenaufschubprämie soll zudem abgabenfrei sein.
Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm sieht mit Blick auf die Pläne der Ampelkoalition indes die Gefahr, dass möglicherweise „mehr Menschen in Erwägung ziehen, offiziell früher in Rente zu gehen, um anschließend mehr zu verdienen“. Ihre Einschätzung: „Wir kommen langfristig nicht drumherum, das gesetzliche Rentenalter an die fernere Lebenserwartung zu koppeln und ab 2031 langsam über 67 Jahre hinaus weiter anzuheben.“
Anreize für ausländische Fachkräfte
Auch ausländische Fachkräfte profitieren von der Wachstumsinitiative. So soll die Einwanderung von ausländischen Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen in die Zeitarbeit erlaubt sein, sofern ab dem ersten Tag der Beschäftigung der Grundsatz des „Equal Pay“ befolgt wird und eine Mindestbeschäftigungsdauer von zwölf Monaten vereinbart wird. Dabei werde auf eine bürokratiearme Umsetzung geachtet, heißt es in einem Papier des Bundesfinanzministeriums. Darüber hinaus will die Bundesregierung die Funktionsfähigkeit und die Erreichbarkeit des Portals „Make it in Germany“ verbessern. Die Seite bündelt Beratungs- und Dienstleistungsangebote wie die Hotline „Arbeit und Leben in Deutschland“, die zentrale Erstansprechstelle, den Chat der Bundesagentur für Arbeit (BA) sowie die BA-Jobbörse.
Arbeitsrechtler Alexander Bissels kommentiert den Plan, ausländischen Fachkräften die Einwanderung in die Zeitarbeit zu erlauben auf Linkedin durchaus positiv: „Die Öffnung der Zeitarbeit für Drittstaatler ist richtig, insbesondere um dem stetig steigenden Fachkräftemangel zu begegnen.“ Nicht nachvollziehbar sei, dass Equal Pay ab dem ersten Tag der Beschäftigung gelten solle. Dies sorge faktisch für eine Ungleichbehandlung im Vergleich zu den übrigen Zeitarbeitnehmern und Zeitarbeitnehmerinnen. „In der Arbeitnehmerüberlassung gelten Tarifverträge, die ein hinreichendes Schutzniveau bieten. Wenn man die in diesem Zusammenhang bürokratiearme Umsetzung liest, wird mir angst und bange.“
Diskriminierung von deutschen Arbeitnehmenden?
Des Weiteren plant die Ampel, dass neu zugewanderte Fachkräfte in den ersten drei Jahren 30, 20 und 10 Prozent vom Bruttolohn steuerfrei stellen können. Für diese Freistellung werde eine Unter- und Obergrenze für den Bruttolohn definiert. Dafür gibt es Zuspruch, aber auch Kritik. So finden sich unter anderem auf X (ehemals Twitter) zahlreiche Stimmen, die diese Regelung ablehnen. „Das ist Inländer-Diskriminierung. Arbeiter 1. und 2. Klasse. Für alle, die arbeiten, muss aber doch gelten: Mehr Netto vom Brutto, Arbeit muss sich lohnen!“, schreibt etwa Julia Klöckner (CDU) auf X. Klöckner ist ehemalige Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft und wirtschaftspolitische Sprecherin der Union. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck ficht diese Kritik nicht an. „Wir sehen, dass auch andere europäische Länder solche Steuervergünstigungen für Fachkräfte gewähren, wenn sie in das Land kommen.“
Doch es gibt auch Zuspruch jenseits der Ampel. Dirk Jandura, Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel und Dienstleistungen (BGA) sprach mit Blick auf die Wachstumsinitiative im Allgemeinen und der Fachkräfteregelung im Speziellen von einem „mutigen Schritt“. Und Kommunikationsberater Götz Kümmerle kommentiert auf Linkedin: „Wir brauchen ausländische Fachkräfte. Wir müssen Anreize schaffen, die bei diesen auch wirklich wirken. Ob obiges Steuerprivileg ein solcher Anreiz ist, kann man diskutieren. Dass wir unseren Blick nach außen richten müssen, sollte außer Frage stehen.“
Förderung von Weiterbildungen für Geflüchtete
Um das Qualifikationsniveau der Beschäftigten insgesamt weiter anzuheben, will die Bundesregierung außerdem ihre Weiterbildungsmaßnahmen optimieren. „Insbesondere Geflüchtete arbeiten in Deutschland nicht oder nur auf Arbeitsstellen unterhalb ihres eigentlichen Qualifikationsniveaus“, heißt es in dem Entwurf der Wachstumsinitiative. Um die Beschäftigungsaufnahme und die Aufstiegsmobilität von Geflüchteten zu verbessern, will die Ampel den sogenannten Job-Turbo ausweiten und verstetigen.
Gelingen soll dies unter anderem durch eine aktive Ansprache von Erwerbstätigen durch die Arbeitsagenturen und Jobcenter, unterstützt durch Informationskampagnen in Kooperation mit Gewerkschaften oder Arbeitgeberverbänden. Zudem wird bei erschwerter Beschäftigungsaufnahme eine Kombination aus Arbeitsgelegenheiten, verpflichtenden Integrationspraktika, Weiterbildungen und Sprachkursen eingeführt, „um eine schnellstmögliche und erfolgreiche Integration in den Arbeitsmarkt zu gewährleisten“.
Sven Frost betreut das Thema HR-Tech, zu dem unter anderem die Bereiche Digitalisierung, HR-Software, Zeit und Zutritt, SAP und Outsourcing gehören. Zudem schreibt er über Arbeitsrecht und Regulatorik und verantwortet die redaktionelle Planung verschiedener Sonderpublikationen der Personalwirtschaft.