„Vor allem Frauen ab Mitte 40 und Männer ab 50 Jahren berichten von Diskriminierungen bei der Arbeitssuche, am Arbeitsplatz oder beim Ausscheiden aus dem Arbeitsleben“, heißt es in einer aktuellen Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Bei der Frage, wie oft sie Altersdiskriminierung erlebt haben, gaben 55 Prozent aller Befragten „nie“ an, 26 Prozent „selten“, 13 Prozent „gelegentlich“ und 6 Prozent „häufig“. Heruntergebrochen auf das Alter gaben von den 45-64-Jährigen insgesamt 43 Prozent an, bereits wegen ihres Alters diskriminiert worden zu sein. Die Studie basiert auf einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts GMS. Befragt wurden 2000 Menschen ab 16 Jahren vom 11. bis 17. März 2025. Am häufigsten nahmen die Befragten Altersdiskriminierung demnach im Arbeitsleben wahr, gefolgt vom Gesundheitsbereich (27 Prozent) und Geschäften und Dienstleistungen (24 Prozent).
Schaut man sich den Altersbericht der Bundesregierung an, scheint sich die Situation sogar weiter zu verschärfen. Denn laut dem aktuellen Bericht, der im Januar veröffentlicht wurde, verzeichnet die Antidiskriminierungsstelle des Bundes im Jahr 2023 einen Anstieg von 70 Prozent bei den gemeldeten Fällen von Altersdiskriminierung im Vergleich zum Vorjahr. Allerdings ist auch klar: Mit steigendem Bewusstsein für Diskriminierung in der Gesellschaft nehmen auch die Meldungen von Betroffenen zu. Ein ähnliches Phänomen konnte rund um die Diskussion von sexueller Belästigung und dem Hashtag #metoo beobachtet werden.
In diese Richtung geht ein Zitat von Svenja Spuling, Erstautorin des deutschen Alterssurveys. Sie gibt in der Pressemitteilung zur jüngsten Ausgabe dieser Studie zu bedenken: „Eine ungerechtfertigte Benachteiligung aufgrund des eigenen Lebensalters wird vielleicht nicht als Diskriminierung wahrgenommen und somit in unserer Studie auch nicht genannt.“
Wie bei allen Formen der Diskriminierung im Alltag ist es also schwer, eine Aussage darüber zu treffen, wie groß das Problem wirklich ist. Dass es existiert, würde aber wohl niemand bezweifeln.
Wahrnehmung hat sich verändert
Was genau ist Altersdiskriminierung? Die ADS-Studie nennt einige Beispiele. So gebe es Absagen wie „Sie passen leider nicht in unser junges Team“ bei der Bewerbung oder mit dem Alter begründete Ablehnungen von Fortbildungen. Befragte aus dem IT-Bereich berichteten von Vorurteilen bezüglich ihrer Fähigkeit, bei den neuesten technischen Entwicklungen mithalten zu können oder zu wollen.
Auf sozialen Netzwerken wie Linkedin wird das Thema ebenfalls oft diskutiert. „Zu guter Letzt wurde mir dann auch die Aussage getätigt, dass im Innendiest (sic!) nur junge Leute arbeiten und ich doch schon 60 Jahre alt bin!“, schreibt eine Userin in einem Thread zum Thema.
Bei solchen Formulierungen ist die Rechtslage klar, denn das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verbietet ausdrücklich eine Benachteiligung aufgrund des Alters. „Die Grenze zwischen zulässiger Differenzierung und unzulässiger Altersdiskriminierung ist dort zu ziehen, wo eine sachliche Rechtfertigung mit einem legitimen Zweck und einer angemessenen, verhältnismäßigen Maßnahme einhergeht“, sagt auch Christian Meeser, Fachanwalt für Arbeitsrecht. „Oder wie der klassische, aber treffende Anwaltsspruch schon besagt: Es kommt auf den Einzelfall an.“ Die entscheidende Frage, so der Rechtsanwalt, sei, ob es eine objektive, verhältnismäßige Rechtfertigung für die Differenzierung nach dem Alter gäbe. „Ist dies nicht der Fall, liegt ein Verstoß gegen das AGG vor.“
Hinsehen und darüber sprechen
In vielen Fällen ist eine rechtliche Bewertung also kompliziert – und kann zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Dennoch fühlen sich ältere Beschäftigte auch dort oft benachteiligt, wo juristisch keine Diskriminierung vorliegt – oder zumindest nicht festgestellt wurde. Davon berichtet auch Robert Frischbier, der mit seiner Frau die Beratung 2PAARSchultern gegründet hat. Gemeinsam begleiten sie Unternehmen in den Bereichen Vereinbarkeit, Führungskultur und Diversity. Altersdiskriminierung am Arbeitsplatz ist für ihn ein wichtiges Thema. Die Gründe für Vorbehalte gegenüber Älteren sieht Frischbier in tief verankerten Stereotypen und automatisierten Annahmen: Sie seien weniger flexibel oder anpassungsfähig.
Wie können Führungskräfte und Personalverantwortliche dafür sorgen, dass ihre Mitarbeitenden vor Altersdiskriminierung geschützt werden? Ein erster wichtiger Schritt, sagt Robert Frischbier: Hinsehen – und die Zahlen sprechen lassen. So können Ungleichgewichte aufgedeckt werden, beispielsweise ob ältere Mitarbeitende seltener befördert werden oder weniger Weiterbildungen genehmigt bekommen.
Info
Praxistipps: Maßnahmen gegen Altersdiskriminierung im Unternehmen
- Bewusst altersinklusive Sprache in Stellenausschreibungen, interner Kommunikation und Führungsgesprächen nutzen
- Intergenerationelle Teams fördern, um voneinander zu lernen.
- Mentoringprogramme anbieten. Jüngere und ältere Mitarbeitende können sich gegenseitig unterstützen, statt in Schubladen gesteckt zu werden. Auch für die „mittlere Generation“ sind gezielte Entwicklungsprogramme wichtig, um Karriereblockaden zu vermeiden.
- Chancengleichheit in Weiterbildung und Entwicklung schaffen. Angebote für alle Altersgruppen öffnen, ohne implizite Altersgrenzen.
- Flexiblere Arbeitsmodelle von Elternzeit bis Altersteilzeit anbieten, die für verschiedene Lebensphasen passen.
- Führungskräfte sensibilisieren. Hierzu können regelmäßig Trainings zu Altersdiversität und Unconscious Bias durchgeführt werden.
(Robert Frischbier, 2PAARSchultern)
Psychologische Sicherheit schaffen
Hinschauen gilt auch für die Unternehmenskultur, sagt Robert Frischbier. „Werden Bemerkungen über das Alter stillschweigend hingenommen? Eine ehrliche Bestandsaufnahme hilft, Muster zu erkennen – und darauf zu reagieren.“ Denn immer noch verschweigen viele Betroffene die Diskriminierung. In der ADS-Umfrage geben 47 Prozent an, auf Altersdiskriminierung nicht reagiert zu haben. 47 Prozent wenden sich an Freunde und Familie. Nur 15 Prozent stellten die diskriminierende Person zur Rede. So werden viele potenzielle Fälle erst gar nicht belangt. „Das AGG sieht vor, dass Ansprüche in der Regel innerhalb von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden müssen“, sagt Christian Meeser. „Das ist in der Praxis eine der größten Hürden, insbesondere bei Altersdiskriminierung im laufenden Arbeitsverhältnis. Viele Betroffene suchen einfach zu spät professionelle Hilfe auf.“
Bevor es zur Klage kommt, können Führungskräfte und Personalverantwortliche prophylaktisch handeln. Nur in einem psychologisch sicheren Arbeitsumfeld melden Mitarbeitenden Diskriminierungen anonym und ohne Befürchtung von negativen Folgen. Wie aber gehen Führungskräfte mit den eigenen Vorurteilen um? Robert Frischbier meint: „Der beste Ansatz ist Selbstreflexion. Sich bewusst fragen: Würde ich dieselbe Entscheidung treffen, wenn die Person fünf, zehn oder 20 Jahre älter oder jünger wäre? Gibt es unbewusste Annahmen, die meine Einschätzung beeinflussen?“ Er betont zudem die Wichtigkeit einer offenen Feedbackkultur. „Und schließlich: Weiterbildung. Schulungen zu ‚unconscious bias‘, also unbewussten Vorurteilen, sind keine Allheilmittel, aber sie helfen, sich selbst besser zu verstehen.“
Übrigens: Altersdiskriminierung betrifft nicht nur Menschen über 50, worauf die Zahlen der ADS-Studie bereits hinweisen. Eine weitere Studie, die auf Diskriminierungen aufgrund des jungen Alters noch einmal besonders in den Vordergrund stellt, wurde von der ADS bereits in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse sollen 2026 veröffentlicht werden.
Info
Spuling, S.M., Weinhardt, M., Mavi, L.: Wahrgenommene Altersdiskriminierung in der zweiten Lebenshälfte. In: DZA Aktuell 02/2025, Deutsches Zentrum für Altersfragen, Berlin
Angela Heider-Willms verantwortet die Berichterstattung zu den Themen Transformation, Change Management und Leadership. Zudem beschäftigt sie sich mit dem Thema Diversity.