Die Krankheitstage in deutschen Unternehmen sind in den letzten Jahren immer weiter gestiegen und waren auch 2024 auf einem sehr hohen Niveau. Einige Unternehmer erklärten öffentlich, dass diese Zahlen nicht verhältnismäßig seien und implizierten, dass sich viele Mitarbeitende krankmelden, obwohl sie nicht krank sind. Deshalb forderten sie einen Karenztag.
Das Problem: Aussagen wie diese verstärken das Stigma rund um mentale Gesundheit und fördern eine ungesunde Arbeitskultur. Menschen unter Generalverdacht zu stellen, schadet nicht nur tatsächlich kranken Mitarbeitenden, die trotz Einschränkung weiterarbeiten, es schadet am Ende auch dem Unternehmen
Für HR-Verantwortliche ist es deshalb wichtig zu verstehen, wieso die krankheitsbedingten Fehltage nach oben gehen und wie sie eine positive und gesunde Kultur fördern können.
Warum die Fehltage steigen
Der Grund für den Anstieg der Krankheitstage lässt sich schwer auf nur einen Aspekt festnageln. Es ist vielmehr ein Zusammenspiel von unternehmensinternen und -externen Faktoren.
Mit internen Faktoren ist vor allem die Kultur im Unternehmen gemeint, die einen starken Einfluss auf krankheitsbedingte Fehltage hat: 29 Prozent der Mitarbeitenden melden sich krank, wenn sie sich in ihrem Arbeitsumfeld nicht wohlfühlen. Warum sich Mitarbeitende unwohl fühlen, lässt sich schwer sagen. Hier können Mitarbeiterumfragen helfen, dazu später mehr.
In Bezug auf externe Faktoren kommt eine DAK-Studie zu einem interessanten Ergebnis: Der starke Anstieg der Fehltage von 2020 auf 2021 hängt laut der Studie unter anderem mit der neu eingeführten digitalen Erfassung der Fehltage zusammen, mit der Krankenstände nun zu 100 Prozent erfasst werden. Je nach Diagnose beträgt der „Meldeeffekt“ ganze 60 Prozent.
Das erklärt aber nicht, warum die Fehltage auch nach 2021 weiter zugenommen haben. Für viele Expertinnen und Experten ist der Grund dafür klar: Mentale Herausforderungen und Erkrankungen werden mehr, ausgelöst durch externen Druck und Veränderungen wie die Pandemie, globale Krisen und Krieg. Gleichzeitig setzt sich langsam ein stärkeres Bewusstsein für Gesundheit und ihren Zusammenhang mit Arbeit durch. Für den Job die eigenen gesundheitlichen Grenzen zu überschreiten und krank zu arbeiten, ist für die meisten Mitarbeitenden schlichtweg nicht mehr die Norm.
Wie ein Generalverdacht das Stigma rund um mentale Gesundheit verstärkt
Es gibt also sehr nachvollziehbare Gründe, warum die Krankheitstage in Deutschland in den letzten Jahren gestiegen sind. Dass es dennoch (laute) Stimmen gibt, die darin ein Zeichen von Faulheit sehen und kranke Menschen unter einen Generalverdacht stellen, kann folgenreich für Betroffene werden – vor allem für Menschen, die vor mentalen Herausforderungen stehen. Schon jetzt bleiben psychische Probleme am Arbeitsplatz – trotz ihrer Häufigkeit – oft unbemerkt. Acht von zehn Mitarbeitenden fühlen sich nicht sicher genug, um am Arbeitsplatz über ihre mentalen Herausforderungen zu sprechen.
Die Einführung eines Karenztages sendet in diesem Zusammenhang ein falsches Signal. Denn sie suggeriert: Mein Arbeitgeber nimmt mich als weniger leistungsfähig wahr, wenn ich mich krankmelde und die Arbeit zum Auskurieren niederlege. Gleichzeitig vertraut er mir nicht, was mich als Mitarbeiter oder Mitarbeiterin ihm auch nicht wirklich vertrauen lässt. Das wiederum ist nicht gut für die Zusammenarbeit. Was wir aber eigentlich brauchen, um die Gesundheit der Mitarbeitenden und den Dialog darüber zu fördern, ist Zuspruch und die klare Kommunikation „Wenn du krank bist, dann darfst und sollst du dich ausruhen!”.
Wer letzteres praktiziert, wird auch schnell merken: Pausen verbessern die mentale Gesundheit und die Produktivität. People & Culture Teams können genau hier einsetzen und Initiativen einführen, um eine gesunde Kultur aufzubauen und Krankheitsaufällen vorzubeugen.
Wie kann ich als HR eine gesunde Unternehmenskultur aufbauen?
Unternehmenskultur und Krankheitstage hängen direkt zusammen. Ein positives Arbeitsumfeld reduziert Stress und eine psychologisch sichere Kultur gibt den Mitarbeitenden die Möglichkeit, Probleme und Herausforderungen anzusprechen, bevor sie zum Problem werden. Zudem fördert eine positive Unternehmenskultur auch die Motivation, Produktivität und Mitarbeiterbindung im Unternehmen.
Bei nilo haben wir 5 Schritte für HR-Verantwortliche zu einer mental gesunden Unternehmenskultur entwickelt:
- Empathie-Training für Führungskräfte anbieten: Führungskräfte prägen das Arbeitsumfeld. Umso wichtiger ist es, dass sie in einem empathischen Führungsstil geschult werden, um eine offene und psychologisch sichere Kommunikationskultur zu fördern
- Feedback einholen und umsetzen: HR und Führungskräfte sollten am besten regelmäßig einholen– unternehmensweit in Umfragen, aber auch in direkten Eins-zu-eins-Gesprächen. Entscheidend ist, dass auf das Feedback auch eine Reaktion folgt. So spüren Mitarbeitende, dass ihre Meinung geschätzt wird, was wiederum das Vertrauen stärkt.
- Mitarbeitende einbinden: Ohne Mitarbeitende keine Unternehmenskultur, deshalb kann eine positive Kultur auch nur durch ihre Partizipation entstehen. Zum Beispiel kann eine Taskforce mit Kolleginnen und Kollegen aus unterschiedlichen Abteilungen und Ebenen bei der Entwicklung von Initiativen, Prozessen und Werten eingebunden werden.
- Prozesse und Tools bedenken: Neben den Menschen im Unternehmen beeinflussen auch Tools, Prozesse und Arbeitsumgebungen die Kultur. Klare Kommunikationsrichtlinien, ausgewogene Meeting-Strukturen und eine gute Bürogestaltung tragen zum Beispiel zum Wohlbefinden im Unternehmen bei.
- Flexibel bleiben: Flexible Arbeitsmodelle, Sabbaticals, mentale Gesundheitsangebote und Weiterbildungsbudgets zeigen, dass ein Unternehmen die Bedürfnisse seiner Mitarbeitenden ernst nimmt und ihnen erlaubt, Privatleben und Arbeit bestmöglich in Einklang zu bringen.
Wie kann HR präventive Maßnahmen ergreifen?
Auch präventive Maßnahmen für die körperliche und mentale Gesundheit im Unternehmen können dabei helfen, die Krankheitstage im Team gering zu halten. Mit einem präventiven Ansatz reduzieren HR-Teams Stress, stärken die Resilienz im Team und beugen Problemen vor, statt nur auf Krisen zu reagieren.
Der erste Schritt zur Förderung der mentalen Gesundheit in Unternehmen ist die individuelle Unterstützung der Mitarbeitenden. Resilienz, also die Fähigkeit, mit Stress und Herausforderungen umzugehen, ist dabei ein zentrales Element. Resiliente Mitarbeitende sind nicht nur widerstandsfähiger gegenüber Belastungen, sondern auch motivierter und produktiver. HR-Teams sollten gesunde Gewohnheiten im Team und für Führungskräfte fördern, klare Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben festlegen und Tools zur Unterstützung der mentalen Gesundheit anbieten.
Prävention kann auch auf der Ebene von HR-Prozessen und Tools stattfinden, indem sie so gestaltet werden, dass sie das mentale Wohlbefinden im Team aktiv fördern. Dazu gehören Feedback-Prozesse, Schulungen und Workshops zu gesundheitlichen Themen, sowie eine klare Kommunikation und Haltung seitens des Unternehmens, die den Stellenwert betont, den das Wohlbefinden der Mitarbeitenden einnimmt.
Am Ende sind präventive Maßnahmen keine individuelle Angelegenheit, sondern sollten fest in der Unternehmensstruktur verankert sein – durch klare Strukturen und Rollen, durch eine konstante Arbeit an einer psychologisch sicheren Kultur und durch unternehmensweite Angebote zur Prävention und Unterstützung der mentalen Gesundheit.
Fazit: Empathie und Vertrauen statt Generalverdacht
Wer ein erfolgreiches und gesundes Unternehmen will, kann Mitarbeitende nicht unter einen Generalverdacht stellen. Stattdessen ist es wichtig, Empathie zu zeigen, ein gesundes Arbeitsumfeld zu schaffen und gezielte Unterstützungsangebote bereitzustellen. Das hilft, gesundheitlichen Problemen frühzeitig vorzubeugen und reduziert die Wahrscheinlichkeit, dass sich Mitarbeitende aus Frust krankmelden.
Eine Kultur des Vertrauens und der Wertschätzung stärkt die Resilienz, Motivation und Bindung der Mitarbeitenden. Davon profitiert langfristig nicht nur das Wohlbefinden der Mitarbeitenden, sondern auch das Unternehmen selbst – durch weniger Fehltage, höhere Produktivität und einen nachhaltigeren Unternehmenserfolg. Vertrauen fördert Gesundheit und wirtschaftlichen Erfolg zugleich.