Aktuelle Ausgabe

Newsletter

Abonnieren

Diversity-Umschwung in den USA: Wie sieht es hierzulande aus?

Artikel anhören
Artikel zusammenfassen
Teilen auf LinkedIn
Teilen per Mail
URL kopieren
Drucken

Einige große Unternehmen in den USA haben ihre Programme zur Förderung von Diversity, Equity und Inclusion (DEI) zurückgenommen. Darunter sind Medienberichten zufolge McDonald’s, die Supermarkt-Kette Walmart, Meta, Boeing und Amazon.

All diese Unternehmen nahmen Änderungen in ihrem Diversity-Ansatz vor, nachdem in den USA zahlreiche Online-Kampagnen und Gerichtsprozesse von Konservativen eingeleitet wurden. Die Kläger argumentieren: DEI-Programme seien selbst diskriminierend und würden Menschen mit einer anderen politischen Haltung auferzwungen werden. Viele der Konservativen, die lautstark für die Abschaffung von DEI-Programmen in Unternehmen plädieren, beziehen sich auf eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs der USA vom Juni 2023: Das Gericht erklärte es für verfassungswidrig, dass bei einer Zulassung fürs College oder Universitäten die Ethnie berücksichtigt wird – etwa in Form von Quoten für schwarze Menschen („Affirmative Action“).

Einer dieser Konservativen ist Stephan Miller, ehemaliger Politikberater vom gewählten US-Präsidenten Donald Trump und für einen Posten in dessen kommender Regierung vorgesehen. Er hat mehrere Klagen gegen Unternehmen und deren DEI-Programme eingereicht. Geklagt hatte Miller unter anderem gegen Meta und Amazon. Und beide scheinen reagiert zu haben.

Meta, Amazon, McDonald’s: Rückzug oder Anpassung?

Meta verkündete Medienberichten zufolge in einem internen Memo an die Mitarbeitenden, zukünftig kein DEI-Team mehr zu haben. Als Grund habe der Social-Media-Anbieter den Wandel der „rechtlichen und politischen Landschaft“ in den USA genannt. Meta wolle aber andere Programme für – wie sie sagen – faire und konstante Praktiken entwickeln, die keine Vorzugsbehandlung bestimmter Personengruppen suggerieren würden.

Der Onlineversandhändler Amazon hat Ende 2024 seine Diversity-Webseite aktualisiert und einzelne Maßnahmen gelöscht, darunter Medienberichten zufolge das „Solidaritätsversprechen“ mit schwarzen Mitarbeitenden und Gesundheitsleistungen für Transgender-Arbeitnehmende. Dies heiße keinesfalls, dass sich Amazon von seinen DEI-Bemühungen verabschiede, sagt eine Unternehmenssprecherin der deutschen Niederlassung gegenüber der Personalwirtschaft. Die Überprüfung der DEI-Programme sei schon immer „normal” bei Amazon: „Wir updaten die Seite, um sicherzustellen, dass sie Neuerungen repräsentiert, die wir zu Programmen und unserer Positionierung machen.“

Bei McDonald’s zeigt sich ein ähnliches Bild. Die Fast-Food-Kette hat sich Medienberichten zufolge aus mehreren Diversity-Initiativen zurückgezogen und sich von seinen Diversity-Zielen verabschiedet. Lieferanten sollen nicht mehr zu entsprechenden Verpflichtungen ermutigt werden und das DEI-Team wurde in „Global Inclusion Team“ umbenannt, heißt es in den Quellen. All das habe aber – jedenfalls für McDonald’s in Deutschland – nichts mit deren Willkommenskultur zu tun: „Unser Engagement für Vielfalt bleibt dennoch unverändert stark“, so ein Unternehmenssprecher gegenüber unserer Redaktion. „Wir heißen alle willkommen und werden das auch weiterhin tun. Das ist Kern unserer Marke und Teil unserer Geschäftsstrategie.“

Info

„Das ändert nichts an unserer Überzeugung“

Der politische Druck auf Unternehmen in den USA bezüglich ihrer DEI-Ausrichtung steigt – und wird das wohl nochmal mehr mit dem Amtsantritt von Donald Trump am 20. Januar dieses Jahres tun. DEI-Expertinnen und -Experten in Deutschland beobachten diese Entwicklung genau – besonders dann, wenn sie in internationalen Konzernen sitzen.

Eine solche ist Viktoria Holland-Cunz. Sie ist Global Head of HR Strategy, DEI & Analytics bei Henkel. Aktuell tausche sie sich mit den DEI-Kolleginnen und -Kollegen aus den USA intensiv aus. „Die konkreten Maßnahmen, also wie wir unsere Strategie in einem Land oder einer Region umsetzen, sind immer landes- beziehungsweise kulturspezifisch“, sagt Holland-Cunz. „Doch an unseren Grundwerten von Vielfalt, Gleichberechtigung und Inklusion ändert sich nichts.“ Die aktuelle Situation in den USA ändere auch nichts an ihrer Überzeugung, dass DEI heute mehr denn je in jedem Land vorangetrieben werden müsse. Gleichzeitig scheint Holland-Cunz einen diplomatischen Ansatz zu verfolgen: „Meinungsvielfalt ist ein Teil von DEI, deshalb müssen wir weiterhin einen offenen und toleranten Diskurs fördern und versuchen, die Hintergründe sowie Zusammenhänge zu verstehen.“

Ein erfolgreiches DEI-Management sei eine Mischung aus Überzeugungsarbeit und der Anpassung an länderspezifische Kontexte. „Wenn wir beides miteinander verbinden und gut ausbalancieren, können wir etwas bewirken“, sagt Holland-Cunz.

Jetzt erst recht?

In den sozialen Medien sind die Reaktionen rauer, DEI-Verfechterinnen und -Verfechter zeigen sich empört, gleichzeitig ist aber eine Stimmung von „jetzt erst recht“ spürbar. Das hat auch Patricia Heufers, DE&I Lead bei EY, beobachtet. Einige Kolleginnen und Kollegen des DEI-Teams beim Wirtschaftsprüfer sitzen in den USA. Sie hätten aber eine unveränderte Vorgabe der globalen CEO von EY. „Sie steht weiterhin fest hinter der Relevanz von DEI und definiert das als nicht verhandelbar“, sagt Heufers. Auch am Budget für die Abteilung habe sich in den vergangenen Monaten nichts geändert – ein weiteres Zeichen dafür, dass DEI denselben Stellenwert hat, wie zuvor.

Außerhalb von EY scheint Heufers den Rückzug oder die Änderung von DEI-Aktivitäten zwar besorgniserregend zu finden, setzt den Wandel aber auch in Perspektive. „Es sind zwar ein paar namhafte Unternehmen, die so agieren, aber wir dürfen nicht vergessen: Die Mehrheit der Unternehmen setzt sich weiterhin für DEI ein.“ Denn viele von ihnen hätten auch den Business Case dahinter verstanden. „Wenn Unternehmen mit der Vielfalt falsch umgehen und nicht weiter an Inklusion und Chancengerechtigkeit arbeiten, werden sie nicht mehr genügend Talente für sich gewinnen, Mitarbeitende verlieren und an Innovationsfähigkeit einbüßen.“

Ist in Deutschland also alles gut?

Daniela Schubert berät Unternehmen bezüglich DEI und schätzt die Lage etwas anders ein. Auf Linkedin schreibt Schubert: „Performative Maßnahmen halten kulturellen, gesellschaftlichen und persönlichen Systemen nicht stand, wenn sie nicht gewollt sind.“ Mit Performance meint Schubert: Manche Unternehmen führen DEI-Bemühungen nicht durch, weil es ihrer tiefen Überzeugung entspricht, sondern um sich Trends anzupassen. Und genau diese Performance sieht Schubert bei den US-Konzernen, die nun zurückrudern.

Die deutsche DEI-Szene und Unternehmen scheinen also bisher nicht von der Situation in den USA so beeinflusst zu werden, dass sie mitziehen. Und das, obwohl oder gerade weil in Deutschland ebenfalls politische und gesellschaftliche Bewegungen salonfähiger werden, die Vielfalt und der Inklusion von allen Menschen negativ gegenüberstehen. „Der Blick auf US-Konzerne lenkt von hiesigen strukturellen Verwobenheiten ab“, sagt Schubert. Etwa von den Abschiebetickets der AfD. Die Partei, die als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft wurde, hat Menschen mit einem ausländisch-klingenden Namen ein Abschiebeticket in den Briefkasten gelegt, das nahelegt, dass sie das Land verlassen sollen. Auch die Forderung eines Registers für psychisch Kranke und das Bestreben, das Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag (SBBG) abzuschaffen, stellen das Gegenteil von DEI dar.

Lena Onderka ist redaktionell verantwortlich für den Bereich Employee Experience & Retention – wozu zum Beispiel auch die Themen BGM und Mitarbeiterbefragung gehören. Auch Themen aus den Bereichen Recruiting, Employer Branding und Diversity betreut sie. Zudem ist sie redaktionelle Ansprechpartnerin für den Deutschen Human Resources Summit.