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Gallup: Emotionale Mitarbeiterbindung erneut auf Tiefstand  

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Der Trend setzt sich fort: Auch in diesem Jahr hat die emotionale Bindung von Mitarbeitenden an ihren Arbeitgeber einen neuen Tiefstand erreicht. Wie der heute veröffentlichte Gallup Engagement Index zeigt, fühlen sich nur neun Prozent der Beschäftigten in Deutschland stark emotional an das Unternehmen gebunden, für das sie aktuell arbeiten. Im Vergleich zum Vorjahr sind dies fünf Prozentpunkte weniger. Gering gebunden fühlen sich 78 Prozent der rund 1.700 Arbeitnehmenden, die Gallup im November und Dezember 2024 befragt hat (ein Plus von 11 Prozentpunkten).  

Hochgerechnet auf die Erwerbstätigen in abhängiger Beschäftigung in Deutschland entspricht jeder Prozentpunkt rund 390.000 Arbeitnehmenden. Damit waren 2024 fast zwei Millionen Menschen weniger an ihren Arbeitgeber gebunden als 2023.  

Innere Kündiger reduziert, Gebundene nicht motiviert  

Am unteren Ende der Mitarbeiterbindung zeigt sich allerdings eine positive Entwicklung. Die Zahl der Menschen, die innerlich gekündigt haben, ist von 19 auf 13 Prozent gesunken. „Unternehmen haben es geschafft, innere Kündigung durch gezielte Maßnahmen zu reduzieren“, sagt Marco Nink, Director of Research & Analytics von Gallup EMEA. Aber: „Inmitten wirtschaftlicher Unsicherheiten, Transformationsthemen und Personalmangel bleibt Führung oft funktional: Sie zielt darauf ab, Demotivation zu vermeiden und damit unmittelbares Risiko einzudämmen. Diejenigen, die schon hoch gebunden sind, verschwinden bei diesem Ansatz zunehmend vom Aufmerksamkeitsradar.“  

Hälfte der Mitarbeitenden schließt Jobwechsel nicht aus  

Mit der geringeren emotionalen Bindung steigt auch die Wechselbereitschaft der Beschäftigten. Nur 50 Prozent der Mitarbeitenden möchten auch in einem Jahr auf jeden Fall noch bei ihrem aktuellen Arbeitgeber tätig sein (im Vorjahr waren es 53 Prozent). Bei den Mitarbeitenden mit einer hohen emotionalen Bindung sind es 71 Prozent.  

Hier ist allerdings anzumerken: Eine Wechselbereitschaft ist nicht mit einem tatsächlichen Wechsel gleichzusetzen. Laut dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) wechseln jedes Jahr 8 bis 10 Prozent der Beschäftigten ihre Stelle. Zwar ist laut IAB ein leichter Trend zu einer erhöhten Fluktuation zu beobachten. Dies werde unter anderem durch den Fachkräftemangel und den Trend zu mehr Flexibilität im Arbeitsleben beeinflusst. Zudem spielen auch die persönlichen Erwartungen der Beschäftigten an ihre berufliche Entwicklung eine Rolle, was zu einer höheren Bereitschaft zum Jobwechsel führe. Dennoch steht dieser Trend in keinem Verhältnis zu den beunruhigenden Zahlen von Gallup. 

Info

Die emotionale Bindung wirkt sich laut dem Gallup Engagement Index allerdings auch auf die Fehlzeiten in einem Unternehmen aus. Mitarbeitende, die angaben, emotional stark an ihren Arbeitgeber gebunden zu sein, waren 2024 im Schnitt 5,5 Tage krank. Bei Menschen mit einer geringen Bindung waren es 7,7 Tage und bei inneren Kündigern 7,9 Tage.  

Knackpunkt Führung  

Führung kann laut den Gallup-Expertinnen und -Experten einen großen Einfluss auf die Mitarbeiterbindung haben. Doch hier gebe es in vielen Unternehmen Verbesserungsbedarf. Nur 21 Prozent der Beschäftigten vertrauen ihrer Führungskraft uneingeschränkt. Im Vergleich zu 2022 sind das ganze 20 Prozentpunkte weniger. „Die Daten deuten auf eine tiefe Skepsis und ein Empfinden der Entfremdung in weiten Teilen der Arbeitnehmerschaft hin“, sagt Marco Nink von Gallup. Führungskräfte würden ihre Beschäftigten zu wenig mitnehmen, sie zu wenig zum Mitmachen bewegen und die emotionalen Bedürfnisse der Mitarbeitenden noch nicht so ernst nehmen, wie sie es sollten.  

Ein Hebel zur Verbesserung der Führung könnte es laut Gallup auch sein, mehr auf Stärkenorientierung zu setzen. Denn die Befragung zeigte: Befragte, die eine klare Stärkenorientierung erleben, sind achtmal häufiger hoch emotional gebunden als diejenigen, deren Stärken nicht im Fokus stehen. Das Problem: Nur wenige Leader scheinen aktuell auf diese Weise zu führen. Lediglich 30 Prozent der Befragten sagen, dass Vorgesetzte ihren Fokus auf ihre Stärken und positiven Eigenschaften legen.  

So kann die emotionale Bindung gefördert werden  

Fest steht: Unternehmen täten jetzt gut daran, in die emotionale Bindung ihrer Mitarbeitenden zu investieren. Das können sie auf unterschiedlichsten Wegen tun. Kimberly Breuer, Psychologin und Mitgründerin des Mental-Health-Start-ups nilo, nennt einige Ansätze. Arbeitgeber sollten eine Unternehmenskultur fördern, in der jede und jeder die eigenen Gedanken und Ideen offen kommunizieren kann, mit in Entscheidungsprozesse eingebunden wird und so Gestaltungsspielraum hat. Auch sollte die Kultur von Teamarbeit geprägt sein.  

Wird den Mitarbeitenden Anerkennung und Wertschätzung entgegengebracht, nehmen sie ihr Arbeitsumfeld zudem als angenehmer und als einen Ort wahr, den sie nicht so schnell verlassen möchten. Um Mitarbeitende emotional zu binden, ist es laut Breuer auch wichtig, ihnen Weiterbildungsmöglichkeiten anzubieten. Können die Beschäftigten ihre persönlichen und beruflichen Ziele im Unternehmen verwirklichen, erhalten sie klare Aufstiegschancen und gibt es eine gezielte Karriereplanung, wirke dies positiv auf die Mitarbeiterbindung ein. Arbeitgeber können zudem punkten, indem sie ihren Mitarbeitenden flexible Arbeitszeiten ermöglichen.  

Lena Onderka ist redaktionell verantwortlich für den Bereich Employee Experience & Retention – wozu zum Beispiel auch die Themen BGM und Mitarbeiterbefragung gehören. Auch Themen aus den Bereichen Recruiting, Employer Branding und Diversity betreut sie. Zudem ist sie redaktionelle Ansprechpartnerin für den Deutschen Human Resources Summit.