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Gendern oder nicht gendern?

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Egal ob Schüler*innen, Schüler_innen oder Schüler:innen – in Zukunft wird man keine der Versionen mehr in Bayern sehen, jedenfalls nicht in Schulen, Hochschulen und im bayrischen Verwaltungsapparat. Seit Dienstag ist das Gendern an diesen Orten ausdrücklich verboten, das hat das bayrische Kabinett beschlossen. Die Allgemeine Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaates Bayern schreibt den staatlichen Einrichtungen in Bayern zwar ohnehin die Befolgung der amtlichen Regelungen der deutschen Rechtschreibung im dienstlichen Schriftverkehr vor, mit der neuen Regelung sei dies aber nun noch einmal klargestellt worden. Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) sagte dazu: „Für uns ist die klare Botschaft: Sprache muss klar und verständlich sein.“

Durch das Verbot sind von nun an Schreibweisen mit Wortbinnenzeichen wie dem Gender-Gap, Genderstern, Doppelpunkt oder Mediopunkt ausdrücklich unzulässig. „Das gilt unabhängig von etwaigen künftigen Entscheidungen des Rates für deutsche Rechtschreibung zu der Frage der Verwendung von Sonderzeichen“, teilte die Staatskanzlei weiter mit. Das zieht auch Kritik mit sich.

Eingriff in die Freiheit der Schüler

So kritisiert die Bundesschülerkonferenz das vom bayerischen Kabinett beschlossene Genderverbot als einen „Eingriff in die Freiheit“ der Schüler. „Sprache ist sehr persönlich, wie ich mich ausdrücke, wie ich schreibe, wie ich spreche: Das sollte jeder für sich selbst entscheiden“, teilt die ständige Konferenz der Landesschülervertretungen in Berlin mit.

Die Sprachwissenschaftlerin Christina Siever stellt zudem in Frage, wie sinnvoll es überhaupt sei, Sprache durch ein Verbot zu regulieren. Ihrer Meinung nach sei das nur bedingt möglich. Außerdem sei der Sprachgebrauch sowieso durch die Regelungen des Rats für deutsche Rechtschreibung geregelt. „Diese Regelung hätte also in meinen Augen ausgereicht“, sagt die Sprachwissenschaftlerin.

Mann klagt auf das Unterlassen von Gendern

Generell sorgen Regelungen zum Gendern immer wieder für Aufreger. So verklagte ein Mitarbeiter von VW, der mit Kollegen von Audi zusammenarbeiten musste, 2022 den Autohersteller aus Ingolstadt. Er störte sich daran, dass seine Audi-Kollegen in der Kommunikation mit ihm die Gender-Form mit Unterstrich verwendeten. Dieser ist in dem Kommunikationsleitfaden von Audi festgeschrieben. Im Jahr 2023 wurde die Klage auf Unterlassung endgültig für nichtig erklärt. Die Richter sahen keinen Verstoß gegen das Allgemeine Gleichstellungsgesetz oder andere Gesetze. Und die Zivilkammer betonte, dass es kein Recht dafür gebe, von Gendersprache „in Ruhe gelassen zu werden“ – egal ob Befürworter oder nicht. Der Prozess hatte damals viel Beachtung gefunden, da es auch in anderen Unternehmen Vorgaben zur Nutzung vom Gendern gibt.


Bei SAP gibt es beispielsweise keine zwingenden Vorgaben zum Gendern, heißt es aus dem Unternehmen. Trotzdem gebe es die Maßgabe, auf Begriffe wie beispielsweise „Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“, oder kürzer auf „Mitarbeitende“ zurückzugreifen. Das sei zum einen zeitgemäßer und zum anderen auch sprachlich klarer. Bei Bauhaus verwendet man hingegen laut Aussagen aus dem Unternehmen zum Zweck der besseren Lesbarkeit das generische Maskulinum. Personenbezogene Bezeichnungen und Begriffe würden im Sinne der Gleichbehandlung für alle Geschlechter gelten. Sobald sich eine mehrheitsfähige, verbindliche und alltagstaugliche Schreibweise in der deutschen Sprache durchgesetzt habe, würde man dieser aber natürlich verwenden wollen.

Viele Personalerinnen und Personaler gendern bereits

So uneinig wie man sich in den Unternehmen über Regelungen zum Gendern ist, so einig ist man sich aber anscheinend in der HR-Branche. Das fand eine Umfrage der Personalberatung HR-Blue heraus, die 220 Personalerinnen und Personaler im Sommer 2021 zu dem Thema befragte. 42 Prozent der Befragten HRler gaben an, die Gendersprache zumindest teilweise als notwendig zu sehen. Für rund 23 Prozent sei diese sogar unbedingt notwendig. Und ein Drittel der Befragten geht zudem davon aus, dass sich die Gendersprache in HR-Texten in Zukunft durchsetzen werde. Außerdem verwenden 82 Prozent der Umfrageteilnehmer eigenen Aussagen nach bereits eine gendergerechte Sprache.

Trotz Zuspruch ist Gendern nicht unbedingt beliebt

Obwohl eine Mehrheit der befragten Personalerinnen und Personaler die Gendersprache verwendet und auch als inhaltlich relevant empfindet, ist diese nicht unbedingt beliebt. So geben 42 Prozent der HRler an, die Gendersprache als eher störend oder sehr störend zu empfinden. Während 30 Prozent der Befragten eine neutrale Haltung zum Gendern haben, bewerten nur 18 Prozent diese als positiv.

Das empfinden nicht nur Personalerinnen und Personaler so. Oft wird, wie auch von der CSU, der Punkt aufgebracht, dass Sprache klar und verständlich sein müsse. Zudem habe eine ideologisch aufgeladene Sprache wie die Gendersprache laut Florian Herrmann oft eine exkludierende Wirkung. Und auch die Sprachwissenschaftlerin Siever gibt zu bedenken, „dass es für gewisse Menschen schwieriger sein kann, Genderformen mit Sonderzeichen zu lesen, insbesondere Menschen, die keine Muttersprachler sind oder die aus anderen Gründen Schwierigkeiten haben, Text zu rezipieren.“ Trotz der Anmerkung empfindet Siever diesen Grund aber als vorgeschoben. Ebenso bedeute gendergerechte Sprache ihrer Meinung nach auch „nicht automatisch, dass unlesbare, komplexe Texte entstehen.“

Die Lesbarkeit muss nicht leiden

Das Gendern kann auch positive Aspekte mit sich ziehen, wie die Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg schreibt: Zunächst wird angemerkt, dass Sprachwandel grundsätzlich von den meisten Menschen als negativ empfunden wird. Aber: Je öfter unbekannte Wörter oder Formulierungen verwendet werden, desto leichter fiele es, diese im eigenen Sprachgebrauch zu nutzen. Des weiteren wird erklärt, dass eine geschlechtergerechte Sprache ein wichtiger Aspekt sei, um die im Grundgesetz verankerte Gleichbehandlung der Geschlechter zu fördern. Zudem schaffe Sprache Wirklichkeit. Mit einer gendergerechten Sprache würden sich also mehr Menschen angesprochen fühlen.

Eine Studie der Uni Kassel fand beispielsweise heraus, dass, wenn das generische Maskulinum verwendet wird, viele Lesende eher an Männer als an Frauen denken. Die Landeszentrale für politische Bildung merkt außerdem an, dass Menschen, die geschlechtersensibel schreiben und sprechen wollen, auch Lösungen finden können, bei deren Verwendung nicht direkt auffallen würde, dass gegendert wird. Das ist beispielsweise bei dem Verwenden von alternativen Formulierungen (Lehrende, Mitarbeitende, etc.) oder auch beim Nutzen der sogenannten Dopplung (Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter). Ähnlich sieht es auch Christina Siever: „Verständlichkeit und Lesbarkeit sind sicherlich wichtig, in vielen Fällen kann man gendern, ohne die Verständlichkeit und Lesbarkeit zu beeinträchtigen. Man sollte aber diese Aspekte nicht außer Acht lassen, wenn man gendert.“

Frederic Haupt ist Volontär der Personalwirtschaft.