Ob Apple, Google, Salesforce, Meta oder Amazon: Bei zahlreichen US-amerikanischen IT-Konzernen müssen Mitarbeitende mindestens drei Tage pro Woche ins Büro kommen. Das hatten die jeweiligen CEOs in den vergangenen Monaten sukzessive verkündet. Als erzwungene Rückkehr ins Büro hatten einige Medien die Entwicklung bewertet und die Frage in den Raum gestellt, ob Unternehmen allgemein wieder eine Kehrtwende zurück zur vollen Präsenzarbeit machten.
Befeuert wurde diese These durch emotionale Reaktionen der betroffenen Mitarbeitenden, die den Wandel als Bedrohung für ihr flexibles Arbeiten sahen. Wie unter anderem der Business Insider berichtete, eröffneten tausende Amazon-Mitarbeitende nach Verkündung der neuen Richtlinie den Slack-Channel „Remote Advocacy“, in dem sie Daten, Anekdoten und Artikel über die Vorteile von Remote Work sammelten. „Lasst uns beweisen, dass man nicht persönlich anwesend sein muss, um gute Arbeit zu leisten“, so das Ziel der aufgebrachten Beschäftigten. Sie starteten ebenfalls eine Petition gegen die Anwesenheitspflicht.
Homeoffice-Quote bleibt auf Pandemie-Niveau
Rudern Arbeitgeber in Deutschland tatsächlich ähnlich zurück und schränken die Möglichkeit zum Homeoffice und Remote Work ein? Laut einer aktuellen Analyse des Statistischen Bundesamts (Destatis), für die Zahlen aus dem Jahr 2022 untersucht wurden, arbeiten gut 24 Prozent aller Erwerbstätigen in Deutschland zumindest gelegentlich im Homeoffice. Das sind kaum weniger als 2021, als es zeitweise noch eine klare Homeofficeangebotspflicht gab und die Coronapandemie noch in vollem Gange war. Im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie hat sich die Zahl fast verdoppelt – 2019 lag sie noch bei knapp 13 Prozent.
Interessant ist auch, dass Deutschland laut den Destatis-Zahlen, was den Homeoffice-Anteil angeht, in etwa im europäischen Durchschnitt liegt (knapp 23 Prozent). Aktuelle Auswertungen des ifo-Instituts zeigen eine ähnliche Verteilung auf, legen aber auch offen: Das Potenzial des Homeoffice ist noch nicht ausgeschöpft. Laut den ifo-Expertinnen und -Experten könnten mit 56 Prozent der Erwerbstätigen in der Bundesrepublik ganz oder zumindest teilweise im Homeoffice arbeiten – also mehr als doppelt so viele, wie dies tun.
Von einer Rückkehr zur reinen Präsenzarbeit kann laut den Untersuchungen folglich keine Rede sein. Dabei sind ja auch Meta und Co. nicht auf eine komplette Präsenzpflicht umgestiegen. Sie haben „nur“ die Zahl der verpflichtenden Präsenzarbeitstage erhöht. Ob dies auch in Unternehmen der von Destatis und ifo befragten Erwerbstätigen der Fall ist, geht aus ihren Analysen nicht hervor.
Entscheidungshoheit liegt bei Führungskraft und Team
Vier von der Personalwirtschaft befragte Konzerne zeigen allerdings, dass das Thema dort anders gehandhabt wird als in der amerikanischen Tech-Industrie. Trotz unterschiedlicher Branchenzugehörigkeit haben die BASF, BMW, SAP und Vodafone ähnliche Regelungen zur Wahl des Arbeitsplatzes gefunden – und die sind flexibel. Führungskräfte sprechen sich mit den Mitarbeitenden im Team ab, wann, wie und wo zusammengearbeitet werden soll. Konzernweite Vorgaben, an wie vielen Tagen pro Woche die Mitarbeitenden vor Ort oder mobil arbeiten, gibt es nicht. „Wir wollen das Beste aus zwei Welten kombinieren – einerseits die Arbeit vor Ort als unser gemeinsames Zentrum und andererseits die Mobilarbeit mit den Vorteilen der Flexibilität“, sagt ein BMW-Sprecher. Das hybride Arbeiten bezeichnet er als „das Erfolgsrezept im New Normal“.
Interessanterweise liegt die selbstgewählte Anzahl der Präsenztage pro Woche nur leicht unter der von den US-amerikanischen IT-Riesen vorgegebenen. Bei der BASF und SAP arbeiten Beschäftigte nach Unternehmensangaben, wenn es ihre Tätigkeit zulässt, zwei bis drei Tage wöchentlich im Büro, bei Vodafone sind es mit ein bis zwei Tagen etwas weniger. Eine neue Studie des Beratungsunternehmens McKinsey zeigt leicht andere Zahlen, aber dennoch passende, auf. Neben großen Metropolen weltweit haben sie auch die Entwicklung der Büroflächen für München untersucht und dafür als Basis herausgefunden, dass Angestellte in der Bayerischen Hauptstadt – hier wurden auch Mitarbeitende mit eingerechnet, die aufgrund ihres Jobprofils vor Ort arbeiten müssen – wohl durchschnittlich an 3,5 Tagen in der Woche ins Büro gehen. Deshalb würde die Bürofläche in der Stadt in einem mittleren Szenario um 16 Prozent sinken.
Schulungen für hybrides Arbeiten verbreitet
Dass die Konzerne zukünftig ihre Mitarbeitenden nicht zwingen wollen, vor Ort zu arbeiten, zeigt sich auch daran, dass sie ihren Beschäftigten und Führungskräften Schulungen zum Umgang mit hybridem Arbeiten bereitstellen. Um Herausforderungen des hybriden Arbeitens – unter anderem ein verringertes Zusammengehörigkeitsgefühl, ein herausforderndes Informationsmanagement und eine erschwerte Kommunikation – zu meistern, hat SAP kürzlich die globale Kampagne „I’m in“ gestartet. Sie zeigt Beispiele, wie die hybride Arbeit gestaltet werden kann.
Gleichzeitig wird die Vor-Ort-Arbeit beim Softwareunternehmen so gedacht, dass sie nichts Alltägliches ist und eine neue Form annimmt. Das Projekt „Moments Together Onsite“ soll Anregungen geben, wie persönliche Treffen vor Ort vorbereitet und durchgeführt werden können. Mit der „Flexconnect-App“ können Mitarbeitende Arbeitsplätze und Meetingräume buchen und sehen, wer sonst noch im Büro ist. „Mehr als 80 Prozent unserer Managerinnen und Manager und Mitarbeitenden berichten, dass sie durch unser hybrides Arbeitsmodell mindestens genauso produktiv oder sogar produktiver sind als zuvor”, sagt Dr. Christian Schmeichel, Chief Future of Work Officer bei SAP.
BMW verfährt ähnlich. Dort gibt es die Unternehmensinitiative „ConnectedWorks“. „Wir stellen Teams und Führungskräften in einer Toolbox die passenden Werkzeuge zur Verfügung, um sich mit der eigenen Zusammenarbeit auseinanderzusetzen und gemeinsam das optimale Arbeitsmodell zu finden“, sagt der BMW-Sprecher. Darin sei beispielsweise eine Anleitung für „Rituale im virtuellen Setting“ oder für gemeinsame Teamtage vor Ort enthalten.
Vodafone passt derweil im Zuge der unternehmensinternen Regelung „Full Flex Office“ die Büroausstattung an, schafft laut einer Unternehmenssprecherin zahlreiche Einzeltische ab, um mehr Kooperationsfläche zu haben. Scheinbar mit Erfolg: „Die Flächen werden sehr gut von den Mitarbeitenden angenommen“, so die Vodafone-Sprecherin. Gleichzeitig bezuschusst der Mobilfunkanbieter Mobiliar und technische Ausstattung im Homeoffice und bietet den Führungskräften die Schulung „Führen auf Distanz“ an. „Wir unterstützen beide Arbeitsorte gleichermaßen“, heißt es vonseiten des Unternehmens.
Komplett remote möchten die vier deutschen Konzerne eigenen Aussagen nach nicht arbeiten – auch nicht, wenn es die Tätigkeiten in ihrem Unternehmen zulassen würden. Gerade bei der BASF arbeiten die meisten Beschäftigten vor Ort, um in Laboren Versuche durchzuführen oder den Betrieb sowie die Reparatur von Anlagen zu gewährleisten. Aber auch für diejenigen Mitarbeitenden, die von zu Hause aus arbeiten können, sei die regelmäßige Anwesenheit vor Ort wichtig. „Die Verbundenheit der Menschen, der direkte Kontakt und das Netzwerken untereinander vor Ort schätzen wir und es bleibt wichtig für Teamgeist, Kreativität und Innovation“, sagt ein BASF-Sprecher über die Vorteile der Präsenzarbeit.
Homeoffice nach Wunsch
Dass die meisten deutschen Arbeitgeber ihren Beschäftigten wohl auch zukünftig die Wahl zwischen der Arbeit vor Ort und dem Homeoffice überlassen, zeigt auch die Debatte auf Linkedin zur Arbeitsort-Frage. Zahlreiche CEOs plädieren im sozialen Netzwerk für „Homeoffice nach Wunsch“ und geben an, diese Regelung bei sich selbst im Unternehmen zu haben.
Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von www.linkedin.com, der von der Redaktion empfohlen wird. Sie können den Inhalt mit einem Klick aktivieren.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte von www.linkedin.com angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu erfahren Sie in unserer Datenschutzerklärung.
Das deckt sich mit dem Wunsch der Mitarbeitenden und Führungskräfte. Wie Befragungen der Hans-Böckler-Stiftung zeigen, wollen nämlich drei Viertel der Beschäftigten, die das Arbeiten zu Hause in der Coronapandemie kennengelernt haben, auch weiterhin wenigstens teilweise im Homeoffice tätig sein. Zudem sagen nur noch 15 Prozent der Beschäftigten, dass ihrer Führungskraft eine Vor-Ort-Anwesenheit wichtig ist. Vor der Coronapandemie sagten das noch 60 Prozent.
Lena Onderka ist redaktionell verantwortlich für den Bereich Employee Experience & Retention – wozu zum Beispiel auch die Themen BGM und Mitarbeiterbefragung gehören. Auch Themen aus den Bereichen Recruiting, Employer Branding und Diversity betreut sie. Zudem ist sie redaktionelle Ansprechpartnerin für den Deutschen Human Resources Summit.