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Homeoffice-Diskussion: Besseres Miteinander durch Premiumpräsenz

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Drei zu zwo? Oder zwo zu drei? Oder fünf zu null – oder gar null zu fünf: Wie ist es bei Ihnen aktuell geregelt? Mein Eindruck: Die Debatte darum, wer wie oft wo zu arbeiten hat und wie das zu kontrollieren und sanktionieren wäre, ist die Debatte des Jahres in vielen Organisationen.

Es geht los mit der Frage: Was ist produktiver, daheim arbeiten oder im Büro? Die Frage scheint simpel, die Antwortmöglichkeiten sind komplex – und hängen unter anderem davon ab, wen man fragt. Die meisten Führungskräfte scheinen zu wissen: Produktiver ist Büro. Die meisten Mitarbeitenden sagen: Produktiver ist daheim. Das zumindest legen die Zahlen des WFH Research-Instituts nahe, der Instanz in den USA zu dem Thema.

Ich weiß gar nicht, ob es sich lohnt, der Produktivitätsfrage groß nachzugehen, denn: Die Fachkräftenot treibt die Arbeitnehmer – nennen wir sie mal gewohnheitshalber weiterhin so – in die Organisationen, die ihnen ihren jeweiligen Wunschrhythmus ermöglichen. Und die Arbeitgeber – nennen wir sie der Tradition halber weiterhin so – können nach wie vor so tun, als würden sie entscheiden, wo gearbeitet wird. Dabei entscheiden sie nur noch darüber, wie groß ihr Pool an sich Bewerbenden in Zukunft ist.

„Die physische Begegnung sollte so designt werden, dass sie echten Mehrwert ergibt.“

Christian Thiele

Die ausschlaggebende Frage zum Thema ist aus meiner Sicht: Welche Form von Präsenz ist gemeint? Die Menschen wie 2019 von Montag bis Freitag zweimal am Tag durch den Stau zu jagen, damit sie im Büro Monitor neben Monitor sitzen und dort das tun, was sie daheim viel effizienter tun könnten? Das ist keine Präsenz, die den Namen verdient.

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Konstruktiv positiv

In seiner Kolumne „Konstruktiv positiv“ erklärt Autor und Coach Christian Thiele, wie positive Führung funktioniert.

Aus meiner Sicht braucht es echte Premiumpräsenz. Die physische Begegnung sollte so designt werden, dass sie echten Mehrwert ergibt. „Menschen fühlen sich am kreativsten“, schreibt der deutsch-amerikanische Forscher Christian Busch in seinem sehr lesenswerten neuen Buch „Erfolgsfaktor Zufall“, „wenn sie in Bewegung sind und Menschen treffen, und nicht, wenn sie lange am Schreibtisch sitzen – das hinterlässt sogar nachweisbare Spuren im Gehirn.“ Busch zitiert Studienergebnisse, wonach es signifikant wahrscheinlicher ist, mit jemandem zu kommunizieren, der oder die einen Meter entfernt sitzt, als mit jemandem, der oder die 60 Meter entfernt ist – ganz zu schweigen von Personen, die sich in verschiedenen Gebäuden, Stockwerken, Ländern befinden. Gut gestaltete Büroräume, so Busch, machen Serendipität wahrscheinlicher, also das geplant-ungeplante Zusammenkommen von Mentalitäten, Ansichten, Innovationsideen.

Die oft verspotteten Obstkörbe und Kickertische: Sie gehören für mich zu Premiumpräsenz dazu. Denn sie ermöglichen positive Emotionen, intensive emotionale Verbindungen, informelles und intensives Mit- statt Neben oder Gegeneinander. Genauso wie Gesundheitskurse, Buchclubs, Vortragsreihen oder sonstige Lern- und Entwicklungsformate: Es geht um echte Interaktion statt reines Abarbeiten von To-dos. Der Harvard-Professor Michael Norton hat in Studien gezeigt, wie wichtig physische Rituale für das Gemeinschafts und Sinnerleben in Teams sind. Egal ob der gemeinsame Gang zum Mittwochsitaliener, das Dartturnier oder der spezielle Fistbump-Gruß im Team – all das kann Premiumpräsenz heißen.

Wer das Essen, die Austauschformate, die Räume, die Workshops so attraktiv gestaltet, dass echte Premiumpräsenz entsteht, der wird sich über einen Mangel an Bürobesucherinnen und -besuchern nicht beschweren müssen.

Info

Christian Thiele ist Autor und Coach für positive Leadership. Sein Buch „Positiv führen für Dummies“ ist gerade im Wiley-Verlag erschienen, sein Podcast „Positiv Führen“ lässt sich auf allen großen Podcast-Plattformen abrufen.
https://positiv-fuehren.com/