Wer daheim arbeitet, wo Sofa oder Bett nicht weit vom Schreibtisch sind, nutzt diese Chance gern: Kommt die Mittagsmüdigkeit, legen rund 39 Prozent der Berufstätigen zumindest gelegentlich zwischendurch ein Nickerchen, neudeutsch „Powernap“, ein. Jeder zehnte Homeoffice-Beschäftigte macht sogar häufig eine kleine Schlafpause. Das ist das Ergebnis der Schlafstudie 2024 der Pronova BKK.
Für die Studie wurden im September und Oktober 2.000 Personen ab 18 Jahren online befragt, darunter rund 1.200 Berufstätige. Ein Viertel der Befragten gab an, niemals ein Nickerchen zu machen, ein gutes Drittel arbeitet nicht von zu Hause und hat deswegen gar nicht die Möglichkeit zur Schlafpause daheim.
Zahl der Powernaper sinkt mit dem Alter
Besonders beliebt ist der Powernap als Erholungsrezept bei jüngeren Menschen: In der Altersgruppe der 18- bis 29-Jährigen legen 60 Prozent gelegentlich eine kurze Auszeit im Homeoffice ein. Die Zahl der Powernaper sinkt laut der Studie mit zunehmendem Alter. Von den 40- bis 49-Jährigen nutzt nur noch ein Drittel diese Möglichkeit. Noch niedriger ist die Quote bei den 50- bis 59-Jährigen. Dort liegt der Anteil nur noch bei 28 Prozent.
Der Mediziner Dr. Gerd Herold, Arzt für Innere Medizin, Arbeitsmedizin sowie Umweltmedizin und Beratungsarzt der Pronova BKK, erklärt den Unterschied zwischen den Altersklassen so: „Während die Jüngeren offener mit kurzen Erholungspausen umgehen und sie als normal empfinden, ist bei älteren Berufstätigen meist eine andere Einstellung zu beobachten. Viele sind mit dem Gedanken aufgewachsen, dass Schlafen während der Arbeitszeit tabu ist. Die Generation Z hingegen sagt: ‚Wenn ich müde bin, mache ich einen Powernap und arbeite danach produktiver weiter‘.“
Aus medizinischer Sicht ist das Nickerchen dabei laut Herold eine sehr vernünftige Maßnahme: „Ein Powernap von 10 bis 20 Minuten ist ein hervorragendes Mittel, um neue Energie zu tanken und die Konzentration zu verbessern. Wichtig ist, ihn kurz zu halten, damit die Nacht nicht beeinträchtigt wird.” Ein Kurzschlaf wirke besser als eine Tasse Kaffee.
Powernap fürs Marketing
Auch andere Studien haben längst den Wert des Kurzschlafes belegt. Der Osnabrücker Wirtschaftspsychologe Professor Uwe Kannings etwa hat sich wiederholt mit dem Thema befasst. Ein Aspekt seiner Forschung ist der Einfluss auf die Leistungsfähigkeit. Dazu schreibt er, dass Powernaping einen positiven Effekt habe – sowohl im Hinblick auf objektive Leistungsmaße als auch bezüglich der subjektiven Erholung: „Mitarbeiter, die zum Ende ihrer Mittagspause 20 Minuten lang dösen beziehungsweise schlafen durften, waren im weiteren Verlauf des Nachmittags schneller in der Bearbeitung von Konzentrationsaufgaben und machten dabei weniger Fehler. Zu dem erlebten sie ihre Pause als erholsamer. Die Effekte hielten auch mehrere Stunden nach der Mittagspause noch an.“
Während die medizinischen Vorteile des Nickerchens auf der Hand liegen, bleibt die Frage, ob und wie HR in Unternehmen – auch jenseits des Homeoffice – mit dem Thema umgehen sollte. Was es bringt, wenn im Betrieb ein Rückzugsort für schlafwillige Beschäftigte angeboten wird, ist Gegenstand einer neuen Personalmarketing-Untersuchung des Wirtschaftspsychologen, die im April in der Personalwirtschaft veröffentlicht werden soll. In dieser Umfrage unter gut 200 Studierenden zeigte sich laut Kanning, dass das Angebot eines Raumes für Powernaping das Image und Attraktivität des Arbeitgebers sowie das Bewerbungsverhalten stärker positiv beeinflusste als alle anderen Benefit-Angebote wie etwa ein hundefreundliches Büro, Weihnachtsgeld oder Firmenevents.
Tatsächlich setzen manche Unternehmen bereits ganz gezielt auf die gesundheitlichen Vorteile des Powernap und bieten entsprechende Rückzugsmöglichkeiten an.
Rechtliche Aspekte zum Mittagsschlaf gelten übrigens im Homeoffice gleichermaßen wie im Büro: Während der Arbeitszeit ist das Schläfchen grundsätzlich nicht erlaubt. In der Pause allerdings spricht nichts dagegen, denn die kann jeder Beschäftigte nach eigenem Gutdünken gestalten – und etwa mit Essen, Sport, einem Spaziergang, dem Friseurbesuch oder einem Nickerchen verbringen.
Tipps für guten Schlaf
Personalwirtschaft: Herr Dr. Herold, guter Schlaf ist eine essenzielle Voraussetzung, um fit für den Beruf zu sein. Haben Sie Ratschläge, welche Schlafdauer für Berufstätige sinnvoll ist? Gibt es dabei signifikante Unterschiede zwischen Altersgruppen, Arbeitsbelastung, Geschlecht oder anderen Merkmalen?
Dr. Gerd Herold: Die meisten Erwachsenen benötigen etwa 7 bis 8 Stunden Schlaf pro Nacht. Die Bandbreite ist groß: es gibt Menschen, die sich mit 4 Stunden ausgeschlafen fühlen, andere Menschen benötigen dafür 10 Stunden. Die benötigte Schlafdauer ist auch altersabhängig: Ältere Menschen benötigen oft weniger Schlaf als jüngere. Frauen benötigen etwas mehr Schlaf als Männer (durchschnittlich eine knappe halbe Stunde mehr). Außerdem spielt die Arbeitsbelastung eine Rolle. Wenn man zum Beispiel in Dauerstress ist, benötigt man mehr Schlaf. Bei gutem Schlaf kann man sich tagsüber problemlos für längere Zeit auf eine Aufgabe konzentrieren. Fallen aber schnell die Augen zu, dann ist der Schlaf nicht optimal.
Viele Menschen haben am Wochenende andere Schlafzeiten als sonst – wie kann man trotzdem am Montagmorgen wieder fit und ausgeruht für den Job sein?
Halten Sie in der Arbeitswoche ähnliche Schlafzeiten ein. Am Wochenende kann man etwas länger schlafen. Aber am Sonntagabend sollte man wieder zurückfinden in seinen gewohnten Schlafrhythmus, damit man erfrischt in die neue Woche gehen kann.
Haben Sie Tipps und Empfehlungen, wie ein Powernap besonders wirkungsvoll sein kann?
Nach dem Mittagessen ist es normal, dass man müde wird. Der Mittagsschlaf, den dann viele suchen, sollte jedoch nicht zu lang sein. Zur Erfrischung reicht auch ein Powernap von 10 bis 20 Minuten. Das wirkt oft belebender als zwei Tassen Kaffee.
Stress bei der Arbeit führt oftmals zu Problemen beim Ein- oder Durchschlafen. Wie kann das Einschlafen trotzdem funktionieren?
Wer sich durch die Arbeit gestresst fühlt, sollte von der Möglichkeit Gebrauch machen, Entspannungsübungen zu nutzen. Das Angebot dafür ist groß.
Sollten aus medizinischer Sicht Arbeitgeber ihren Beschäftigten die Chance auf einen Mittagsschlaf auch im Büro oder Werk anbieten?
Wenn Arbeitgeber einen Powernap ermöglichen, würde ich das begrüßen!
Info
Diese Rückzugsorte müssen Arbeitgeber anbieten
Die technische Regel für Arbeitsstätten ASR A4.2 konkretisiert die aus der Arbeitsstättenverordnung resultierenden Anforderungen an Pausenräume und Pausenbereiche, Bereitschaftsräume sowie an Einrichtungen zum Hinlegen und Ausruhen für schwangere Frauen und stillende Mütter.
Demnach unterscheidet man allseits umschlossene Pausenräume, die der Erholung oder dem Aufenthalt der Beschäftigten während der Pause oder bei Arbeitsunterbrechungen dienen. Pausenbereiche sind abgetrennte Bereiche innerhalb von Räumen der Arbeitsstätte, die der Erholung oder dem Aufenthalt der Beschäftigten während der Pause oder bei Arbeitsunterbrechungen dienen.
Bei mehr als zehn Beschäftigten ist ein Pausenraum/-bereich erforderlich. Auf Pausenräume/-bereiche kann in Büroräumen oder vergleichbaren Arbeitsräumen verzichtet werden, wenn dort gleichwertige Voraussetzungen wie in einem Pausenraum oder Pausenbereich gegeben sind. Es dürfen also keine arbeitsbedingten Störungen wie zum Beispiel durch Publikumsverkehr, Telefonate auftreten.
Pausenräume/-bereiche sollen von den Beschäftigten innerhalb von fünf Minuten erreicht werden können und die Wegstrecke dorthin darf nicht mehr als 100 Meter betragen. Sie sollen eine Sichtverbindung nach außen haben. Außerdem müssen sie über möglichst ausreichend Tageslicht verfügen und ausreichend beleuchtet sein. Es müssen außerdem Sitzgelegenheiten mit Rückenlehne und Tischen vorhanden sein. Ist keine Kantinen vorhanden, sind Einrichtungen für das Wärmen und Kühlen von Lebensmitteln vorgesehen.).
Bereitschaftsräume müssen immer dann zur Verfügung stehen, wenn während der Arbeitszeit regelmäßig mehr als 25 Prozent der Arbeitszeit für Arbeitsbereitschaft oder Arbeitsunterbrechungen auftreten, zum Beispiel in Krankenhäusern, bei Berufsfeuerwehren, Rettungsdiensten, Fahrbereitschaften. Liegt die Arbeitsbereitschaft oder die Arbeitsunterbrechung in den Nachtstunden oder ist die Arbeitszeit einschließlich der Bereitschaftszeit größer als zwölf Stunden, müssen Liegen vorhanden sein.
Bereitschaftsräume müssen eine Reihe weiterer Anforderungen erfüllen, sie müssen unter anderem eine Geschlechtertrennung ermöglichen, sowie verschließbar und verdunkelbar sein.
Unabhängig von den anderen Bestimmungen muss es für schwangere Frauen und stillende Mütter eine Gelegenheit geben, sich während der Pausen oder der Arbeitszeit zu setzen, hinzulegen und auszuruhen.
(Quelle: Arbeitsausschüsse beim BMAS)
Christina Petrick-Löhr betreut das Magazinressort Forschung & Lehre sowie die Berichterstattung zur Aus- und Weiterbildung. Zudem ist sie verantwortlich für die redaktionelle Planung verschiedener Sonderpublikationen der Personalwirtschaft sowie den Deutschen Personalwirtschaftspreis.