Heute ist der Tag der Produktivität. Der Tag wurde erstmals 1989 von der World Confederation of Productivity Science gefeiert und soll Bewusstsein für die Bedeutung der Produktivität in unserem Privat- und Berufsleben schaffen. Ein Streitpunkt, wenn es in letzter Zeit um das Thema Produktivität geht, ist oft der Punkt Homeoffice. Was sich während der Coronapandemie noch als Retter in der Not bewiesen hat, ist nun manch einem Unternehmen ein Dorn im Auge. Unternehmen wie SAP, VW oder die Deutsche Bank ordern Mitarbeitende zumindest teilweise ins Büro zurück.
Ein Grund dafür, auch wenn das zumeist nicht offiziell so kommuniziert wird, dürfte wohl auch der Zweifel an der Produktivität der Mitarbeitenden im Homeoffice sein – immerhin rechnen laut einer Umfrage des Ifo Instituts aus dem Jahr 2023 zumindest 32 Prozent der Unternehmen mit einer höheren Produktivität bei der Rückkehr ins Büro.
Hybrides Arbeiten hat keine Auswirkungen auf die Produktivität
Eine kürzlich veröffentlichte Studie zeigt hingegen: Hybrides Arbeiten hat keine negativen Auswirkungen auf die Produktivität der Mitarbeitenden. Für die Analyse wurden insgesamt 1.612 Mitarbeitende mit einem Uniabschluss eines chinesischen Reise- und Technologieunternehmens verfolgt. Die Mitarbeitenden wurden nach geraden oder ungeraden Geburtstagen in die verschiedenen Gruppen eingeteilt. Es gab zum einen die Gruppe, die am Mittwoch und Freitag aus dem Homeoffice arbeitete und eine Gruppe, die an fünf Tagen der Woche ins Büro kommen musste.
Während vor dem Experiment die Führungskräfte einen eher negativen Blick auf das hybride Arbeiten hatten, näherte sich die Sicht der Managementebene an die positive Sicht der Belegschaft an. Das lag wohl vor allem daran, dass keine negativen Effekte beobachtet werden konnten, die durch das hybride Arbeiten entstanden sind, sondern hauptsächlich positive Effekte. Die Fluktuation war beispielsweise um 33 Prozent geringer bei der hybriden Testgruppe im Vergleich zu der nicht-hybriden Gruppe.
Bei der weiblichen Belegschaft in den Kontrollgruppen fiel der Vergleich sogar noch deutlicher aus – die Fluktuation der Frauen war im Vergleich in der hybriden Gruppe um 54 Prozent geringer. Und auch die Arbeitszufriedenheit der hybrid-arbeitenden Mitarbeitenden stieg.
Gleichzeit konnten die Forscher keinen Abfall in der Produktivität erkennen. Das machten diese unter anderem daran fest, dass aus den beiden Testgruppen ungefähr gleich viele Personen im Zeitraum von zwei Jahren befördert wurden. Und auch in den allen sechs Monaten stattfindenden Performancereviews konnten keine Unterschiede zwischen den beiden Gruppen ausgemacht werden. Die Macher der Studie schließen deshalb darauf, dass Unternehmen diese positiven Effekte der hybriden Arbeit für sich nutzen und neuen Arbeitsmethoden sowie Technologien eine Chance geben sollten.
Hybrides Arbeiten ist nicht mehr wegzudenken
Ein Großteil der deutschen Unternehmen hat das wohl auch verstanden, wie eine aktuelle Studie der Bertelsmann Stiftung zeigt, für die rund 55 Millionen Onlinestellenanzeigen von Januar 2019 bis Mai 2024 ausgewertet wurden. Während vor der Coronapandemie das Homeoffice noch keine große Rolle spielte, ist mittlerweile in circa 18 Prozent aller Stellenanzeigen das Wort Homeoffice zu finden. Und auch laut einer Analyse von Index, nach eigenen Aussagen einer der größten Stellenanzeigendatenbanken Europas, machen Stellenanzeigen mit den Parametern Remote Work, Homeoffice, Homeoffice, Hybrid-Arbeit oder hybrides Arbeitszeitmodell circa 13 Prozent an den kompletten Anzeigen im Zeitraum von Januar bis Mai 2024 aus. Das sind knapp 1,4 Millionen Stellenanzeigen bei einem Gesamtmarkt von etwas unter 11 Millionen Anzeigen.
Je nach Branche sind jedoch teilweise große Unterschiede zu erkennen. So wurden beispielsweise laut Bertelsmann Stiftung im Jahr 2023 in 62 Prozent aller Stellenangebote für IT-Anwendungsberatung mit der Möglichkeit zum Homeoffice geworben. Auch Stellenangebote für Medieninformatik-Spezialisten und -Spezialistinnen sowie Anzeigen im Bereich für IT-Netzwerktechnik bewegen sich bei der Möglichkeit für Remote bei rund 60 Prozent. Kaum Möglichkeiten zu Homeoffice findet man hingegen in der Fleischverarbeitung (0,2 Prozent), Lebensmittelherstellung (0,3 Prozent) oder dem Metallbau (0,4 Prozent).
„Die Schere geht auseinander – je qualifizierter die Arbeitnehmenden, desto mehr Homeoffice-Angebot gibt es“, sagt Gunvald Herdin, Arbeitsmarktexperte der Bertelsmann Stiftung, zu diesem Phänomen. Generell lässt sich sagen, umso höher qualifiziert (Bachelor, Master, Meister) eine Person ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese ihre Tätigkeit auch remote ausführen kann.
Trotzdem sei hybrides Arbeiten längst zum „gängigen Arbeits-Modell“ in Deutschland geworden, sagt Ivan Cossu, Gründer des Start-ups deskbird, das sich mit hybrider Arbeit beschäftigt. „Doch noch immer sind einige Unternehmen nicht ideal dafür gerüstet und lassen noch viele Produktivitätspotenziale liegen. Denn hybride Arbeitsformen können zu einer fragmentierten Unternehmenskultur führen, wenn klare Richtlinien fehlen.“
Solche klaren Richtlinien probiert das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu geben – denn laut Bundesministerium funktioniere hybrides Arbeiten besonders gut dort, wo es klare tarifliche und betriebliche Regelungen gäbe. Im Rahmen des Programms ARBEIT: SICHER + GESUND hat die Politwerkstatt „Mobiles Arbeiten“ zusammen mit über 100 Fachleuten ebensolche Richtlinien entwickelt.
Sieben Schritte für erfolgreiches hybrides Arbeiten
Insgesamt wurden sieben Schritte für eine „gute Gestaltung hybrider Bildschirmarbeit“ in der Politwerkstatt erarbeitet. So sollen in den Schritten eins und zwei klare Ziele und eine geeignete Arbeit für eine mobile Bildschirmarbeit festgelegt werden. Ziele können beispielsweise die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, Verringerung des Berufspendelns oder die Wiedereingliederung nach Erkrankung sein. Und ungeeignete Arbeiten für mobiles Arbeiten können zum Beispiel Arbeitsaufträge sein, die technisch besonders fordernd sind oder aus Datenrechtsgründen besser im Büro gemacht werden sollten.
Die Schritte drei und vier beschäftigen sich hingegen damit, dass zeitliche Rahmenbedingungen und eine Regelung zur Aufteilung der Kosten, die im Homeoffice entstehen, getroffen werden sollten.
In den Schritten fünf und sechs werden die Themen Gefährdungsbeurteilung und die Mitwirkungspflicht der Beschäftigten thematisiert. Demnach müsse auch ein mobiler Arbeitsplatz bestimmte Umgebungsbedingungen garantieren und die richtige Arbeitsausstattung gewährleistet sein. Außerdem müssen Beschäftigte, die hybrid arbeiten, dazu befähigt sein, ihren Mitwirkungspflichten auch außerhalb des Arbeitsplatzes nachzukommen.
Im siebten Schritt wird schließlich empfohlen, die vorherigen sechs Schritte regelmäßig zu überprüfen und kontinuierlich zu verbessern. Da sich die Regelungen um mobiles Arbeiten sowohl national als auch auf EU-Ebene ständig verändern, müsse man diese zukünftig auch im Blick haben.
Frederic Haupt ist Volontär der Personalwirtschaft.