Personalwirtschaft: Herr Mosch, bei der Saria-Gruppe haben Sie vor nicht allzu langer Zeit ein neues Onboarding implementiert. Wieso war das nötig?
Sebastian Mosch: Wir haben früher gar kein Onboarding gemacht. Und wenn ich sage „gar kein Onboarding“, dann bezieht sich das sowohl auf das Headquarter in Selm als auch auf unsere Standorte im gesamten Bundesgebiet. Ich habe selbst noch miterlebt, dass ein neuer Kollegen hier am ersten Arbeitstag zwei Stunden am Empfangstresen stand, bis sich endlich rumgesprochen hatte, dass jemand neues da ist.
Was war passiert?
Die Führungskraft war krank und hatte auch nicht delegiert, dass sich jemand um den Neuen kümmert. Das war natürlich auch 2019 schon ziemlich peinlich.
Wie sah es an den Außenstellen aus?
Das ist ja eher im Blue-Collar-Bereich. Da fällt so etwas ohnehin etwas hemdsärmeliger aus.
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Über die Erfolge und Learnings in Bezug auf das Onboarding-Programm spricht Sebastian Mosch am 9. Mai auch bei der Schicht im Schacht. Die Personalwirtschaft ist Medienpartner der Konferenz.
Was haben Sie dann verändert?
Von dieser Nulllinie aus haben wir 2021 angefangen, ein Onborading-Programm aufzulegen, dass wir in den letzten Jahren – wie ich finde – sehr erfolgreich ausgerollt haben.
Wie genau sieht das Onboarding-Programm aus?
Da muss ich ein kleines bisschen ausholen. Eine unserer Besonderheiten ist, dass wir als Holding strukturiert sind. Dadurch ist die Struktur der Gruppe nicht so leicht zu überblicken. Zahlreiche Kolleginnen und Kollegen haben uns zurückgespielt, dass sie sehr lange gebraucht haben, um zu verstehen, wie wir organisiert sind, was es für Geschäftsbereiche gibt und wo sich das alles eigentlich geografisch befindet.
Ihre Zentrale ist in Selm, an der Grenze von Ruhrgebiet und Münsterland. Außenstellen haben Sie aber in allen Bundesländern.
Genau. Bis man da in allen Details durchblickt, kann es sechs Monate dauern, wenn es einem niemand genau erklärt. Mittlerweile schaffen wir das aber am ersten Tag, an dem wir eine spezielle Unternehmenspräsentation zeigen, in der wir auf diese Besonderheiten eingehen.
Was passiert noch am ersten Tag?
Wer in der Zentrale arbeitet, bekommt direkt alle nötigen Geräte und spezielle Schulungen. Daher ist auch die IT beim Onboarding dabei. Die wissen das mittlerweile schon, dass am ersten Werktag des Monats unser Onboarding-Day ist. Da werden dann zum Beispiel nach dem Mittagessen auch noch Fotos von den neuen Mitarbeitenden gemacht.
Wofür?
Vor allem intern, für Teams und Outlook. Es werden aber – natürlich freiwillig – auch Bilder gemacht für Social Media, vor allem Linkedin. Dort heißen wir die Neuen genauso willkommen wie im Intranet. So werden sie im Unternehmen bekannter und sind keine „fremden“ Leute mehr, die über den Flur laufen.
Wie läuft es an den Außenstellen ab?
Die Kolleginnen und Kollegen sind virtuell zugeschaltet und bekommen die nötige Hardware an ihren Arbeitsplatz geliefert. Mit der Zeit hat sich herauskristallisiert, dass das so sinnvoll ist. Die Führungskräfte in den Standorten melden die neuen Mitarbeitenden zum mittlerweile hybriden Onboarding-Tag an. Wir schalten sie dann digital hinzu und die Mitarbeitenden aus den Standorten nehmen digital an dieser Veranstaltung teil. Auch die IT-Schulung findet digital statt.
Sie haben am Anfang gesagt, dass das Programm sehr erfolgreich ist. Woran machen Sie das fest? Gibt es Zahlen?
Auf jeden Fall. Als produzierendes Unternehmen sind wir fast traditionell geplagt von einer hohen Frühfluktuation. Seit der Implementierung des Onboardings konnten wir den Anteil der neuen Mitarbeitenden, die innerhalb der ersten sechs Monate gekündigt haben, um 25 Prozent senken.
Das ist ordentlich …
Ja. Und es erfreut den CFO.
Das müssen Sie erklären!
Zum einen stecken wir viel Budget ins Recruiting – da ergibt es schon Sinn, dass die Leute dann auch bei uns bleiben. Zum anderen hatten wir früher teilweise Mitarbeitende, die nach fünf Werktagen noch immer keinen Zugriff auf alle Dienstprogramme hatten. Das war ein ziemlicher Produktivitätsverlust – den es heute einfach nicht mehr gibt.
Das heißt, dass sich das Onboarding quasi selbst finanziert.
Auf jeden Fall. Da wir seit Beginn des Projekts die Zahlen tracken, können wir ziemlich genau sagen, wie der Return on Invest ist.
Wie hoch ist er?
2,88. Das heißt: Wir haben die Investition fast verdreifacht.
Das freut in der Tat vermutlich nicht nur den CFO.
Genau. Das Problem ist doch: Viel zu wenige Personalerinnen und Personaler arbeiten mit monetären Kennzahlen und KPIs. Natürlich interessiert sich das Topmanagement auch dafür, wie wir mit den Menschen umgehen. Aber vor allem interessiert sie, was wir aus dem Budget machen, das wir bekommen. Ob wir ein Cost Center sind oder ein Profit Center.
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Die Saria-Gruppe mit Hautpsitz in Selm im Kreis Unna (NRW) hat sich laut Webseite das Ziel gesetzt „knappe natürliche Ressourcen durch Recycling und Verwertung für neue Verwendungszwecke nutzbar zu machen“. Dabei ist das Unternehmen mit mehreren Tochterfirmen unter anderem in der Fischmehl- und -ölherstellung sowie der Produktion von Biodiesel vor allem aus tierischen Fetten aktiv. Das Unternehmen hat rund 13.000 Beschäftigte in 26 Ländern und gehört zur Rethmann-Gruppe.
Matthias Schmidt-Stein koordiniert die Onlineaktivitäten der Personalwirtschaft und leitet gemeinsam mit Catrin Behlau die HR-Redaktionen bei F.A.Z. Business Media. Thematisch beschäftigt er sich insbesondere mit den Themen Recruiting und Employer Branding.