Aktuelle Ausgabe

Newsletter

Abonnieren

So können Führungskräfte überlasteten Mitarbeitenden helfen

Artikel anhören
Artikel zusammenfassen
Teilen auf LinkedIn
Teilen per Mail
URL kopieren
Drucken

Fast alle von uns merken es gerade – das Stressniveau hat zugenommen. Genauer gesagt – das zeigen Studien – haben wir ein neues Allzeithoch erreicht. Untersuchungen der Unternehmensberatung McKinsey zeigen sogar, dass jeder vierte Mitarbeiter und jede vierte Mitarbeiterin Burnout-Symptome aufweist. Wir stecken inmitten einer Pandemie der Überlastung. 

Zu spüren bekommen das auch Führungskräfte und vor allem HR-Verantwortliche, die sich des „Problems“  annehmen sollen. Rund um das Thema mentale Gesundheit fehlen aber Kompetenzen, Kapazitäten und vor allem auch Richtlinien, die es den „Helferinnen und Helfer“ ermöglichen, richtig zu unterstützen, ohne sich selbst zu gefährden.

Wie können Personalverantwortliche also überlastete Mitarbeitende möglichst frühzeitig erkennen, ihnen richtig helfen und sich selbst dabei nicht überfordern?

Risiken verstehen

Die Wissenschaft zeigt: Stehen Mitarbeitende dauerhaft unter zu viel Stress, sind überfordert und erschöpft, leiden ihr mentales Wohlbefinden und ihre Zufriedenheit. Das kennen viele von uns aus eigener Erfahrung. 

Grundsätzlich können Menschen Stress gut aushalten und unter moderatem Stress sogar zu Höchstleistungen fähig sein. Doch wenn der wahrgenommene Stress über einen längeren Zeitraum anhält und es keine Erholungsphasen gibt, kann er zu psychischen und körperlichen Beschwerden führen und im schlimmsten Fall auch zu langwierigen Krankheiten wie Burnout oder Depression. Warum das für Unternehmen relevant ist, ist eigentlich logisch. Mitarbeitende mit mentalen Problemen arbeiten oft weniger motiviert und produktiv, Arbeitsausfälle häufen sich und in nicht wenigen Fällen verlassen betroffene Beschäftigte das Unternehmen. Kurz zusammengefasst sind das alles vermeidbare Kosten.

Zudem sind Stress und Burnout zu einem gewissen Grad auch ansteckend. Geht es einer Mitarbeiterin oder einem Mitarbeiter nicht gut, wirkt sich das häufig negativ auf die Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen sowie die Team-Atmosphäre aus. Personalverantwortliche sollten das Thema Arbeitsüberlastung also ernst nehmen und Warnsignale erkennen.

Warnsignale von Überlastung

Die Warnsignale überlasteter Mitarbeitender können sehr unterschiedlich aussehen. Eine eindeutige und abschließende Liste gibt es nicht. Folgende Verhaltensebenen können Personalverantwortliche auf dem Schirm haben, wenn sie nach einer möglichen Überlastung der Beschäftigten Ausschau halten: 

Arbeits- und Leistungsverhalten

  • Der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin macht häufiger Fehler als sonst
  • Deadlines werden nicht eingehalten
  • Er oder sie kommt oft zu spät
  • Die Person macht vermehrt Überstunden oder kann nicht mehr abschalten

Verändertes Sozialverhalten

  • Auf andere wirkt er oder sie gereizt oder aggressiv
  • Der oder die Betroffene scheint angespannt oder oft traurig
  • Soziale Veranstaltungen werden mehr und mehr gemieden

Erscheinung

  • Er oder sie nimmt stark zu oder ab
  • Der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin vernachlässigt Kleidung und Körperpflege

Körperliche und emotionale Empfindlichkeit

  • Der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin klagt häufig über Schlafstörungen, Rückenschmerzen oder schlechte Stimmung
  • Sichtbare Müdigkeit oder Anspannung
  • Der oder die Betroffene scheint emotional leer oder rastlos

Viele dieser Symptome können bei Mitarbeitenden auch ohne Überlastung auftreten. Mein Tipp ist es, darauf zu achten, ob Sie signifikante Veränderungen bei der betroffenen Person im Vergleich zu ihrem normalen Verhalten beobachten können.

H-I-L-F-E: Richtig helfen

Haben Sie eine Arbeitsüberlastung bei einem Mitarbeiter oder einer Mitarbeiterin festgestellt, können Sie überlegen, wie Sie ihm oder ihr am besten helfen können, mit der Situation umzugehen. Dafür gilt es, das Gespräch zu suchen. Mentale Probleme bei Mitarbeitenden oder Kolleginnen und Kollegen anzusprechen, ist ein sensibles Thema und erfordert viel Feingefühl. Der BKK Dachverband und die Familien-Selbsthilfe-Psychiatrie haben daher ein Schema entwickelt, wie Sie solche Situationen angehen können und gleichzeitig gesunde Grenzen einhalten.

H = Hinsehen

Im ersten Schritt sollten Sie ein Vieraugengespräch mit dem oder der Betroffenen suchen. Hier können Sie dann das konkrete Verhalten beschreiben, das Sie wahrgenommen haben und kommunizieren, dass es Sie besorgt . Wichtig ist es, Mitgefühl zu zeigen und nicht zu werten. 

Ein beispielhafter Gesprächseinstieg könnte zum Beispiel sein: „Mir ist aufgefallen, dass … und das macht mir Sorgen. Ich würde gerne verstehen, wie es dir gerade wirklich geht und dich unterstützen.”

I =Initiative ergreifen

Stellt sich – basierend auf dem ersten Gespräch – keine Veränderung ein, können Sie das Thema noch einmal ansprechen und gemeinsam Lösungsmöglichkeiten besprechen. Offene Formulierungen wie „Was muss passieren, dass du dich bei der Arbeit wieder wohlfühlst?” und „Was kann ich oder unser Unternehmen hierfür beitragen?” können helfen.

L = Leitungsfunktion wahrnehmen 

Tut sich weiter nichts, sollten Sie als Personalverantwortliche oder Personalverantwortlicher Ihre Leitungsfunktion wahrnehmen. Das heißt, weiterhin fürsorglich sein und Hilfe anbieten. Aber auch die Selbstverantwortungen der Betroffenen ansprechen und kommunizieren, dass sich die Betroffenen selbst um ihre Gesundheit kümmern müssen, auch um ihrer arbeitsbezogenen Verantwortung nachgehen zu können. 

F = Führungsverantwortung 

Finden Sie ein Gleichgewicht zwischen fördern und fordern. Sie sollten weiterhin Geduld, Verständnis und Mitgefühl zeigen, aber auch klar die Erwartungen aus Arbeitgeberperspektive kommunizieren und daran festhalten, Arbeitsleistung einzufordern. Regelmäßige Check-ins können hierbei helfen.

E = Experten hinzuziehen

Schließlich sollten Sie Expertinnen und Experten hinzuziehen, denn eine Führungskraft sowie eine HR-Verantwortliche oder ein HR-Verantwortlicher ist kein Therapeut oder Therapeutin. Neben psychologischen Expertinnen und Experten können auch Betriebsmedizinerinnen, Hausärzte, Telefonhotlines oder digitale Lösungen für mentale Gesundheit am Arbeitsplatz hinzugezogen werden.

Aus der Situation lernen

Ist die akute Situation mit dem oder der Betroffenen angegangen, sollten Sie analysieren, ob daraus etwas für die Zukunft gelernt werden kann. Sie können sich unter anderem folgende Fragen stellen.

  • Wie ist das aktuelle Stresslevel im Unternehmen? Lässt es sich reduzieren? 
  • Können wir Erholungszeiten oder einen besseren Ausgleich zwischen Arbeit und Freizeit fördern, zum Beispiel durch flexible Arbeitsplatzregelungen, Meeting freien Zeiten, et cetera? 
  • Wie können wir einen regelmäßigen Einblick in das Wohlbefinden des Teams erhalten? Gibt es Umfragen, regelmäßige Check-ins oder Tools, die uns dabei helfen?
  • Können wir Mitarbeitenden Werkzeuge an die Hand geben, um besser mit Stress umzugehen, Überlastungen vorzubeugen und Resilienz proaktiv aufzubauen?

Abschließend ist es notwendig zu sagen, dass Sie als Führungskraft nicht die alleinige Verantwortung für überlastete Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen tragen. Auch wenn Unterstützung wichtig ist, liegt die Verantwortung für die eigene mentale Gesundheit vor allem bei den Betroffenen. Achtsamkeit, die Intention zu unterstützen und das Anbieten von Hilfe sind die wichtigsten ersten Schritte.

Alles zum Thema

HR – Mental stark!

Wie kann HR die mentale Gesundheit von Mitarbeitenden, aber auch sich selbst stärken? Kimberly Breuer, Likeminded-Co-CEO, gibt in ihrer monatlichen Kolumne Tipps und Inspiration für den Arbeitsalltag. 

Autor