Frage an die HR-Werkstatt: Was können Unternehmen tun, wenn Sie schnell und dringend Personal abbauen müssen und worauf ist dabei zu achten?
Es antwortet: Hendrik Böttcher, Geschäftsführer der Hendrik Böttcher Beratungsgesellschaft mbH
Diese Frage lässt sich theoretisch einfach beantworten, tritt jedoch in der Praxis meist in Situationen auf, die sehr anspruchsvoll, mitunter überfordernd für HR-Abteilungen sind. Es gibt gleichzeitig unzählige neue und zu priorisierende Themen. Des Weiteren ergibt sich die Notwendigkeit von Reduzierungen der Belegschaft größtenteils aus triftigen externen oder internen Gründen, die sich niemand gewünscht hat. Dies können unter anderem gestiegene Kosten für Rohstoffe und Energie sowie Marktveränderung sein, die in der Konsequenz zu reduzierter Nachfrage/Absatz führen. Der Grund für die Belegschaftsreduzierung ist nur bedingt relevant, wenn es darum geht, diese wertschätzend und erfolgreich umzusetzen.
Der erste Schritt sollte immer eine solide juristische Validierung sein. Was gibt es für Möglichkeiten? Was ist zu berücksichtigen? Je nach Unternehmensgröße und Ressourcen erfolgt dies intern und/oder unter Einbeziehung externer Kanzleien. Der Anwalt kann beispielsweise prüfen, in welchen Fällen eine Änderungskündigung sinnvoll und wirksam bei der Reduzierung von Personal angewendet werden kann. Eine andere Möglichkeit zeitnah die Belegschaft zu reduzieren, sind außergerichtliche Vereinbarungen im Vorfeld der eigentlichen Maßnahme, wie beispielsweise Vorruhestandsvereinbarungen und Aufhebungsverträge, die rechtswirksam durch Juristen vorbereitet werden können. Diese Herangehensweise verwendet aktuell SAP, um seinen Personalbestand zu verkleinern.
So muss zum Beispiel ein Unternehmen mit über 20 Mitarbeitenden das Arbeitsamt informieren, wenn es mindestens fünf Mitarbeitende beziehungsweise zehn Prozent der Belegschaft entlässt. Wird dies versäumt, können die Kündigungen im Rechtsfall unwirksam werden.
Wertschätzung hilft beiden Seiten
Die Klarheit durch die rechtliche Einschätzung der Lage schafft Souveränität, die ein professionelles Gestalten des Personalabbaus durch das Unternehmen und HR ermöglicht. Die zu entlassenden Mitarbeitenden sollten dann einen möglichst wertschätzenden Kündigungsprozess erfahren. Dies nicht nur aus reiner Nächstenliebe und Anständigkeit heraus, sondern mindestens schon aus ureigenen Unternehmensinteressen.
Denn es gibt einige Studien, die belegen, dass Ankündigungen und Umsetzungen von Massenentlassungen einen direkten Einfluss auf die Reduzierung des Wertes einer Marke sowie Reputation des Unternehmens haben.
So funktioniert professioneller Personalabbau richtig
Was ist für einen professionellen Personalabbau neben der arbeitsrechtlichen Absicherung wichtig? Eine klare Kommunikation sowie die Festlegung von Verantwortlichkeiten ist für den Erfolg von großer Relevanz.
Dabei ist es wichtig, die Gesamtsituation des Unternehmens zu erläutern, Ansprechpartner für interne und externe Stakeholder zu benennen und den Arbeitnehmenden konkrete Angebote zu machen, die sie dabei unterstützen, zum Beispiel durch eine Weiterqualifizierung neue Jobs zu finden. Führungskräfte, die den Mitarbeitenden die Kündigung übermitteln müssen, sollten vorher von HR geschult werden, damit sie wissen, wie sie die Nachricht am besten und schonendsten für die Empfängerinnen und Empfänger übermitteln können. Dabei sollte ihr eigenes Wohlergehen nicht außer Acht gelassen werden. Eine Kündigung ist für beide Seiten psychisch fordernd.
Vor allem die individuelle Unterstützung der Gekündigten, in Form einer Outplacement-Beratung durch externe Anbieter ist oftmals ein wichtiger Bestandteil entsprechender Vereinbarungen. Durch die Hilfe bei der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt gewinnen die entlassenen Mitarbeitenden Abstand zu der Situation und psychologische Sicherheit. Diese Unterstützung führt zu deutlich reibungsloseren Trennungsprozessen und im Optimalfall dazu, dass entlassene Mitarbeitende dem Unternehmen als Markenbotschafter, Kunden oder Lieferanten erhalten bleiben.
Eine Outplacement-Beratung hat grundsätzliche den Zweck, Mitarbeitende bei der Erlangung einer neuen Beschäftigung/Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt zu unterstützen. Es gibt die Unterscheidung in Gruppen- und Einzel-Outplacements, wobei sich letztere noch in privat und firmenseitig finanzierte Maßnahmen (Unterschiede liegen bei den integrierbaren Leistungen und steuerrechtlichen Anforderungen an selbige) unterteilen und sich üblicherweise an Führungskräfte richten.
Gemeinsamkeiten bei Outplacement-Beratungen
- Bestandsaufnahme, Auffangen der Mitarbeitenden, Definition/Erläuterung des Prozesses
- Stärkenanalyse/Standortbestimmung und gegebenenfalls Upskilling in Form von Trainings, Coachings oder Schulungen
- Sondierung des Arbeitsmarktes und Begleitung der Bewerbungsphase (je nach Umfang in unterschiedlicher Intensität und gegebenenfalls auch Elementen der aktiven Positionierung)
Arbeitgeberfinanzierte Outplacements müssen spätestens bei Antritt einer neuen Stelle der Mitarbeitenden enden auch vor Ende der Laufzeit, die üblicherweise zwischen sechs und 18 Monaten liegt, andernfalls kann dies unangenehme steuerrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Privat beauftragte/finanzierte Maßnahmen hingegen dürfen auch Dienstleistungen, wie zum Beispiel die Begleitung des Onboardings in der neuen Position beinhalten.
Mögliche Wiedereinstellung im Auge behalten
In guten Zeiten erfolgt womöglich sogar eine Wiedereinstellung selbiger. Auch wenn es einige Unternehmen gibt, die seit vielen Jahren schon eine ausgesprochen gute Trennungskultur haben, gibt es bisher noch keine validen Studien zu dem Thema „Wiederkehrer“. Aus diversen persönlichen Gesprächen mit Führungskräften weiß ich jedoch, dass einige Organisationen dies sehr erfolgreich für sich nutzen können, da sie aufgrund ihrer Reputation einen deutlich besseren Zugriff auf begehrte potenzielle Mitarbeitende des Arbeitsmarktes haben.
Im Verlauf meiner langjährigen Outplacement-Beratung habe ich viele Unternehmen kennenlernen dürfen, für die soziale Verantwortung das Hauptmotiv ist, sich ihren Mitarbeitenden stets fair gegenüber zu verhalten, egal in welcher Situation. Können Unternehmen authentisch vermitteln, dass sie Kündigungen wertschätzend und seriös umsetzen, zahlt das nicht zuletzt positiv auf die Arbeitgebermarke ein, zeigt die Praxis.