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„Unternehmen agieren nicht im politischen Vakuum“

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Personalwirtschaft: Herr Younosi, warum sollten sich Arbeitgeber in Deutschland für den Erhalt der Demokratie einsetzen?
Cawa Younosi: Dafür gibt es mehrere Gründe. An erster Stelle ist die Demokratie existenziell für die Sicherheit von marginalisierten Menschen in Deutschland. Diese Menschen machen gleichzeitig einen elementaren Teil der arbeitenden Bevölkerung aus. Das alleine sollte schon Anreiz für Arbeitgebende sein, sich für Demokratie einzusetzen. Unser aktueller Wohlstand wäre ohne unser demokratisches System nicht möglich. Zusätzlich lässt sich dieser Wohlstand nur aufrechterhalten, wenn wir gesteuerten Zuzug ermöglichen. Sonst macht uns der Fachkräftemangel einen Strich durch die Rechnung.

Menschen aus dem Ausland würden nicht nach Deutschland kommen, wenn es hier keine demokratischen Strukturen gibt?
Deutschland würde in ihren Augen dadurch an Attraktivität einbüßen. Menschen bleiben nur in einem Land und bringen ihre Potenziale ein, wenn sie sich wohl und sicher fühlen. Und sie fühlen sich nur wohl, wenn sie Chancengerechtigkeit und Respekt erfahren – so wie es auch in unserem Grundgesetz verankert ist. Das gilt auch für Unternehmen, denn sie agieren nicht im politischen Vakuum.

Wie meinen Sie das?
Menschen geben ihre politische Meinung und ihre Emotionen zur aktuellen politischen Situation nicht am Werktor ab. Der Konflikt in der Gesellschaft ist auch in der Belegschaft vorhanden. Nur, weil Arbeitgeber ihn nicht offen bei sich im Unternehmen ansprechen, heißt es nicht, dass er dort nicht existiert. Andersherum kann sich das Miteinander im Betrieb auch positiv auf das Zusammenleben in der Gesellschaft auswirken. Der Arbeitsplatz ist ein sehr gutes Beispiel dafür, wie Inklusion gelingen kann. Er ist ein Ort, an dem Menschen mit den unterschiedlichsten Hintergründen zusammentreffen und gemeinsam ein Produkt kreieren oder eine Dienstleistung anbieten. So eine Vielfalt findet sich in kaum einem anderen gesellschaftlichen Bereich wieder.

Wie können Arbeitgeber konkret für den Erhalt der Demokratie tun?
Auf Linkedin politisch Haltung zu zeigen, ist erstmal gut. Aber den Worten müssen auch Taten folgen. Es geht darum, im Unternehmen selbst Austauschplattformen aufzubauen und Wissen zu generieren.

Wie genau kann das aussehen?
Arbeitgebende sollten den Führungskräften und der Personalabteilung Hilfestellungen anbieten, wie sie mit dem Thema Populismus umgehen können, wenn es im Arbeitsalltag aufkommt – und das können sie tun, ganz ohne parteipolitisch werden zu müssen. Aktuell gibt es hier viele Berührungsängste und Wissenslücken, dabei ist gerade der Arbeitsplatz ein wichtiger Diskussionsort. Anhand von bestimmten politischen Situationen, welche die Mitarbeitenden bewegen, kann man zum Beispiel All-Hands-Meetings aufsetzen, in denen man mit den Mitarbeitenden über das Thema diskutiert. Oft hilft es, externe Expertinnen und Experten für Wissensvermittlung und Einordnungen einzuladen.

Gerade Menschen mit Migrationshintergrund sind von den aktuellen politischen Forderungen der Konservativen und Rechten bezüglich der Migrationspolitik betroffen. Wie können Führungskräfte und HR sie möglichst einfühlsam in die Austauschformate einbeziehen?
Arbeitgebende können an Betroffene – aktuell beispielsweise Mitarbeitende mit Migrationshintergrund – kommunizieren: „Wir sehen, was es mit euch macht, dass eine Partei wie die AfD bei der Bundestagswahl voraussichtlich bei über 20 Prozent der Stimmen liegen wird. Wir wissen, dass ihr Angst habt. Egal, was passiert: Wir als Unternehmen stehen weiterhin für unsere Werte wie Demokratie, Vielfalt und Respekt.“ Wichtig ist es auch, dass sich CEOs und Geschäftsführer – aber auch Personalerinnen und Personaler – mit ihren eigenen Privilegien auseinandersetzen, um die Situation mit anderen Augen und von unterschiedlichen Perspektiven zu sehen. Das hilft auch dabei, dass sie ihre Worte differenziert wählen. Und schließlich sollten die Austauschräume gut vorbereitet sein und moderiert werden.

Sollten Arbeitgeber auch im Rahmen des Employer Brandings Haltung zeigen?
Ja. Die meisten Unternehmen stehen nach innen zu ihren Vielfaltsbekundungen und ihren demokratischen Werten. Nun ist eine gute Zeit dafür, dies auch laut nach außen hin zu tun. Etwa durch die Teilnahme an Kampagnen wie unserer. Viele Unternehmen zögern hier noch. Dazu gibt es aber keinen Grund.

Warum nicht?
Was gerade mutig erscheint, sind eigentlich No-Brainer. Schließlich reden wir über einen respektvollen Umgang miteinander und Empathie. Dinge, die von den meisten Menschen als positiv gesehen werden. Und viele Leute schauen aktuell auf die politische Haltung von Unternehmen – einfach auch, weil wir als Gesellschaft in den vergangenen Jahren politischer geworden sind. Wer als Arbeitgeber diese Werte für sein Employer Branding nutzt, kann sich folglich positiv von der Konkurrenz abheben.

An wen können sich Unternehmen wenden, wenn sie politisch Haltung zeigen wollen – sowohl durch Handlungen innerhalb der Belegschaft als auch durch Statements nach außen –, aber unsicher sind, wie sie den richtigen Ton finden.
Wir werden als Charta der Vielfalt in den kommenden Wochen – auch nach der Wahl – zahlreiche Materialien und Veranstaltungen anbieten, in denen wir genau diese Themen vermitteln. Der Business Council for Democracy bietet zudem hilfreiche Weiterbildungen für die Mitarbeitenden an. Hier lernen sie unter anderem auch, wie sie Populismus erkennen und damit umgehen können.

Info

Lena Onderka ist redaktionell verantwortlich für den Bereich Employee Experience & Retention – wozu zum Beispiel auch die Themen BGM und Mitarbeiterbefragung gehören. Auch Themen aus den Bereichen Recruiting, Employer Branding und Diversity betreut sie. Zudem ist sie redaktionelle Ansprechpartnerin für den Deutschen Human Resources Summit.