Die meisten Beschäftigten legen viel Wert auf eine gute Vertrauenskultur im Arbeitsumfeld. Das gilt insbesondere auch in Krisenzeiten. Doch fast jeder Dritte hat schon einmal einen Vertrauensbruch im Job erlebt, ob im Team oder durch Vorgesetzte. Das zeigt eine aktuelle Studie im Auftrag des Jobportals meinestadt.de. An der Befragung vom Januar 2024 haben 3.000 Fachkräfte mit Berufsausbildung teilgenommen.
Nur jede vierte Fachkraft findet die Vertrauenskultur im Unternehmen sehr gut
Eine gute Vertrauenskultur im Unternehmen ist so gut wie allen Befragten sehr wichtig (71 Prozent) oder wichtig (28 Prozent). Was die derzeitige Vertrauenskultur bei ihrem Arbeitgeber betrifft, so bewerten sie nur 23 Prozent als sehr gut und 52 Prozent als eher gut. Ein Viertel ist offenbar unzufriedener. So halten 21 Prozent die Situation für eher nicht gut und 4 Prozent sagen, sie sei gar nicht gut. In Kleinstbetrieben mit weniger als zehn Beschäftigten ist die Vertrauenskultur am stärksten ausgeprägt, in großen Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden am geringsten. Im Branchenvergleich schneidet sie im Handwerk am besten und in der Pflege am schlechtesten ab.
Ihrer direkten Führungskraft vertrauen 28 Prozent der nicht akademischen Fachkräfte voll und ganz, und 49 Prozent geben „eher viel“ an. Jede fünfte Fachkraft (19 Prozent) vertraut ihrer direkten Führungskraft eher nicht und bei 4 Prozent ist gar kein Vertrauen vorhanden. Der Geschäftsführung vertrauen noch weniger Befragte. Im Kollegium oder Team ist das Vertrauen zwar etwas stärker ausgeprägt, doch bei immerhin 18 Prozent ist es eher nicht und bei 3 Prozent gar nicht vorhanden.
Jeder Dritte hat im Job Vertrauensbrüche erlebt
Insgesamt knapp jede dritte Fachkraft (30 Prozent) gibt an, dass ihr Vertrauen am Arbeitsplatz schon einmal missbraucht wurde. Auch hier ist der Anteil im Pflegebereich mit 35 Prozent überdurchschnittlich hoch, ebenso im Handel. Von jenen, die aktiv auf Jobsuche sind, sagen sogar 42 Prozent, dass ihr Vertrauen bereits missbraucht wurde. Sie geben der Vertrauenskultur im Unternehmen überhaupt schlechtere Werte als der Durchschnitt. Das deutet darauf hin, dass Vertrauen ein wichtiger Faktor für die Bindung von Mitarbeitenden ist.
Von Lügen über Mobbing bis Ausnutzung
Was die bereits erlebten Vertrauensbrüche betrifft, so zeigen die Freitextantworten der Befragten eine große Bandbreite, von persönlichen Enttäuschungen bis hin zu Rechtsverstößen wie etwa der Nichterhalt vereinbarten Geldes oder die nicht eingehaltene Zusage, nach der Elternzeit wieder an den bisherigen Arbeitsplatz zurückkehren zu können. Am häufigsten nannten die Fachkräfte Mobbing unter Kollegen, die Weitergabe von vertraulichen Informationen, das Verschaffen von Vorteilen durch Lügen, das „Schmücken mit fremden Federn“ sowie ausgenutzte Gutmütigkeit. So berichtet eine Befragte davon, sie habe einer Kollegin erzählt, dass es ihr nicht gut gehe, und diese habe es sofort der Chefin weitergegeben mit dem Hinweis, die Betroffene sei vielleicht fehl am Platz. Anderen wurden Fehler von Kollegen in die Schuhe geschoben, oder ihre eigene Lösungskompetenz wurde vom Vorgesetzten als dessen Leistung verkauft.
Mangelndes Vertrauen führt zu persönlicher Zurückhaltung im Arbeitsumfeld
Ob durch solche Erlebnisse oder aufgrund fehlenden Vertrauens an sich sind viele Mitarbeitende zurückhaltend, wenn es um persönliche Ansichten und Befindlichkeiten geht. So stimmen 40 Prozent der Aussage zu, dass sie im Job eine Rolle spielen, um nicht anzuecken. 36 Prozent trauen sich nicht, Gefühle und Sorgen offen zu zeigen. 34 Prozent befürchten, als dumm oder kritisch zu gelten, wenn sie zu viele Fragen stellen, und 31 Prozent schließen sich eher der Mehrheit an, anstatt ihren Standpunkt selbstbewusst nach außen zu vertreten.
Weitere Aussagen der Befragten weisen darauf hin, dass ein guter Führungsstil wichtig für ein vertrauensvolles Klima im Unternehmen ist. Dazu gehören Transparenz, Gesprächsbereitschaft, eine offene Kommunikation, Wertschätzung und auch, dass Fehler nicht bestraft werden und Mitarbeitende ihre eigene Persönlichkeit einbringen können.
In Krisenzeiten ist gute Führung besonders wichtig
In der aktuellen Situation, die von vielfältigen Krisen geprägt ist, sind Führungskräfte noch stärker gefordert als sonst. Fast jede zweite Fachkraft (48 Prozent) sagt, dass die Krisen ihre Vertrauensfähigkeit mindern. Das passt zu anderen Umfragen, die einen starken Vertrauensverlust in Politik und Medien zeigen. Zwei Drittel (66 Prozent) der hier befragten Fachkräfte suchen daher nach eigener Angabe in Krisenzeiten mehr Stabilität im Arbeitsumfeld, und fast drei Viertel (72 Prozent) sind der Meinung, dass die Bedeutung der Vertrauenskultur im Unternehmen zunehmen wird, sowohl für die Bindung als auch für die Gewinnung von Beschäftigten.
Ute Wolter ist freie Mitarbeiterin der Personalwirtschaft in Freiburg und verfasst regelmäßig News, Artikel und Interviews für die Webseite.