Es gab eine Zeit, da legten Unternehmen in Social Intranets große Hoffnungen. Durch Foren, Wikis, Blogs und andere Tools wollten sie Mitarbeitende zur internen Vernetzung und zum Erfahrungs- und Meinungsaustausch motivieren, die Zufriedenheit der Belegschaft fördern und sie besser ans Unternehmen binden. Bald jedoch wurde die große Hoffnung abgelöst vom Eindruck, dass diese Plattformen wenig Nutzen brachten. Nach Ansicht von Mike Gotta, Research Vice President beim Marktforschungsunternehmen Gartner, war der Begriff „Social“ daran nicht unschuldig, da Unternehmen und Technologie-Strategen ihn mit „Spiel“ gleichsetzten, also mit Erfahrungen der Mitarbeiter, die für das Erreichen von Geschäftszielen und -ergebnissen wenig brauchbar waren.
Es mangelte zwar nicht an Social-Intranet-Anbietern und diese Mitarbeiter-„Spielwiesen“ wurden teilweise auch intern erstellt. Flächendeckend genutzt wurden sie aber nicht. Auch deshalb, weil parallel eine Vielzahl von Apps und Anwendungen auf den Markt kamen, die spezifische Kommunikationsanforderungen adressieren. Angefangen von 360-Grad-Feedbacks über Videokommunikation bis zum gemeinsamen Arbeiten an Dateien, Projekten, Entwürfen und mehr. Zudem sind die frühen Social Intranets nicht für die mobile Kommunikation mit dem Smartphone konzipiert. Viel unbrauchbarer und oft redundanter Datenmüll verstopft die Kanäle, die Systeme sind oft schwierig zu navigieren und Informationen werden laut Marktforschungsunternehmen Forrester oft nicht als nützlich empfunden. Grundsätzlich sei, so die Analysten, die Informationsarchitektur oft schlecht, die Seiten- und das Ordnerschemata zu komplex und angelegte Tags veraltet.
Kommunikation im Wandel
Dass derartig konzipierte Social Intranets nicht in den modernen Arbeitsalltag passen, hat viele Gründe. So hat sich das Kommunikationsverhalten in den letzten Jahren, insbesondere in der Pandemie, stark verändert. Dasselbe gilt für den Intranet-Markt in den letzten Jahren: Cloud-native Plattformen ersetzen schrittweise die klischeehaft statischen, klobigen internen Portale. Michael Kleine-Beckel, Business Lead HR Solutions des HR-IT-Systemspezialisten T-CON, meint hierzu: „In meinen Augen ist die Kommunikation in den letzten Jahren vielfältiger geworden. Es wird immer wichtiger, alle Mitarbeiter dort abzuholen, wo sie stehen mit ihren völlig unterschiedlichen Infobedarfen. Ich erlebe das gerade intensiv in der Diskussion rund um Yammer: Für mich ist es nur noch ein Tool mehr, für andere das ideale Tool, um genau die Infos zu teilen, die eben nicht so formal wie in Confluence oder so abgeschottet wie in einer MS Teams-Gruppe verbreitet werden sollen. Grund dafür: Jeder möchte die Kaffeeküche und den Flurfunk ersetzen – und dort bleibt immer die Frage, was das richtige Medium dafür ist.“
Auch nach Ansicht von Mike Gotta hat in den letzten zwei Jahren das Interesse an einem strategischeren Ansatz für die Mitarbeiterkommunikation stark zugenommen. „Dies wurde zum Teil durch die Pandemie und die Dringlichkeit, die Mitarbeiter über Sicherheit, Fernarbeit und Geschäftsabläufe zu informieren, ausgelöst. Unsere Kundengespräche haben sich dahingehend ausgeweitet, dass die Bedeutung der internen Kommunikation für die Mitarbeitererfahrung und das Engagement der Belegschaft stärker betont wird.“ Er ergänzt: „In den letzten zwei Jahren haben wir gelernt, dass die Förderung eines Gefühls der Verbundenheit und des Gemeinschaftssinns sich positiv auf das Engagement der Mitarbeiter auswirkt. Es gibt enorme Synergieeffekte, wenn Unternehmen ihre interne Kommunikation und ihre Bemühungen um die Mitarbeitergemeinschaft miteinander verbinden.“
Verschiedene Nutzen
Laut Forrester sind Intranets heute Software-as-a-Service (SaaS)-Anwendungen. Entwickelt wurden sie für Kommunikatoren, Designer und Autoren, die für die Erstellung relevanter, maßgeschneiderter Informationen für Mitarbeiter in einer ortsunabhängigen Arbeitsumgebung verantwortlich sind. Die orchestrierte Bereitstellung von Inhalten und Kommunikation, die für bestimmte Rollen und Mitarbeiter personalisiert sind, ersetze jetzt zunehmend die allgemeine Unternehmens- oder Abteilungshomepage.
Info
Praxisbeispiel: Asklepios-Kliniken
Seit Anfang 2018 leitet Hilkka Zebothsen die interne Kommunikation der Asklepios-Kliniken-Gruppe, einem Träger von mehr als 160 Gesundheitseinrichtungen in ganz Deutschland mit etwa 49.000 Mitarbeitenden. Bis zu ihrem Einstieg ins Unternehmen stand für die digitale Mitarbeiterkommunikation abgesehen von Rundmails lediglich Microsofts Sharepoint und mehrere selbstgestrickte Lösungen für einzelne Standorte zur Verfügung. Aufgrund der hohen Nachfrage der MitarbeiterInnen nach einer professionelleren Kommunikationslösung wurde dann Ende 2019, kurz vor der Pandemie, ein neues System live geschaltet. Hilkka Zebothsen erinnert sich: „Viele unserer Kollegen und Kolleginnen identifizierten sich zwar stark mit ihrem eigenen Team, aber eine standortübergreifende Kommunikation und Identifikation war kaum vorhanden. Wir wollten unbedingt die Perspektive erweitern, die Kommunikation verbessern und das Zusammengehörigkeitsgefühl stärken.“ Die meisten ihrer Kollegen und Kolleginnen in der Pflege sind ständig unterwegs und fast nur für Dokumentationszwecke am PC. Deshalb sollte die neue Anwendung auch mobil über Smartphone zur Verfügung stehen.
Zebothsen war gemeinsam mit der damaligen Projektmanagerin Maike Gräf-Rohlfs federführend verantwortlich für die Auswahl und Umsetzung des neuen Social Intranets. Der Auswahlprozess dauerte knapp zwei Jahre. Dabei waren insbesondere die Themen Datenschutz, Datensicherheit und Mitbestimmung harte Nüsse, die es zu knacken galt.
Interne Jobbörse kommt in Kürze
Das Rennen machte die Lösung des Anbieters Haiilo, die bei Asklepios den Namen ASKME trägt. Die Anwendung biete, so Zebothsen, Seiten aller Einrichtungen, des Vorstands und Geschäftsführung, der Konzernbereiche sowie offene, geschlossene und private Gruppen für Austausch und kollaborative Zusammenarbeit. Gleichzeitig gibt es dazu News, Aktionen, Kampagnen, Gewinnspiele und die Möglichkeit, in weitere Anwendungen zu wechseln. Eine eigene interne Jobbörse solle in Kürze hinzukommen. Zudem steht seit Kurzem das bisher gedruckte Mitarbeitermagazin nur noch digital zur Verfügung.
Als die Plattform kurz vor Ausbruch der Pandemie online ging, entschloss man sich als ersten Content sämtliche Corona-Infos nur in ASKME zu veröffentlichen, was laut Zebothsen rasch die Akzeptanz des Systems förderte. Eine private Nutzung des Tools ist sogar erwünscht. Ein Vorteil gegenüber privaten Netzwerken dieser Art: Kommentare werden nur mit Klarnamen veröffentlicht.
Die Kommunikationsabteilung hatte zwar die Federführung im Projekt, doch HR und IT waren von Anfang an eingebunden. Monatlich findet ein Jour Fix mit der Personalabteilung, im wöchentlichen Rhythmus mit der IT Abteilung statt. Der Personalabteilung steht in ASKME ein eigener Kanal zur Verfügung, den HR mit eigenen Angeboten und Themen bespielt. In einem Teilbereich stellen sie aktuelle Projekte vor. „Einige unserer Häuser weisen in ihren Stellenanzeigen auf das Intranet hin. Auch Bewerber fragen hin und wieder nach der Verfügbarkeit solcher Tools“, ergänzt Hilkka Zebothsen. Gegenwärtig sind mehr als 23.000 Beschäftigte online, ständig kämen neue hinzu. Heavy User teilten ihr Wissen sowie Beiträge anderer.
Anwendungen für die Mitarbeiterkommunikation werden, so Gartner, in erster Linie von Unternehmen genutzt, um über Geschäftsaktivitäten, kulturelle Themen, betriebliche Anforderungen und berufliche Prioritäten zu informieren. Informationen und Nachrichten sollen gezielt kommuniziert und Unternehmenswissen gemanagt werden. Auswertungen zum – anonymisierten – Nutzerverhalten sollen dabei unterstützen, die Nutzungsstruktur des Intranet zu messen und für alle Beteiligten zu optimieren.
Wann und für welche Zwecke der Einsatz eines Social Intranet letztlich wirklich Sinn macht, lässt sich nach Ansicht von Nils Britze, Bereichsleiter Digitale Geschäftsprozesse beim Digitalverband Bitkom, indessen nicht allgemein beantworten: „Das ist abhängig von den Zielen, die mit dem Einsatz eines Social Intranets verbunden sind. Sicherlich macht es für große Unternehmen Sinn, mittels eines Social Intranets gezielt und professionell intern kommunizieren zu können. Je stärker die Interaktion auf der Plattform erwünscht ist, desto mehr macht beispielsweise zudem die Einbindung von Instant-Messaging-Tools Sinn.“
Mangelnde Trennschärfe
Überhaupt wird es immer schwieriger, eine klare Grenze zwischen reinen Kommunikations- und Kollaborations-Werkzeugen zu ziehen. Alleine die Begrifflichkeiten sind so wenig eindeutig wie standardisiert. Während beispielsweise Forrester seine Lösungen als Intranet Plattformen bezeichnet, heißen sie bei Gartner Mitarbeiterkommunikations-Anwendungen (ECA, Employee Communication Applications). Andere nennen sie Employee Experience Intranets oder einfach nur Social Intranets. Die meisten der heute marktgängigen Anwendungen sind keine reinen Kommunikationslösungen, sondern eher Portale, an die unterschiedliche Apps und Kollaborationstools angedockt werden – oder sie sind als Bestandteil in letztere eingebunden.
Zwar bleiben die Aufgaben und Ziele des traditionellen Intranets bestehen, sie erfordern aber nach Ansicht von Forrester ein neues Denken. Das Intranet müsse nicht aus einer einzigen Anwendung, einem einzigen Ort oder einem einzigen Ziel bestehen. Informationen, Dokumente, Anwendungen und Unternehmenswissen können auf unterschiedliche Weise bereitgestellt werden, so die Analysten. Unterschiedliche Informationstypen können unterschiedliche Tonarten oder Geschwindigkeiten bei der Bereitstellung erfordern. Die Aufgabe der Personaler: sie beauftragen Experten, die beispielsweise ihre Kollegen in der internen Kommunikation bei der Einführung neuer Ansätze anleiten.
Info
Arbeitgeberpflichten beim Social Intranet
Was Sie rechtlich bei der Verwendung von internen Kommunikationsplattformen beachten müssen erklärt Karsten Kujath, Fachanwalt für Arbeitsrecht von der Wirtschaftskanzlei GvW Graf von Westphalen.
Betriebsrat
Der Betriebsrat verfügt hier über Beteiligungsrechte. Ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht besteht, soweit es um Verhaltenspflichten der Beschäftigten bei der Nutzung des Social Intranets geht. Mitbestimmen kann der Betriebsrat auch deshalb, weil der Arbeitgeber eine technische Einrichtung anwendet, mit der das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer überwacht werden kann.
Datenschutz
Werden beim Einsatz eines Social Intranets personenbezogene Mitarbeiterdaten verarbeitet, ist das ohne gesonderte Einwilligung der Beschäftigten grundsätzlich nur zulässig, wenn sie der Begründung, Durchführung oder Beendigung des Arbeitsverhältnisses dient. Ist das Social Intranet ausschließlich eine Plattform zum Austausch der Arbeitskollegen über private, nichtdienstliche Angelegenheiten, ist die Teilnahme daran freiwillig.
Fürsorgepflicht
Stellt der Arbeitgeber fest, dass sich Mitarbeiter im Social Intranet gegenseitig mobben, ist er im Rahmen seiner Fürsorgepflicht zum Einschreiten verpflichtet.
Tipps
- Rechtzeitige Abstimmung mit dem Betriebsrat
- Sicherstellung des Datenschutzes
- Beachtung des Fürsorgepflicht
Ulli Pesch ist freier Journalist und schreibt regelmäßig über das Thema HR-Software in der Personalwirtschaft.