In der Debatte um Arbeitszeit, Demografie und die wirtschaftliche Zukunft unseres Landes kocht seit einiger Zeit das Thema Teilzeitarbeit hoch. Tatsächlich hat derzeit fast ein Drittel aller Beschäftigten in Deutschland – 30,9 Prozent – keine volle Stelle, sondern arbeitet als Teilzeitkraft, während gleichzeitig laut der Bundesagentur für Arbeit auf dem Arbeitsmarkt mehr als eine halbe Million qualifizierte Fachkräfte mit Berufsausbildung fehlen.
Besonders im Arbeitgeberlager wird eine Erhöhung der Arbeitszeit auf vielfältige Weise erörtert: Der Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, hat eine Anhebung der Arbeitszeit um zwei Wochenstunden ins Spiel gebracht. Der spätere Eintritt in die Rente ist ein anderer Dauerbrenner. Der Grund für Hüthers Rechnung ist klar: „Am Ende dieses Jahrzehnts fehlen uns 4,2 Milliarden Arbeitsstunden pro Jahr.“ Dass Beschäftigte, die aktuell eben keinen Vollzeitjob haben, durch eine Anhebung ihres Stundenkontigents einen Beitrag leisten könnten, um diese Lücke zu füllen, liegt auf der Hand.
Warum so viele Menschen einen Teilzeitjob haben und was sie dazu bewegen könnte, mehr Zeit zu arbeiten, haben das KOFA Kompetenzzentrum für Fachkräftesicherung und die Plattform meinestadt.de nun gemeinsam unter die Lupe genommen und unter dem Titel „Teilzeit ist ein Teil der Lösung“ publiziert. Für die Online-Befragung hat das Marktforschungsinstitut Bilendi 3.052 Fachkräfte mit Berufsausbildung, darunter 770 Teilzeitkräfte und 2.282 Vollzeitkräfte, branchenübergreifend befragt. Die Befragung fand im Juni 2024 statt.
Gründe für Teilzeitarbeit
Teilzeit ist noch immer eine weibliche Domäne: 81 Prozent der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Teilzeitkräfte in Deutschland sind Frauen, nur 19 Prozent sind Männer. Der Hauptgrund dafür ist die ungleiche Verteilung von Care-Arbeit – sowohl Kinderbetreuung als auch Pflege von älteren Familienmitgliedern ist in aller Regel in der Hand von Müttern beziehungsweise Töchtern. In der Befragung gaben 38,4 Prozent der Frauen an, dass Kindererziehung der Grund für den Teilzeitjob ist und bei 4,4 Prozent die Pflege von Angehörigen. Ein knappes Viertel der Frauen (23,9 Prozent) wollten durch die Teilzeit ihre Lebensqualität erhöhen beziehungsweise mehr Zeit für andere Interessen haben.
Männer, die ihre Arbeitszeit reduzieren, tun dies dagegen in erster Linie, um mehr Zeit für andere Interessen oder Projekte zu haben (31,2 Prozent) oder um Krankheit, Unfallfolgen oder eine Behinderung dadurch aufzufangen (22,1 Prozent). Kindererziehung und Pflegetätigkeiten waren dagegen nur für 6,5 beziehungsweise 3,9 Prozent der Männer Grund für reduzierte Arbeitszeit.
Was Frauen zu Vollzeittätigkeit bewegen kann
Einmal Teilzeit, immer Teilzeit – das muss nicht sein. Laut der Umfrage können sich mehr als die Hälfte der aktuell reduziert arbeitenden Mütter vorstellen, Vollzeit zu arbeiten, wenn die Kinder größer sind. Mehr Homeoffice würde eine höhere Arbeitszeit für vier von zehn Frauen vorstellbar machen. Auch flexible Arbeitszeiten und mehr Unterstützung des Arbeitgebers bei der Kinderbetreuung würde immerhin noch jede dritte beziehungsweise vierte Mutter dazu bringen, eine volle Stelle in Erwägung zu ziehen. Der Ratschlag der Studienautoren ist deswegen klar: „Arbeitgeber sollten Gestaltungsspielräume bei Arbeitsbeginn und -ende nutzen, um Eltern eine Vollzeittätigkeit zu ermöglichen und das Arbeitspotenzial innerhalb der Belegschaft zu erhöhen. Da die Kinderbetreuung nur einen Abschnitt des Berufslebens betrifft und keine dauerhafte Teilzeit notwendig macht, lohnt es sich für Unternehmen umso mehr, attraktive Bedingungen für eine Vollzeittätigkeit zu schaffen und Teilzeitkräfte somit ans Unternehmen zu binden.“
Mit Homeoffice und flexibleren Arbeitszeiten könnten Unternehmen große Potenziale heben, heißt es in der Studie von KOFA und meinestadt.de: Unter jenen, die mit (mehr) Homeoffice und flexiblen Arbeitszeiten auf Vollzeit aufstocken würden, arbeiteten fast ein Drittel bisher nur bis zu 20 Stunden pro Woche. „Diese Teilzeitkräfte für Vollzeit zu gewinnen, würde einen besonders spürbaren Effekt auf die Personallage im Unternehmen haben.“
Die Anziehungskraft flexibler Arbeitszeiten bestätigen auch andere Untersuchungen. So hat die Bertelsmann Stiftung kürzlich in der Studie „Teilzeit verliert, Zeitsouveränität gewinnt: Beschäftigte wollen flexible Arbeitszeiten” festgestellt, dass rund 50 Prozent der Frauen – egal ob mit oder ohne Kind im Haushalt – Arbeitsplätze favorisieren, die ihnen Flexibilität bei der Stundenzahl bieten. Auch flexible Arbeitszeiten mit variabler Lage der täglichen Arbeitszeit werden demnach präferiert. Weniger als 30 Prozent von 2.500 Befragten bevorzugten eine Stelle mit festen Arbeitszeiten.
Mehr Lebensqualität
Während Mütter vor allem wegen familiärer Aufgaben mit reduzierter Stundenzahl arbeiten, sind insbesondere für Männer mehr Lebensqualität und anderweitige Interessen treibende Gründe laut der Studie. Auch in dieser Gruppe, so besagt die KOFA/meinestadt.de-Studie, seien Homeoffice und flexible Arbeitszeiten für jeden Befragten die wichtigsten Bedingungen für das Aufstocken der Arbeitszeit. Weitere Teilzeitler ziehen dies nur in Betracht, wenn die Arbeit weniger stressig und belastend wäre. Etwa jeder zehnte Befragte könnte sich eine Vollzeitstelle vorstellen, wenn es mehr Gestaltungsmöglichkeiten im Beruf gäbe. Die Studienautoren raten deshalb Arbeitgebern folgendes: „Da die Mehrheit an Fachkräften, die für mehr Lebensqualität und Freizeit in Teilzeit arbeitet, unter den genannten Voraussetzungen auf Vollzeit aufstocken würde, sollten Arbeitgeber stärker auf zeitliche und örtliche Flexibilität sowie auf eine ausgewogene Arbeitsbelastung setzen.“ So würden Arbeitgeber zudem für Fachkräfte mit längeren Arbeitswegen attraktiver, so die Studienautoren.
Was tun im Schichtbetrieb?
Homeoffice und flexible Arbeitszeiten funktionieren vor allem für Schreibtischjobs. Was aber können Arbeitgeber tun, um auch im Schichtbetrieb Teilzeitkräfte zum Aufstocken der Arbeitszeit zu bewegen? Tatsächlich ist dies eine relevante Gruppe, denn grundsätzlich sind Schichtarbeitende durchaus bereit, mehr zu arbeiten, wie die Studie zeigt. Demnach sind nur 6,6 Prozent der Schichtdienstleistenden mit Kindern und 23,1 Prozent der Schichtdienstleistenden, die für mehr Lebensqualität in Teilzeit arbeiten, unter keinen Bedingungen bereit, in Vollzeit zu arbeiten. „Der hohen Bereitschaft von Schichtdienstleistenden sollten Unternehmen mit passender Unterstützung begegnen“, heißt es deswegen. Änderungen der Arbeitsbedingungen sei in vielen Fachkraft-Berufen eine Herausforderung. Doch sogar für Schichtarbeit könnten Unternehmen kreative Lösungen wie Elternschichten, Miteinbindung in die Schichtplanung und teamorganisiertes Tauschen von Diensten finden.
Das ist auch ein Beitrag für den internen Betriebsfrieden, schreiben die KOFA- und meinestadt.de-Expertinnen, denn „indem über alle Arbeitsbereiche hinweg gleich berechtigte Chancen auf Flexibilisierungen geschaffen werden, lassen sich Spannungen innerhalb der Belegschaft vermeiden und die Attraktivität der Arbeitgeber erhöhen“.
Christina Petrick-Löhr betreut das Magazinressort Forschung & Lehre sowie die Berichterstattung zur Aus- und Weiterbildung. Zudem ist sie verantwortlich für die redaktionelle Planung verschiedener Sonderpublikationen der Personalwirtschaft sowie den Deutschen Personalwirtschaftspreis.