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Zeitverschwendung bei der Arbeit: Das sind die größten Stellschrauben

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In deutschen Unternehmen scheint noch Produktivitätspotenzial zu stecken. Beschäftigte in Deutschland verbringen mehr als 8 Stunden pro Arbeitswoche mit wenig produktiven Tätigkeiten. Das zeigt eine aktuelle Stepstone-Studie. Demnach sehen die meisten der rund 5.800 im September 2024 befragten Beschäftigten vor allem unnötige Meetings und redundante Aufgaben als wenig zielführend für ihre eigentlichen Aufgaben an (58 Prozent). Genauso viele sagen, dass komplexe Prozesse die eigene Arbeitsleistung beeinträchtigen.

Das hat Folgen: „Wenn Menschen ihre Arbeitszeit nicht sinnvoll einsetzen können, ist das eine Verschwendung kostbarer Zeit und wertvoller Ressourcen – gerade, wenn aufgrund des demografischen Wandels mehr Menschen aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden als nachrücken“, sagt Tobias Zimmermann, Arbeitsmarktexperte bei The Stepstone Group. Doch was braucht es in Unternehmen, um zeitverschwenderische Tätigkeiten bestmöglich zu vermeiden und die Leistung der Mitarbeitenden zu steigern?

Die von Stepstone befragten Beschäftigten sehen vor allem in einer klaren Kommunikation der Führungskraft einen Hebel (46 Prozent). 37 Prozent denken, einfachere Prozesse würden helfen, 30 Prozent sehen Schulungen und Entwicklungsmöglichkeiten als geeignete Hilfsmittel an. Gerade hier sollte HR hellhörig werden und dafür sorgen, dass entsprechende Schulungen und Weiterbildungen angeboten werden. Zudem zeigt die Studie: Meetings sollten bewusst gehalten und sich wiederholende Aufgaben vermieden werden.

Klare Kommunikation

„Jedes Problem ist ein Kommunikationsproblem – zumindest fühlt es sich so an“, sagt unter anderem die Mental-Health-Expertin Nora Dietrich und beschreibt damit die Wichtigkeit eines guten Austauschs im Unternehmen. Gerade Führungskräfte sollten klar, deutlich und transparent kommunizieren, heißt es von zahlreichen Unternehmensberatungen und HR-Professionals. Wie genau das gehen kann, beschreibt Führungskräfte-Coach Susanne Schwerdtfeger in ihrem Blog. Sie rät Führungskräften:

  • Kommuniziere nicht zwischen Tür und Angel.
  • Sprich die Sprache deiner Mitarbeitenden.
  • Sage nicht „man könnte xy machen“, sondern weise gezielt einem Mitarbeiter oder einer Mitarbeiterin eine Aufgabe zu.
  • Vermeide es, im Konjunktiv zu sprechen.
  • Mache eine klare zeitliche Angabe dafür, bis wann eine Aufgabe erledigt sein soll.
  • Halte dich an die 5-W-Formel: (1) Wer soll (2) was (3) bis wann (4) mit welchem Ziel (5) mit welchem wie gemessenen Ergebnis machen?

Eine großangelegte Untersuchung vom Büro Kaizen, einer Unternehmensberatung für Effizienzsteigerung, zeigte schon vor zehn Jahren zudem: Unklare Absprachen verursachen 8 Prozent der Arbeitsstunden, die durch eine mangelnde Organisation verschwendet werden. Kommunikationsprobleme gebe es demnach vor allem aufgrund von Problemen an Schnittstellen, fehlendem Wissen oder einer fehlenden Unternehmensstrategie. Auch hier hat HR mit der Organisation entsprechender Schulungen und Weiterbildungen einen Hebel, um die Beschäftigten – in diesem Fall Führungskräfte – zu unterstützen.

Unnötige Meetings

Eine Kommunikationsplattform innerhalb Unternehmen sind Meetings. Doch sie werden nicht immer zielführend eingesetzt. Studien von den Tool-Anbietern Slack und Fellow zeigen, dass Mitarbeitende über alle Branchen und Level hinweg zwischen 25 und 28 Prozent ihrer Arbeitszeit in Meetings verbringen. Laut der schon zitierten Studie des Kaizen Büros gilt dabei tendenziell: Je größer ein Unternehmen ist, desto mehr Meetings gibt es dort. Kein geringer Anteil. Das Traurige dabei: Nur 61 Prozent der in Meetings besprochenen To Dos wird im Nachgang wirklich umgesetzt. Die Studienverfasserinnen und -verfasser sehen hier Potenzial, um die Effizienz zu steigern. 8 Prozent der Meetingzeit könnten durch eine bessere Besprechungsorganisation eingespart werden. Wie kann das gelingen?

Der E-Commerce-Dienstleister Shopify hat vor etwas mehr als einem Jahr seine Meeting-Kultur neu aufgesetzt. Dafür hat Shopify alle wiederkehrenden Mitarbeiterbesprechungen von mehr als zwei Personen gecancelt und damit insgesamt rund 12.000 Kalendereinträge gelöscht. Stattdessen wurde ein Kostenrechner für Besprechungszeiten im Kalender der weltweit mehr als 11.000 Mitarbeitenden integriert. Wenn sie ein Meeting einstellen, sehen sie nun automatisch, wie viel Geld dies das Unternehmen kostet. Hier geht Shopify davon aus, dass sie für eine 30-minütige Konferenz zwischen 700 und 1.600 US-Dollar investieren müssen. Der Kostenrechner soll dabei helfen, „die Notwendigkeit von Meetings zu überdenken und kreativere Methoden für die Zusammenarbeit zu erkunden“, wird das Unternehmen bei ntv zitiert. Das Ergebnis: Letztendlich ergaben sich 322.000 Stunden, die Mitarbeitende plötzlich effektiver nutzen konnten.

New-Work-Expertin Swantje Allmers schlägt auf Linkedin vor, ein sogenanntes Meeting-Budget einzuführen. Je nach Rolle und Bereich könne eine Person nur eine bestimmte Anzahl an Meeting-Stunden von Kolleginnen und Kollegen beanspruchen. Das solle dafür sorgen, dass Mitarbeitende Besprechungen wirklich nur dann organisieren, wenn sie auch nötig sind. Führungskräfte-Beraterin Beate Freudig hat eine andere Idee und plädiert für ein Meeting-Audit. Dabei sollten sich Arbeitgeber unter anderem die Fragen stellen: Was ist der Zweck des Meetings? Gibt es Überschneidungen mit anderen Meetings? Wer muss an dem Meeting teilnehmen? Ist die Reihenfolge der Meetings sinnvoll?

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Um den Inhalt der Besprechungen sinnbringend zu gestalten, empfiehlt Leadership-Mentor Marco Pochmann, für jede Besprechung ein klares Ziel zu haben. Auch sollten Meetings für einen besseren Fokus und eine ausgeprägtere Aufmerksamkeit kurz und knackig gehalten werden, gut vorbereitet und zielführend moderiert sein.

Ganz abschaffen sollte man Meetings allerdings nicht. Denn sie dienen dem Informationsfluss, aber auch der Identifikation und Bindung an das Unternehmen. Das zumindest hat Professor Patrik Hall von der Universität Malmö herausgefunden. Meetings sind für Mitarbeitende eine Möglichkeit, um zu verstehen, wie die Organisation funktioniert und welche Rolle, wer im Unternehmen spielt. Laut Hall sind Meetings nicht nur dazu da, um gemeinsam Entscheidungen zu treffen, sondern auch, um eine Identifikation und Verbundenheit untereinander herzustellen. Sie ermöglichen es Beschäftigten, ihre Meinung zu sagen und gehört zu werden.

Automatisierung

Einige der von den Mitarbeitenden als redundant empfundenen Aufgaben können (perspektivisch) eine Künstliche Intelligenz und die Technologisierung übernehmen. „Unternehmen, die gezielt auf Automatisierung setzen, Beschäftigte entsprechend aus- und weiterbilden und damit bessere Jobs schaffen, werden nicht nur produktiver, sondern auch attraktiver als Arbeitgeber“, sagt Zimmermann von Stepstone. Der Digital Maturity Report 2023 gibt Aufschluss darüber, wie viel Zeit mit Automatisierung eingespart werden könnte. Angestellte verbringen im Durchschnitt 12 Stunden pro Woche mit repetitiven Aufgaben, acht Stunden davon könnten sie durch Automatisierung für andere Aufgaben zurückgewinnen.

Ablenkung

Doch durch die Digitalisierung ist auch die Wahrscheinlichkeit größer, dass Mitarbeitende, während sie einer Aufgabe nachgehen, ständig abgelenkt sind. Laut der Untersuchung von Kaizen Büro fällt 15 Prozent der Arbeitszeit auf Ablenkungen. Diese Ablenkungen – etwa in Form von einkommenden E-Mails, Chat-Nachrichten oder Social-Media-Notifications – sind meist auch Teil der Arbeit und können damit nicht als komplette Zeitverschwendung angesehen werden. Wohl aber sollten sich Mitarbeitende eine Strategie dafür überlegen, wie sie digital kommunizieren und trotzdem Phasen für Tiefenarbeit schaffen können. Auch sollten digitale Tools und Speicherorte übersichtlich sein. Denn: 13 Prozent der Arbeitszeit werden für die Suche von Dokumenten in digitaler oder Papierform aufgewendet.

Ohne eine Effizienzsteigerung geht die Vier-Tage-Woche nicht

Unproduktive Tätigkeiten zu streichen ist nicht nur aus wirtschaftlicher Perspektive und im Hinblick auf den Fachkräftemangel sinnvoll, sondern auch, um die vielerorts immer mehr gewünschte Arbeitszeitreduktion zu ermöglichen. Das hat unter anderem das jüngste Pilotprojekt der Vier-Tage-Woche in Deutschland gezeigt. Um dieselbe Arbeit in weniger Zeit zu vollbringen, haben die teilnehmenden Unternehmen bewusst Ablenkungen reduziert, Prozesse optimiert, die Anzahl der internen Besprechungen verringert und auf neue digitale Tools gesetzt.

Lena Onderka ist redaktionell verantwortlich für den Bereich Employee Experience & Retention – wozu zum Beispiel auch die Themen BGM und Mitarbeiterbefragung gehören. Auch Themen aus den Bereichen Recruiting, Employer Branding und Diversity betreut sie. Zudem ist sie redaktionelle Ansprechpartnerin für den Deutschen Human Resources Summit.