Der Fachkräftemangel macht vor keiner Branche halt, und besonders kleine und mittlere Unternehmen (KMU) suchen oft händeringend nach Nachwuchs. Doch während Lebensläufe gesichtet und Interviews geführt werden, bleibt eine wertvolle Zielgruppe häufig unberücksichtigt: junge Menschen mit Behinderung. Nicht etwa, weil sie kein Potenzial hätten – ganz im Gegenteil. Oft stehen Berührungsängste, Vorurteile oder schlicht fehlende Informationen im Weg. Der Weg zu mehr Inklusion in der Ausbildung beginnt mit einem einfachen Schritt: Offenheit. Fragen Sie sich nicht, ob es „kompliziert“ werden könnte, sondern welche Chancen sich bieten.
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Und ja, Inklusion ist nicht nur sozial, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll. Schließlich kann es sich niemand leisten, Talente ungenutzt zu lassen – schon gar nicht in Zeiten leerer Bewerberpools.
Unsicherheiten? Lassen Sie uns drüber reden!
Viele Unternehmen zögern, wenn es um Inklusion geht – aus nachvollziehbaren, aber oft unbegründeten Gründen. Die häufigsten Sorgen klingen so:
- „Wir haben keine Erfahrung mit Behinderungen.“ Kein Problem: Es gibt jede Menge Anlaufstellen, die Ihnen die ersten Schritte erleichtern. Eine erste Orientierung zu unterschiedlichen Behinderungsformen erhalten Sie in diesen Steckbriefen des KOFA.
(Überblick und Steckbriefe finden Sie hier) - „Barrierefreiheit ist bestimmt teuer.“ Das stimmt so nicht. Für viele Anpassungen gibt es finanzielle Förderungen.
- „Diese Bürokratie überfordert uns.“ Okay, das können wir nicht ganz entkräften. Manchmal sind die Wege etwas mühsam, wenn Fördermittel oder Unterstützungsmaßnahmen beantragt werden müssen. Aber auch dafür gibt es Beratung und Unterstützung, zum Beispiel durch die neu eingerichteten EAA, die Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber.
(Weitere Informationen dazu finden Sie hier) - „Was, wenn mein Team damit nicht klarkommt?“ Schulungen und offene Gespräche können Ängste nehmen und Vorurteile abbauen.
Kurz gesagt: Mit dem richtigen Wissen den passenden Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartnern und einem offenen Mindset lassen sich fast alle Hürden überwinden.
(Weitere Informationen zur Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen finden Sie hier)
So starten Sie mit Inklusion durch
- Wissen ist Macht – und Vernetzung der Turbo
Beginnen Sie damit, sich und Ihre Mitarbeitenden zu informieren und vernetzen Sie sich aktiv. Kooperationen mit Integrationsfachdiensten, Berufsbildungswerken oder Schulen mit Förderschwerpunkten, wie zum Beispiel körperliche und motorische Entwicklung, können Türen öffnen. Diese Einrichtungen unterstützen nicht nur bei der Vermittlung von Bewerbenden, sondern bieten auch Beratung und Schulungen für Unternehmen an. - Barrieren in der Kommunikation abbauen
Viele Jugendliche mit Behinderung wissen nicht, dass sie willkommen sind – und bewerben sich daher gar nicht. Manche sind zudem gewohnt, in vermeintlich „geschützten“ Umgebungen wie Förderschulen oder Berufsbildungswerken zu lernen und denken gar nicht zuerst an die freie Wirtschaft bei einer Ausbildung. Senden Sie daher gezielte Signale: In Stellenausschreibungen können Sie Inklusion ausdrücklich betonen. Offene Tage, Praktikumsangebote oder Schnuppertage schaffen zusätzlich Vertrauen und zeigen Ihr Engagement. - Förderungen aktiv nutzen
Es gibt zahlreiche finanzielle Hilfen und Beratungsmöglichkeiten, die Unternehmen oft unterschätzen. Von Zuschüssen für barrierefreie Arbeitsplätze über Unterstützung bei der Einarbeitung bis hin zu speziellen Programmen für inklusives Lernen – die Angebote sind da, Sie müssen sie nur nutzen. Eine Anlaufstelle sind beispielsweise die Agentur für Arbeit oder lokale Integrationsämter. Insbesondere, wenn sich Entscheiderinnen und Entscheider zum ersten Mal mit dem Thema beschäftigen, sind einheitliche Ansprechpartner für Arbeitgeber eine gute Wahl. - Ihr Team ins Boot holen
Die Integration von Menschen mit Behinderung gelingt am besten in einem Umfeld, das sich darauf einlässt. Schulen Sie Ihre Mitarbeitenden, räumen Sie Ängste oder Vorurteile aus dem Weg und betonen Sie die Stärken, die eine diverse Belegschaft mit sich bringt. Sie können auch versuchen Kolleginnen und Kollegen mit Behinderung im Team als Paten zu gewinnen. - Flexibel denken, flexibel handeln
Inklusion erfordert oft flexible Lösungen – und das ist ein Gewinn für alle. Ob es um angepasste Arbeitszeiten, zusätzliche Freiräume, etwa bei der Gestaltung der Pausen, um Medikamente einzunehmen, oder digitale Tools, etwa für die Arbeit im Homeoffice, geht: Wenn Sie Flexibilität als Teil Ihrer Unternehmenskultur fördern, schaffen Sie nicht nur für Menschen mit Behinderung, sondern für alle Mitarbeitenden bessere Bedingungen.
Wie Sie potenzielle Azubis mit Behinderung erreichen
- Kooperationen aufbauen
Viele Jugendliche mit Behinderung werden in Förderschulen, Berufsbildungswerken oder inklusiven Schulen beschult und später ausgebildet. Veranstaltungen wie Berufsorientierungstage oder Praktika bieten Jugendlichen die Chance, Ihren Betrieb kennenzulernen – und umgekehrt. - Offizielle Stellen einbinden
Integrationsfachdienste und die Bundesagentur für Arbeit verfügen über umfangreiche Netzwerke und Fachkenntnisse. Sie vermitteln nicht nur potenzielle Auszubildende, sondern bieten auch Beratung und Begleitung bei der Einstellung. Oft können diese Stellen passgenaue Vorschläge machen, die zu den Anforderungen Ihres Betriebs und den Fähigkeiten der Jugendlichen passen. - Online-Präsenz optimieren
Von einer barrierefreien Website bis zu Testimonials von Mitarbeitenden mit Behinderung – zeigen Sie online, dass Inklusion bei Ihnen nicht nur ein Lippenbekenntnis ist. - Netzwerke und Messen nutzen
Ob Jobmessen für Menschen mit Behinderung oder inklusionsspezifische Plattformen: Seien Sie dort präsent, wo Ihre Zielgruppe ist. Viele junge Menschen mit, aber auch ohne Behinderung werden von ihren Eltern beim Besuch von Azubimessen begleitet. Denken Sie diese als Zielgruppe mit. Verbände und Selbsthilfegruppen, wie beispielsweise die deutsche Rheuma-Liga, sind wertvolle Multiplikatoren, die Ihnen Zugang zu potenziellen Auszubildenden verschaffen können. Viele dieser Organisationen bieten Beratungen oder Veranstaltungen an, um Unternehmen und Jugendliche zusammenzubringen. - Partnerschaften mit lokalen Initiativen und Projekten
Lokale Inklusionsprojekte, die Jugendliche mit Behinderung fördern, sind ideale Partner. Durch eine Kooperation zeigen Sie Engagement vor Ort und erhalten zugleich Zugang zu jungen Menschen, die gezielt auf eine berufliche Zukunft vorbereitet werden.
(Eine Übersichtsgrafik zu Kontaktmöglichkeiten zu Menschen mit Behinderungen finden Sie hier)
Warum sich Inklusion lohnt
Inklusion ist kein Sprint, sondern ein Marathon – aber einer, der sich lohnt. Unternehmen profitieren von einer vielfältigen Belegschaft, einem besseren Betriebsklima und einer stärkeren Bindung zu ihren Mitarbeitenden. Und das Beste: Sie leisten einen Beitrag zu einer Gesellschaft, in der alle Talente die Chance bekommen, zu glänzen.
Info
Die Autorinnen der Kolumne “Wie Ausbildung gelingt” sind Expertinnen des KOFA Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln e.V.
Anna Schopen ist Senior Projektmanagerin mit Themenschwerpunkt Ausbildung.
Miriam Schöpp ist Referentin für Berufliche Bildung.