Künstliche Intelligenz (KI) ist seit einiger Zeit in aller Munde und wird vielfach als Lösung für verschiedene Probleme wie Zeit- und Personalmangel propagiert. Zieht KI nun auch verstärkt in die Weiterbildung ein? Eine aktuelle Studie beantwortet die Frage mit „Ja“. Für die Studie des digitalen Personalentwicklers Pinktum und des Fachmagazins eLearning Journal wurden 536 Unternehmen im DACH-Raum befragt, davon 80 Prozent aus Deutschland. Demnach sind fast drei Viertel (72 Prozent) der Unternehmen der Ansicht, dass der Einsatz von KI in den kommenden drei bis fünf Jahren der wichtigste Trend in der Personalentwicklung sein wird. Der zweitwichtigste Trend ist die Individualisierung des Lernens, die zwei Drittel (67 Prozent) der Befragten nennen. Es folgen adaptives Lernen mit 54 Prozent, Kompetenzentwicklung mit 52 Prozent und kollaboratives Lernen mit 49 Prozent.
Jedes sechste Unternehmen setzt KI in der Weiterbildung ein
Doch wie verbreitet sind KI-Tools in Weiterbildung und Personalentwicklung heute? Die Befragungsergebnisse zeigen, dass rund jedes sechste Unternehmen (17 Prozent) Künstliche Intelligenz in der Weiterbildung einsetzt. Ein weiteres Fünftel (21 Prozent) plant, KI-Tools in den kommenden zwölf bis 24 Monaten einzusetzen. Gut ein Viertel der Unternehmen (27 Prozent) gibt an, die Anschaffung von KI-Tools sei nicht geplant, und ein Drittel der Befragten (34 Prozent) sagt sogar, sich mit dem Thema noch gar nicht befasst zu haben.
Dass die Mehrheit dem Thema gegenüber bisher nicht offen ist, wirkt ein wenig widersprüchlich zu der Einschätzung, KI werde bald der wichtigste Weiterbildungstrend. Allerdings hatten sich vor vier Jahren noch zwei Drittel der Unternehmen nicht mit KI auseinandergesetzt und lediglich knapp drei Prozent nutzten sie bereits. Insofern hat sich bezüglich der Einstellung der Arbeitgeber schon einiges getan, und die Studie sieht einen klaren Wachstumstrend. ChatGPT, das das Thema KI in der Öffentlichkeit gepuscht hat, könnte die Entwicklung vorantreiben.
Entlastung der Mitarbeitenden von Routinetätigkeiten
Welche Gründe sprechen auf Seiten der Fürsprecher für den Einsatz von KI in Learning & Development? Hier hat die Entlastung der Mitarbeitenden von Routinetätigkeiten den größten Stellenwert; zwei Drittel der Befragten (67 Prozent) nannten diesen Aspekt. Kostenersparnisse durch (Teil-)Automatisierung von Prozessen stehen mit 54 Prozent an zweiter Stelle. 52 Prozent führen die effizientere Nutzung des Lernangebots an, und für 49 Prozent kann das Lernangebot mit KI effektiver gestaltet werden. Gesteigerte Produktivität und gesteigerte Motivation der Mitarbeitenden werden dagegen als Vorteile deutlich seltener genannt.
Es gibt allerdings auch Argumente, die gegen den Einsatz von KI-Tools sprechen. Hier spielen Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes der Lernenden und der Datensicherheit mit 63 Prozent der Angaben die größte Rolle. Häufig verfügen die Unternehmen aber auch noch nicht über das nötige Know-how, um KI-Tools zu implementieren und einzusetzen.
Darüber hinaus versprechen sich Unternehmen auch, mit KI dem wachsenden Weiterbildungsbedarf und -aufwand besser gerecht werden zu können, denn jeder zweite Personal- und Weiterbildungsverantwortliche (52 Prozent) erachtet es als notwendig, die Kompetenzen der Belegschaft weiter auszubauen. Zwei Drittel (67 Prozent) erwarten, dass der KI-Einsatz die Personalentwicklung von Routinetätigkeiten entlastet. Gut die Hälfte der Befragten (54 Prozent) gibt an, dadurch Kosten sparen zu wollen. Demnach wird an KI also die Erwartung geknüpft, den steigenden Aufwand in der Weiterbildung abzufedern.
KI-Einsatzgebiete: Content-Erstellung und Chatbots
Die Studie zeigt auch, in welchen Bereichen die Unternehmen KI bislang einsetzen. Am beliebtesten ist die Nutzung bei Übersetzungen und bei der Content-Erstellung. Knapp ein Drittel (30 Prozent) der Befragten gibt an, KI-Tools für (teil)automatisierte Übersetzungen von Lerninhalten zu verwenden. 29 Prozent greifen für die (teil)automatisierte Erstellung von Lerninhalten darauf zurück, und 26 Prozent setzen KI bei der Vertonung von Lerninhalten ein.
Neben der Content-Erstellung sind mit 26 Prozent Chatbots als FAQ- und Auskunftssysteme recht verbreitet. Alle anderen möglichen Anwendungsbereiche von KI-Tools liegen unter 20 Prozent. In der Automatisierung von Bildungsmanagementprozessen etwa spielt Künstliche Intelligenz nur eine geringe Rolle: Nur acht Prozent nutzen KI-Tools zur Automatisierung der Lernorganisationsplanung.
Was die Erfüllung der Erwartungen beim KI-Einsatz betrifft, so sind die Unternehmen gespalten: Mit 48 Prozent sagen die meisten, die Erwartungen wurden nur teilweise erfüllt. Ein Sechstel (16 Prozent) gibt an, sie wurden gar nicht erfüllt. 32 Prozent dagegen beurteilen sie als überwiegend erfüllt. Nur eine Minderheit von rund sechs Prozent gibt an, die Erwartungen seien übertroffen worden.
Auch wenn die Nutzung von KI aus Unternehmenssicht aktuell noch gering, die Bewertung der bisherigen Erfahrungen uneinheitlich und eher zurückhaltend ist und es Bedenken wegen der sensiblen Lernerdaten gibt, sehen die Studienmacher KI als Möglichkeit für Mitarbeitende, sich im Zusammenhang mit individualisiertem Lernen zielgenauer und schneller weiterzuentwickeln. Auch sehen sie sie als Antwort auf den Fachkräftemangel sowie als notwendige Unterstützung der Personalentwicklung. Damit soll die aufgeworfene Frage „Klaut uns ChatGPT demnächst den Job?“ offenbar beantwortet werden.
Ute Wolter ist freie Mitarbeiterin der Personalwirtschaft in Freiburg und verfasst regelmäßig News, Artikel und Interviews für die Webseite.