Frage an die HR-Werkstatt: Wie kann HR die Zukunft des Lernens mittels Virtual Reality (VR), Augmented Reality (AR), Mixed Reality (MR), KI, Spatial Computing und Virtual Worlds im Unternehmen gestalten?
Es antwortet: Alexander El-Meligi, Co-Gründer und Managing Partner der Technologie-Agentur Demodern
Die Anzahl der 3D-Lernplattformen steigt stetig an und somit wird das Lernen und Arbeiten in Zukunft (auch) im dreidimensionalen Raum stattfinden. Bekannte Plattformen sind beispielsweise Talespin, Engage, Arthur VR oder VirbBELA. Der Oberbegriff hierfür ist Spatial Computing. Dabei geht es um Computer-Systeme, die vorwiegend Spatial Aware sind – also die virtuelle Umgebung oder den realen Raum wahrnehmen und einbeziehen. Zudem können sie auch die Interaktion mit den Nutzerinnen und Nutzern im Kontext des Raums verstehen und dadurch Gesten beziehungsweise das Verhalten oder Eigenschaften der Nutzenden – wie beispielsweise die Position oder die Interaktion mit einem Gegenstand, einer Person oder einem Element – identifizieren. Spatial Computing umfasst somit sowohl VR-, AR- als auch MR-Anwendungen.
Was ist der Unterschied zwischen VR, AR und MR?
VR-Anwendungen sind voll immersive Applikationen, in denen Nutzerinnen und Nutzer in einer künstlichen Umgebung interagieren. Bei AR-Erfahrungen hingegen werden digitale Inhalte im realen Umfeld integriert (zum Beispiel ein virtuelles Produkt, das auf dem realen Tisch platziert wird). MR ist eine Kombination beider Ansätze und ermöglicht sowohl die Interaktion mit digitalen Inhalten im physischen realen Raum als auch voll immersive Experiences. Im Unternehmenskontext wird VR- und AR-Technologie vor allem in der Logistik, im Engineering oder auch für virtuelle Meetings oder Konferenzen genutzt. Inzwischen gibt es unzählige Spatial-Computing-Anwendungen in allen Bereichen von Kommunikation, Co-Präsenz, Fertigung, Spiele, Personalwesen, Medien, Sport bis hin zu Unterhaltung sowie Datenvisualisierung.
Virtual Worlds oder auch Corporate-Metaverse-Lösungen sind weitestgehend Multi-User-Anwendungen, in denen Nutzende als Avatare in Echtzeit in 3D-Umgebungen oder Welten miteinander interagieren. Das Zusammenkommen der Nutzenden kann verschiedene Ziele wie Co-Creation, Kollaboration, Shopping, Engineering & Design, Konferenzen, Meetings oder auch die Teilnahme an einem Event verfolgen. Und diese Anwendungen können sowohl auf dem Smartphone, Laptop oder auch auf einem VR-Headset stattfinden. Auch hier gibt es bereits zahlreiche Anwendungen wie zuletzt Microsoft Mesh, das die bekannte Microsoft-Teams-Anwendung mit einer virtuellen räumlichen Umgebung oder Erfahrung erweitert.
Hier kann man nun nicht mehr nur ein Meeting mit Video-Kacheln erleben, sondern mit allen Teilnehmenden in einer virtuellen Welt ein Meeting durchführen. Mittels VR-Headset sitzt man sich dann quasi direkt gegenüber und befindet sich in einem virtuellen Raum. Die von NVIDIA entwickelte Omniverse-Plattform ermöglicht beispielsweise die Virtualisierung von Fabrikanlagen (Digital Twins) inklusive deren Prozesse, so dass beispielsweise die Planung, das Monitoring oder auch das Training an Maschinen ortsunabhängig durchgeführt werden kann. So können Architektinnen und Architekten oder Ingenieurinnen und Ingenieure Maschinen oder Anlagen aus der Ferne warten, begehen oder auch steuern.
Keine HR-Strategie ohne die Integration immersiven Technologien
In den letzten Jahren hat die Wirtschaft bedingt durch die Corona Pandemie eine Beschleunigung der Digitalisierung erlebt. Viele Unternehmen und Menschen mussten sich sehr schnell an die neue Situation anpassen und die Beschäftigten Tools erlernen, welche die virtuelle Zusammenarbeit und Kommunikation ermöglichen. Google Classroom hat zum Beispiel während des Lockdowns seine User-Zahl auf 100 Millionen gesteigert. Und für Hochschulen war unter anderem Office 365 for Education eine der Standard-Tools. Die Nutzung von virtuellen Lernplattformen dient aber nicht ausschließlich dem Fernunterricht, sondern bietet auch ein inklusives Lernumfeld, indem es auch Menschen mit Behinderungen berücksichtigt.
Heute, nach der Pandemie, arbeiten wir weiterhin teilweise oder sogar komplett remote und virtuell und haben diese neue Form der Kollaboration und Kommunikation innerhalb kürzester Zeit erlernt. Neue Technologien wie AI sowie Automatisierung verändern rapide die Arbeitsplatz-Landschaft und fordern, dass Mitarbeitende kontinuierlich neue Fähigkeiten erlernen. Diese wechseln zudem heute öfter zwischen Projekten und Unternehmen, was bedeutet, dass es entscheidend ist, sich schnell neue Fähigkeiten und Skills anzueignen. Unternehmen und Teams, die auf Innovation und Wettbewerbsfähigkeit ausgerichtet sind, erkennen den Wert von Mitarbeitenden, die ständig neue Fähigkeiten und Kenntnisse erwerben. Das lebenslange Lernen unterstützt somit die Entwicklung einer agilen und innovativen Arbeitskultur. Die Integration von immersiven Technologien, wie Spatial Computing und Virtual Worlds, in die HR-Strategie sind daher in einer sich schnell verändernden Arbeitswelt und für das lebenslange Lernen nützlich.
Adaptives Lernen im Zeitalter von Spatial Computing und KI
Adaptives und personalisiertes Lernen sind Methoden, bei denen sich das Tempo, der Inhalt und auch das Feedback des Lernens an die Leistung und Bedürfnisse der Lernenden anpassen und somit effektiv sind. Eine Umfrage von E-Learning Industry ergab, dass 85 Prozent der Schülerinnen und Schüler der Meinung waren, dass adaptive Lerntechnologien ihnen geholfen haben, effektiver zu lernen, indem sie personalisierte Inhalte und ein individuelles Lerntempo bieten. Außerdem können Institutionen durch den Einsatz effektiverer Lernmethoden Kosten sparen. Ein Bericht der Strategieberatung Tyton Partners deutet darauf hin, dass Institutionen, die adaptive Lerntechnologien verwenden, die Kosten pro Lernenden um bis zu 40 Prozent senken können.
Bislang konnten entsprechend stark personalisierte und multimodale Lerninhalte nur begrenzt und kostspielig hergestellt und angeboten werden. Durch den Einsatz von KI werden wir hier nun große Fortschritte sehen, die adaptives Lernen mit personalisierten multimodalen Inhalten skalierbar möglich machen. Durch KI können Daten über das Verhalten, die Leistung und sogar Emotionen des Lernenden in Echtzeit analysiert und ein von diesem präferiertes Lernszenario in jeglicher Modalität generiert werden. Das ist auch der Grund, warum dem Adaptive Learning Markt ein großes Wachstum zugesprochen wird. Von 2,51 Milliarden in 2021 wird laut dem Marktforschungsinsitut Sperical Insights eine durchschnittliche jährliche Wachstumsrate von 22,6 Prozent auf 8,63 Milliarden in 2030 erwartet.
Kombiniert man nun adaptives Lernen mittels KI mit einer VR-Erfahrung durch realitätsnahe Simulationen und einer gamifizierten oder motivierenden User-Erfahrung, so wird dies nicht nur das Lerntempo sondern auch die Qualität des Lernens und der Wissenserhaltung steigern. Das ist naheliegend, da man sich sehr gut vorstellen kann, dass kontextuelle Simulationen eine hohen Lerneffekt haben. Das ist natürlich der Grund, warum beispielsweise Pilotinnen und Piloten schon seit langer Zeit in Simulatoren trainieren. Steigert man die Wirkung der Simulation nun durch eine VR-Erfahrung mittels Headset, so wird der Effekt der virtuellen Präsenz signifikant gesteigert. Laut einer Studie von PwC haben Mitarbeitende, die VR-Trainings durchlaufen, im Durchschnitt eine viermal höhere Lerngeschwindigkeit und eine 1,5-mal höhere Lernkonzentration im Vergleich zu traditionellen Schulungsmethoden.
HR als Treiber der Lern-Innovation
Die Aussichten und Entwicklungen durch KI, adaptives Lernen und Spatial Computing für die Arbeits- und Lernwelt von morgen sind spannend und vielversprechend. Die Vorteile und Chancen für Unternehmen und deren Mitarbeitende durch Effektivität, Kostenersparnisse, Inklusion, Reichweite, Karriere-Entwicklung et cetera liegen auf der Hand. HR ist klar der Treiber dieser Lern-Innovation und -transformation.
Info
Alexander El-Meligi (43) ist Co-Founder und Managing Partner von Demodern, einer Agentur für kreative Technologien mit 70 Expertinnen und Experten an den Standorten Köln und Hamburg.