Frage an die HR-Werkstatt: “Worauf sollten HR-Verantwortliche, Führungskräfte und Mitarbeitende achten, damit Supervision volle Wirkung entfaltet?“
Es antwortet: Ulrike Führmann, Supervisorin und Coach (DGSv), Kommunikationsberaterin, Organisationsentwicklerin und Autorin
Unsere Zeit ist durch Anspannungen geprägt: Folgen der Pandemie, der Krieg in der Ukraine, Klimakrise oder die Sorge vor einer Rezession. Viele Führungskräfte und Mitarbeitende fühlen sich erschöpft oder sind dünnhäutiger geworden. Darunter leiden die Arbeitsqualität, die Stimmung und die Gesundheit.
Ein wichtiges Instrument der Personal- und Teamentwicklung kann Abhilfe schaffen: Supervision – und dies nicht nur in Krisenzeiten. Ursprünglich bekannt aus sozialwirtschaftlichen und pädagogischen Bereichen, gewinnt Supervision in der Wirtschaft immer mehr an Bedeutung. Zu Recht: Supervision stärkt die Handlungsfähigkeit von Fach- und Führungskräften.
Mit Supervision auf Schatzsuche
In der Supervision schafft eine Supervisorin oder ein Supervisor für Einzelpersonen, vor allem aber für Teams oder Gruppen einen strukturierten und wertschätzenden Rahmen, der psychologische Sicherheit bietet. So können die Teilnehmenden – die Supervisandinnen und Supervisanden – Fachthemen, Probleme oder auch Fehler reflektieren. Denk- und Handlungsmuster werden hinterfragt und dadurch neue Perspektiven gewonnen. Die Supervisandinnen und Supervisanden können Stärken und Ressourcen (wieder) entdecken und andere – entlastende oder nützlichere – Verhaltensweisen erarbeiten. Gleichzeitig stellt sich bei ihnen oft das Gefühl ein, selbstwirksam zu sein – ein wichtiger Baustein für die Gesunderhaltung.
Vier Voraussetzungen für eine wirkungsvolle Supervision
Supervision dient der Bewältigung des anspruchsvollen Arbeitsalltages. Damit sich der finanzielle und personelle Aufwand lohnt, sollten Fach- und Führungskräfte, unterstützt von HR-Verantwortlichen, auf vier Aspekte achten:
# 1 – Auswahl von Supervision
Supervision ist nützlich – andere Entwicklungsformate sind es auch. Für einen wirkungsvollen Einsatz sollte bekannt sein, was Supervision von anderen Formaten abgrenzt.
Ist Supervision gleich Coaching? Nein. Beide Begriffe werden in der Praxis oft synonym verwendet, wobei es Unterschiede gibt: Coaching ist zum Beispiel auf ein konkretes Entwicklungsziel ausgerichtet und damit auf eine bestimmte Anzahl von Sitzungen begrenzt. Supervision findet als Prozess mit unterschiedlichen Themen und Zielen kontinuierlich statt – zumeist einmal im Monat. So ist eine fortwährende Reflexion und Qualitätssicherung gewährleistet.
Ist Supervision gleich „Agile Coaching“? Nein. Supervision kann dabei unterstützen, die Arbeitsqualität und die Zusammenarbeit in agilen Kontexten zu stärken. Supervisorinnen und Supervisoren sind im Gegensatz zu „Agile Coaches“ jedoch nicht Mitglied des Unternehmens oder eines Teams, sondern bringen die Außenperspektive ein. Sie spiegeln blinde Flecken anders als „Agile Coaches“ mit ihrer Innensicht.
Ist Supervision gleich Teamentwicklung? Supervision ist, sofern sie im Team stattfindet, ein Bestandteil der Teamentwicklung. Sie unterscheidet sich von den „klassischen“, punktuell stattfindenden Teamworkshops jedoch durch das kontinuierliche und prozesshafte Vorgehen mit regelmäßig stattfindenden Sitzungen.
# 2 – Professionalität und Haltung der Supervisorin oder des Supervisors
Arbeiten in unserem komplexen, brüchigen und manchmal unbegreiflichen Arbeitsalltag ist anspruchsvoll. Deshalb braucht Supervision eine höchst professionelle Praxisausrichtung und eine wissenschaftliche Basis. Eine von einem anerkannten Fachverband zertifizierte Qualifizierung gewährleistet diese Ansprüche.
In einem unverbindlichen Vorgespräch sollten HR-Verantwortliche nicht nur nach der Qualifizierung, sondern auch nach Vorgehensweise, Fach- und Felderfahrung, ethischen Prinzipien und Haltung fragen. Zur Haltung von Supervisorinnen und Supervisoren gehört neben Aspekten wie Orientierung am Anliegen oder an Ressourcen auch Allparteilichkeit. Sie werden sich also auf „keine Seite schlagen“, sondern alle Perspektiven und Meinungen wertschätzen – unabhängig von zum Beispiel Hierarchiestufe, Profession, Alter oder Geschlecht.
# 3 – Auftragsklärung in der Triade
Bevor der Supervisionsprozess startet, findet ein Auftragsklärungsgespräch statt – am besten in einer Triade. Triade heißt, dass die Supervisorin oder der Supervisor den Auftrag gemeinsam mit der zu supervidierenden Person, dem Team oder der Gruppe und der auftraggebenden Partei im Einvernehmen klärt. Auftraggebende Partei kann zum Beispiel die direkte Führungskraft sein oder die Person, die das Budget zur Verfügung stellt. Sie bringt die übergreifende organisationale Perspektive mit Unternehmenszweck und -zielen ein.
Neben Freiwilligkeit, Rhythmus, Dauer oder Ort werden diese Aspekte in der Auftragsklärung angesprochen:
- Anliegen: Haben alle das gleiche Verständnis von Supervision? Supervision kann zum Beispiel keine „Menschen reparieren“ oder „auf Spur bringen“. Was sind gemeinsame Erwartungen zu Anliegen? Soll zum Beispiel ein Umgang gefunden werden, wie mit den Mehrbelastungen durch Krankheit und unbesetzten Stellen umgegangen werden kann? Denkbar ist auch, die immer häufiger auftretenden Spannungen im Team zu bearbeiten. Oder möchten sich die Teammitglieder mit Hilfe regelmäßiger Reflektion kontinuierlich zu einem Höchstleistungsteam entwickeln?
- Teilnahme der Führungskraft: Was für viele wie eine Selbstverständlichkeit klingt, sollte angesprochen werden: Gehört die Führungskraft zum Team und nimmt sie deswegen an der Supervision teil? Möglich ist zum Beispiel auch, dass die Führungskraft separat ein Einzelcoaching erhält, um ihre Führungsrolle zu stärken.
- Verschwiegenheit: Supervision braucht Vertrauen. Deswegen ist eine verbindliche Vereinbarung wichtig, was Supervisorinnen und Supervisoren und Supervisandinnen und Supervisanden aus der Supervision in das Unternehmen kommunizieren. Eine Regel lautet: Personenbezogene Informationen sind vertraulich, strukturelle Probleme können nach Absprache an die betreffenden Stellen weitergeleitet werden.
#4 – Prozessvorgehen und Verantwortung
Supervision bietet Hilfe zur Selbsthilfe und fördert die Selbstorganisation. Der Supervisor oder die Supervisorin sollte den Prozess deshalb so gestalten, dass die Teilnehmenden selbstverantwortlich ihre Problemstellungen reflektieren und eigenständig Lösungen entwickeln. Dabei werden die Perspektiven und die Erfahrungen aller gehört.
Somit sind auch die Verantwortlichkeiten klar: Der Supervisor oder die Supervisorin schafft einen strukturierten Prozessrahmen mit angemessenen (Reflexions-)Methoden. Die Teilnehmenden tragen die Verantwortungen für inhaltliche Entscheidungen und für Lösungen, die zu ihnen und ihrem Arbeitsalltag passen.
Mit Supervision mehr Leichtigkeit und Leistungsfähigkeit
Aufmerksam gestaltete Supervisionsprozesse sind wirkungsvoll: Sie greifen die Bedürfnisse der Mitarbeitenden auf. Diese können so andere oder neue Verhaltensweisen entwickeln – Arbeitsqualität, Kooperationsfähigkeit, Produktivität und auch Zufriedenheit immer im Blick. So können Sie Schritt für Schritt das Unternehmen in die Zukunft führen.
Autor
Ulrike Führmann arbeitet als Supervisorin und Coach (DGSv), Kommunikationsberaterin, systemische Organisationsentwicklerin und Autorin.
Kontakt: fuehrmann@interne-kommunikation.info