Arbeitnehmende in Deutschland bleiben durchschnittlich rund elf Jahre bei einem Unternehmen. Das geht aus einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IWD) hervor. Die Zahlen beziehen sich auf das Jahr 2019, wurden allerdings erst jetzt veröffentlicht. Als jährliche Befragung von rund 30.000 Personen angelegt, zeigt die Studie auf, dass sich die Dauer der Betriebszugehörigkeit – anders als erwartet – seit 25 Jahren kaum verändert hat.
Betriebszugehörigkeit variiert stark je nach Branche
Wie lange Mitarbeitende ihrer Firma die Treue halten, wird allerdings von verschiedenen Faktoren beeinflusst. Vor allem die jeweilige Branche spielt eine erhebliche Rolle. So bleiben Beschäftigte des Kredit- und Versicherungswesens durchschnittlich rund 18 Jahre lang bei einem Unternehmen. Mit mehr als 16 Jahren ist die Verweildauer in der öffentlichen Verwaltung und bei Sozialversicherungsunternehmen nicht viel geringer. Immer noch überdurchschnittlich hoch ist die Betriebszugehörigkeit im Bergbau und im verarbeitenden Gewerbe sowie in der Metall- und Elektroindustrie mit mehr als 12 Jahren. Am unteren Ende der Skala befindet sich das Gastgewerbe, in dem die Angestellten im Schnitt lediglich etwas mehr als fünf Jahre bei einem Unternehmen bleiben – nur halb so lange wie im Durchschnitt aller Branchen.
Je größer das Unternehmen, umso länger die Verweildauer
Neben der Branche wirkt sich auch die Unternehmensgröße auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit aus. Hier gilt: je größer die Firma, desto größer die Treue der Belegschaft. Bei Unternehmen mit mehr als 2.000 Beschäftigten erreicht die Verweildauer im Schnitt 13 Jahre. Bei einer Unternehmensgröße von 200 bis 1.999 Angestellten beträgt sie gut elf Jahre. In Betrieben mit 10 bis 199 Mitarbeitern schrumpft die Dauer der Zugehörigkeit schon auf unterdurchschnittliche etwas weniger als neun Jahre und bei Kleinstbetrieben mit maximal 19 Beschäftigten beträgt sie nur gut acht Jahre.
Akademiker und Beschäftigte ohne Abschluss bleiben am kürzesten
Zu den unternehmensbezogenen Aspekten kommt ein weiterer Einflussfaktor, der sich auf die Beschäftigten selbst bezieht: die Qualifikation. Ihrem Betrieb am längsten treu sind Fachschulabsolventen und Meister, also Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen mit mittlerer Qualifikation: Sie bleiben durchschnittlich mehr als 14 Jahre. Wer eine Lehre, Berufsfachschule oder Beamtenausbildung absolviert hat, verweilt mehr als 12 Jahre lang in einem Unternehmen. Mit einem Fachhochschulstudium liegt die Betriebszugehörigkeit noch etwas über dem Mittelwert bei knapp 12 Jahren, und mit einem Universitätsstudium verkürzt sie sich auf lediglich knapp neun Jahre.
Noch etwas weniger lange als neun Jahre bleiben Beschäftigte ohne Abschluss in einem Betrieb. Akademiker und Geringqualifizierte weisen damit die kürzeste Verweildauer in einer Firma auf – auf den ersten Blick ein überraschendes Ergebnis, das sich jedoch erklären lässt: Für Akademiker seien Stellen in der Wissenschaft häufig befristet, so die Studienverfasser vom IWD. Außerdem könnten Hochqualifizierte durch ihre längere Ausbildung weniger Berufsjahre vorweisen. Beschäftigte ohne Abschluss hingegen seien von Konjunkturschwankungen am meisten betroffen und müssten daher öfter wechseln.
Längere Betriebszugehörigkeit infolge der Corona-Krise erwartet
Bisher liegen die Daten für die Dauer der Betriebszugehörigkeit bis 2019 vor. Das Institut geht davon aus, dass sich die Firmentreue infolge der Corona-Krise vorerst eher erhöht, als zu sinken. Ein Grund dafür sei, dass Beschäftigte in Krisen loyaler seien als in wirtschaftlich guten Zeiten. Zudem sei das Kurzarbeitergeld darauf ausgelegt, Personal in den Unternehmen zu halten. Daneben nennt das IWD zwei rechnerische Faktoren: In der Krise werde weniger Personal eingestellt, wodurch sich der Durchschnittswert der Betriebszugehörigkeitsdauer verringere. Auch würden sich Unternehmen bei Entlassungen eher auf Angestellte konzentrieren, die noch nicht lange dabei seien.
Mit der Verweildauer von rund elf Jahren bei einem Unternehmen liegt Deutschland im europäischen Durchschnitt, wie ein Vergleich der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) von 2020 zeigt. Ebenfalls nah am europäischen Mittelwert rangierten Frankreich etwas mehr und Polen mit etwas weniger als elf Jahren. Insgesamt fällt die Betriebszugehörigkeit in den nordeuropäischen Staaten tendenziell kürzer aus, als in den südeuropäischen Ländern. In Dänemark verbringen die Beschäftigten lediglich knapp acht Jahre bei einem Arbeitgeber, während sie in Italien auf gut 13 Jahre kommen.
Ute Wolter ist freie Mitarbeiterin der Personalwirtschaft in Freiburg und verfasst regelmäßig News, Artikel und Interviews für die Webseite.