Der Bedarf an Altenpflegerinnen und Altenpflegern wird allein aufgrund des demographischen Wandels in Deutschland in Zukunft eher weiter steigen als sinken. Dabei ist der Pflegebereich – sowohl im Kranken- als auch im Altenpflegebereich schon heute von einem Fachkräfte– beziehungsweise Arbeitskräftemangel betroffen, wie Tim Goswin, Leiter der Pflegeheime St. Josef und Aegidius in Nordrhein-Westfalen sagt. „Derzeit bekommen wir deutlich weniger Bewerbungen mit meist veränderten Bewerberprofilen als noch vor ein paar Jahren“, sagt Tim Goswin.
Woran liegt das? Nicht zuletzt die Coronapandemie zeigte Missstände in der Kranken- und Altenpflege auf. Lange Arbeitszeiten und schlechte Bezahlung sind Dinge, die beispielsweise vom Altenpfleger Ricardo Lange, der während der Pandemie Bekanntheit erlangte, kritisiert wurden. Die wahrgenommene Attraktivität des Berufs beim potenziellen Nachwuchs sinkt sogar stetig weiter, was eine Umfrage des Trendence Instituts zu den beliebtesten Arbeitgebern unter Schülerinnen und Schülern widerspiegelt. 2021 konnten sich noch zehn Prozent der Schülerinnen und Schüler vorstellen, in dieser Branche zu arbeiten. Mittlerweile sind es noch sechs Prozent.
In keiner Branche seien die Löhne so stark gestiegen wie in der Pflege
Die Attraktivität zu steigern, ist aber schwierig. „Der einzige Hebel, den wir haben, ist die Verbesserung der Arbeitsbedingungen“, sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach im Mai in einem Interview. Die Löhne seien in den vergangenen Jahren so stark gestiegen wie in keinem anderen Bereich. „Das muss sich fortsetzen.“
Emely Schwab, Recruiterin der Caritas Konstanz, schildert einen weiteren Grund: „Ich glaube das Thema Employer Branding ist für die Pflege teilweise sehr schwer, weil man ja aus einem komplett anderen Wirtschaftszweig kommt“, sagt sie. „In Zukunft wird das Thema jedoch immer wichtiger werden, um die richtigen Fachkräfte zu gewinnen.“
Ohne gute Arbeitgebermarke wird es in Zukunft schwierig werden
Das muss sich ändern, findet Felix von Mickwitz. „Ich glaube, die Pflegeheime, die keine gute Arbeitgebermarke haben, werden in Zukunft erhebliche Probleme haben, das passende Personal zu finden“, sagt der Mitgründer und Leiter Operations bei Curawork, dazu. Curawork ist ein sogenanntes Blue-Collar-Netzwerk, das sich an Mitarbeitende im Pflegebereich wendet. Das Start-Up ist aus einer Seminararbeit einer seiner Mitgründer entstanden und ging Anfang 2022 mit einer ersten Version online. Die erste Funktion war es zunächst, Pflegekräften eine Plattform zu bieten, auf der sie sich über ihre Arbeit austauschen können und untereinander vernetzen.
Klassische Jobbörsen bleiben weiterhin wichtig
Mittlerweile können Pflegeheime- und -verbände auch Arbeitgeberprofile einrichten. Darüber können Pflegeeinrichtungen zum einen ihre Arbeitgebermarke nach außen tragen und zum anderen offene Stellen ausschreiben. Damit erreichen sie im Idealfall potenzielle zukünftige Mitarbeitende, die das Netzwerk für den Austausch unter Kolleginnen und Kollegen nutzen. „Netzwerke wie Curawork sind daher eine wertvolle Ergänzung zu klassischen Stellenbörsen, weil man hier direkt die richtige Zielgruppe erreicht“, sagt Emely Schwab, die mit dem Caritas Verband Konstanz seit Ende letzten Jahres auf Curawork vertreten ist. Klassische Stellenbörsen könnten sie aber natürlich nicht komplett ablösen. „Gerade, wenn man Quereinsteiger ansprechen möchte, werden diese in Zukunft immer noch eine wichtige Rolle spielen.“
Auch rät Felix von Minckwitz dazu, sich nicht auf einzelne Plattformen zu beschränken. Wichtig sei es stattdessen, sich über verschiedene Plattformenn als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren. „Dafür muss man auch nicht unbedingt viel Geld ausgeben“, sagt er. Zum Anfang reichten ein paar kurze Videos auf Instagram oder Tiktok, in denen der Arbeitsalltag authentisch vermittelt wird. „Die Authentizität ist sehr wichtig dabei“, sagt der Curawork-COO. „Denn wenn ein Bild vermittelt wird, dass am Ende nicht stimmt, ist niemandem geholfen.“
Am Ende müssen Arbeitgeber in der Pflege aber auch an den Arbeitsbedingungen arbeiten. Helfen könnten laut Pflegeheimleiter Goswin zum Beispiel eine flexiblere Arbeitszeitgestaltung und mehr Weiterbildungsmöglichkeiten. Und er wünscht sich ganz allgemein eine größere Wertschätzung für den Beruf: „Die Pflege nimmt eine wichtige Rolle in unserer Gesellschaft ein. Man sollte dieser Berufsgruppe eine nachhaltigere Wertschätzung entgegenbringen, anstatt nur punktuell, wenn es gerade im medialen Fokus steht.“
Frederic Haupt ist Volontär der Personalwirtschaft.