Der deutschen Wirtschaft geht es nicht gut. Dennoch haben viele Unternehmen Probleme, geeignetes neues Personal zu finden. Die Vakanzzeit offener Stellen beträgt laut Bundesagentur für Arbeit über alle Berufsbereiche hinweg 143 Tage – ein Plus von 24 Tagen gegenüber 2021. Die Dekra Akademie hat anhand von Stellenangeboten untersucht, in welchen Berufen und Tätigkeitsfeldern Arbeitgeber derzeit besonders viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter suchen. Die Analyse zeigt, dass nicht nur Fachkräfte begehrt sind, sondern auch Personal für einfache Tätigkeiten und angelernte Beschäftigte.
Für den Dekra-Arbeitsmarktreport 2023 wurden im Februar dieses Jahres 13.183 Stellenanzeigen in zwei Online-Jobbörsen und elf deutschen Tageszeitungen ausgewertet. 56,4 Prozent der Jobinserate wurden von den Arbeitgebern selbst geschaltet und immerhin ein Viertel (26,4 Prozent) von Zeitarbeitsfirmen, was darauf hindeuten könnte, dass einige Unternehmen aufgrund der unsicheren Zukunft eine abwartende Personalpolitik verfolgen. Weitere neun Prozent der Jobs wurden von Personalvermittlungen und 8,2 Prozent von der Arbeitsvermittlung inseriert.
Hoher Bedarf in Lager und Logistik
Der Tätigkeitsbereich Gesundheit und Pflege hat den höchsten Anteil der untersuchten Stellenanzeigen mit 8,9 Prozent, etwas mehr als im letzten Jahr (8,7 Prozent). Auf Platz zwei steht die Sachbearbeitung mit acht Prozent, ebenfalls eine leichte Erhöhung gegenüber 2022 (7,8 Prozent). Den dritten Rang nehmen erstmals Jobs im Bereich Lager und Logistik ein. Mit 7,9 Prozent wurden die Höchststände der letzten zwei Jahre noch einmal überschritten; 2022 waren es noch 7,1 Prozent.
Ebenfalls erhöht hat sich die Nachfrage in der Gesundheits-, Sozial- und Rechtsberatung, dort stieg der Anteil der Stellen von 4,3 Prozent im Vorjahr auf 6,8 Prozent. Es folgen IT-Berufe, bei denen sich der Bedarf von acht auf 6,6 Prozent verringert hat – so niedrig war die Nachfrage seit zehn Jahren nicht. 2021 war noch jede zehnte Stelle für IT-Fachkräfte ausgeschrieben. Auf dem sechsten Platz rangierten Ingenieure und Naturwissenschaftler, hier gab es einen Zuwachs von 5,6 Prozent in 2022 – der bisherige Tiefstand – auf jetzt 6,5 Prozent.
Am auffälligsten ist der Rückgang der Nachfrage in Verkaufsberatung und Vertrieb von 9,5 auf 6,4 Prozent. Dieser Tätigkeitsbereich hatte seit Erhebungsbeginn vor 15 Jahren immer den höchsten oder zweithöchsten Anteil der Stellenanzeigen. Auf Platz acht stehen Elektroberufe mit 4,7 Prozent, etwas weniger als im letzten Jahr (fünf Prozent), gefolgt von Metallberufen (Rückgang von fünf auf 4,5 Prozent) und dem Tätigkeitsbereich Maschinenbedienung (Zuwachs von 3,2 auf 3,7 Prozent).
Elektroniker und Krankenpfleger am stärksten gefragt
Das Ranking nach Berufen ergibt, dass Elektroniker/in (3,96 Prozent Anteil an Gesamtstellen) sowie Gesundheits- und Krankenpfleger/in (3,95 Prozent) die ersten zwei Plätze belegen. Am dritthäufigsten suchen die Unternehmen Produktionshilfen mit einem Anteil von 3,4 Prozent.
Neu ist der gestiegene Bedarf an Personal aus Sozialarbeit und -pädagogik (2,51 Prozent), das bisher nie in den Top Ten vertreten war; 2022 kam der Beruf erst auf Platz 20 in den Jobinseraten. Die Expertise dieser Berufsgruppe werde dringend benötigt, etwa für die Schulsozialarbeit oder zur Unterstützung der Integration von Geflüchteten, so der Report. Bereits das dritte Jahr auf Platz fünf stehen Stellenangebote für Fachkräfte aus Softwareentwicklung und Programmierung mit einem Anteil von 2,17 Prozent. Jobinserate für den Beruf Elektroingenieur/in kommen auf 2,12 Prozent und sind damit erstmals seit 2017 in die Top Ten zurückgekehrt.
Der Anstieg geht vor allem auf eine erhöhte Nachfrage in den Bereichen Elektrotechnik, Architektur und Bauingenieurwesen sowie Maschinen- und Fahrzeugbau zurück. Die Liste wird vervollständigt von den Berufen Staplerfahrer/in, Transportgeräteführer/in (1,93 Prozent), Verkäufer/in Einzelhandel (1,81 Prozent), Lagerarbeiter/in, Transportarbeiter/in (1,8 Prozent) und Kommissionierer/in (1,78 Prozent), wobei der letzte Beruf erstmals vertreten ist.
Erstmals taucht Vertriebspersonal nicht mehr in der Liste der zehn meistgesuchten Berufe auf, sondern erst auf dem elften Platz. Als mögliche Gründe dafür führt die Studie an, dass sich der Bereich aufgrund der verstärkten Hinwendung zu Online-Kanälen grundlegend verändert, eventuell seien Unternehmen aber angesichts der schlechten Konjunktur auch etwas zurückhaltender bei ihren Einstellungsplänen für den Vertrieb.
Trend hin zu weniger qualifiziertem Personal?
Ein markantes Ergebnis der Stellenauswertung ist, dass sich dieses gleich vier Tätigkeiten für angelernte Kräfte unter den meistgesuchten Berufen befinden; das gab es seit Erhebungsbeginn nicht. Insbesondere in Lagerlogistik und Produktion ist die Nachfrage nach entsprechendem Personal hoch.
Die Arbeitswelt befinde sich im Wandel, kommentiert Katrin Haupt, Geschäftsführerin der Dekra Akademie, die Entwicklung. Sie ist der Ansicht, dass Unternehmen umdenken und davon abweichen müssen, ausschließlich in Vollausbildungen zu denken, wenn sie nicht genügend Personal finden. Stattdessen sollten sie Mitarbeitende gezielt ihren individuellen Erfahrungen und Fähigkeiten gemäß einsetzen und bei Bedarf Schritt für Schritt weiterentwickeln.
Ute Wolter ist freie Mitarbeiterin der Personalwirtschaft in Freiburg und verfasst regelmäßig News, Artikel und Interviews für die Webseite.