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Müssen ausländische Arbeitskräfte unbedingt Deutsch können?

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Eine aktuelle Studie der Jobplattform Indeed zeigt, dass hierzulande Unternehmen bei der Forderung nach Deutschkenntnissen wenig flexibel sind. Während in Ländern wie den Niederlanden (7,8 Prozent), Spanien (5,8 Prozent) und Frankreich (4,1 Prozent) ein beachtlicher Anteil der Stellenanzeigen explizit darauf hinweist, dass eine Beherrschung der jeweiligen Landessprache nicht nötig ist, trifft dies in Deutschland nur auf 2,7 Prozent der Stellen zu.

Lediglich im Vereinigten Königreich und in Irland lagen die Werte mit 2,8 respektive 2,4 Prozent ebenfalls unter der Drei-Prozent-Marke. Der Vergleich hinkt allerdings, da in diesen Ländern Englisch gesprochen wird, das auch von vielen ausländischen Bewerberinnen und Bewerberinnen beherrscht wird.

Seit 2022 misst Indeed die Flexibilität der Unternehmen in Sachen Sprachkenntnisse. Anlass war der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, als innerhalb kürzester Zeit eine große Zahl flüchtender Menschen nach Europa kam. Insgesamt verzeichnete Deutschland zu Kriegsbeginn europaweit die größte Zahl an zuwandernden Menschen, von denen die meisten sich ihre Sprachkenntnisse erst erarbeiten mussten.

Indeed-Arbeitsmarktexpertin Lisa Feist sieht in der Fixierung auf Deutschkenntnisse einen Wettbewerbsnachteil für die hiesige Wirtschaft: „Eine größere Flexibilität in Bezug auf Sprachanforderungen könnte der deutschen Wirtschaft helfen, den Fachkräftemangel zu lindern und die Integration von Migrantinnen und Migranten zu erleichtern.“ Insbesondere hochqualifizierte MINT-Berufe wie Ingenieurwesen, Wissenschaft und Forschung könnten nach ihrer Einschätzung von einer Aufweichung der Sprachbarriere profitieren.

Sprachflexibilität vor allem im Niedriglohnsektor

Dabei gibt es bei der Forderung nach Deutschkenntnissen in Stellenanzeigen durchaus Unterschiede: Neun der zehn Berufsgruppen mit dem höchsten Anteil an „sprachflexiblen“ Anzeigen sind dem Niedriglohnsektor zuzuordnen. Insbesondere dort verzichten die Unternehmen häufig auf Deutschkenntnisse. So ist etwa in der Reinigungsbranche (14,5 Prozent) oder im Gastgewerbe (8,2 Prozent) die Anforderung an Sprachkenntnisse am geringsten.

Aber auch bei den qualifizierten Berufen gibt es Ausreißer. So verzichten die Unternehmen bei 3,7 Prozent der Stellenanzeigen für Softwareentwickler auf einen Hinweis auf entsprechende Deutschkenntnisse. Der Grund liegt auf der Hand: Da Englisch als Arbeitssprache in der IT-Branche weit verbreitet ist und es hier ebenfalls einen signifikanten Fachkräftemangel gibt, bietet dieser Sektor bessere Chancen für internationale Fachkräfte.

Zudem verfüge ein relativ großer Teil der Belegschaft über gute oder sehr gute Englischkenntnisse, sodass in dieser Branche davon ausgegangen werden kann, dass die Kommunikation auch auf Englisch gut funktioniert, heißt es in der Indeed-Studie.

Sprachfixierung ist nicht neu

Neu ist die deutsche Fixierung auf entsprechende Sprachkenntnisse nicht. Bereits 2022 stellte die Bertelsmann-Stiftung in ihrem „Jobmonitor“ nach einer Analyse von 48 Millionen Stellenanzeigen fest, dass für jede vierte Stelle explizit Deutschkenntnisse eingefordert wurden. 2018 war es nur jede Fünfte. Interessant: In diesem Fall sahen die Studienmacher dies allerdings eher als Verpflichtung denn als Hindernis für Bewerbende.

„In Zeiten des Fachkräftemangels ist das gleichzeitig eine große Chance für Zugewanderte. Besitzen sie die benötigten Fachkompetenzen und sprechen zusätzlich die deutsche Sprache, steht ihnen ein Drittel mehr Arbeitsplätze offen“, erklärte damals Martin Noack, Bildungs- und Arbeitsmarktexperte der Bertelsmann-Stiftung. Eine ähnliche Position nimmt das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) ein: Die nach wie vor höhere Erwerbslosigkeit von Zuwanderern gehe zumindest „zu bedeutenden Teilen auf ihr geringeres Sprachniveau“ zurück, heißt es seitens des IW. Der Spracherwerb sei somit der Schlüssel zur erfolgreichen Integration in den deutschen Arbeitsmarkt.

Mit Englischkenntnissen allein jedenfalls scheint „aus Sicht der Arbeitgeber eine Integration ins Team oder die detaillierte Besprechung von Kundenwünschen nicht immer zu gelingen“, heißt es in der Bertelsmann-Studie. Tatsächlich sei im Vergleich zwischen 2018 und 2021 die Nachfrage nach Englischkenntnissen um zwölf Prozent zurückgegangen.

Offenheit als Schlüssel zur Zukunftssicherung

Doch wie sollten Unternehmen ihre Stellenanzeigen denn nun formulieren, um qualifizierte ausländische Bewerbende ohne Sprachkenntnisse nicht abzuschrecken? Indeed-Arbeitsmarktexpertin Lisa Feist empfiehlt international agierenden Unternehmen, ihre Stellenangebote gezielt für nicht-deutschsprachige Bewerberinnen und Bewerber zu öffnen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Das könne deutschen Unternehmen helfen, den Fachkräftemangel effektiver zu bekämpfen und langfristig international konkurrenzfähig zu bleiben. Unternehmen, die Sprachflexibilität zeigten, hätten zudem oft kulturell vielseitigere Teams hätten und würden so von mehr Perspektiven profitieren.

Wer in Stellenanzeigen den Zusatz „Deutschkenntnisse nicht erforderlich” verwende, richte sich indes eher an bereits im Land befindliche nicht-deutschsprachige Menschen, während das für Stellenanzeigen im Hochlohnsegment nicht unbedingt der Fall sein müsse. „Dort richtet sich der Fokus eher auf das Recruiting internationaler Fachkräfte, die sich noch nicht notwendigerweise in Deutschland aufhalten“, erklärt Lisa Feist.

Wenn kommunizieren, dann aber richtig

Eines scheint bei der Forderung nach Deutschkenntnissen in Stellenanzeigen indes ebenfalls wichtig zu sein: Konsequenz. Wer zunächst verheimlicht, dass für eine ausgeschriebene Stelle entsprechende Sprachkenntnisse vonnöten sind, fällt spätestens beim Bewerbungsgespräch auf die Nase, glaubt Wolfgang Krüger, der sich als Berater mit der Rekrutierung von ausländischen Fachkräften befasst: „Was glaubst Du, was macht das mit internationalen Ingenieurinnen und Ingenieuren, wenn die später erfahren, dass für diese Stelle C1 Deutsch erforderlich ist, obwohl alles auf Englisch gehalten wurde und nirgends ,Sie sprechen Deutsch auf C1-Niveau´ geschrieben wurde?“ schreibt Krüger auf Linkedin.  

Sein Appell an Unternehmen und deren Personalerinnen und Personaler: „Deutsch C1 zu fordern, ist vollkommen legitim. Es gibt in manchen Fällen eben klare Argumente dafür. Doch dann kommuniziert das auch so!“

Sven Frost betreut das Thema HR-Tech, zu dem unter anderem die Bereiche Digitalisierung, HR-Software, Zeit und Zutritt, SAP und Outsourcing gehören. Zudem schreibt er über Arbeitsrecht und Regulatorik und verantwortet die redaktionelle Planung verschiedener Sonderpublikationen der Personalwirtschaft.