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Stellenanzeigen: Bewerbende kritisieren überzogene Erwartungen

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Weil Arbeitgeber in Stellenanzeigen unrealistische und unnötige Anforderungen aufführen, verprellen sie potenzielle Kandidatinnen und Kandidaten. Das ist die naheliegende Deutung einer aktuellen Umfrage der Jobbörse Indeed. Dennoch halten 33 Prozent der deutschen Jobsuchenden die Anforderungen in Stellenanzeigen für überzogen. Die Folge: Sie bewerben sich gar nicht erst, obwohl sie eigentlich ausreichende Kompetenzen besitzen.

Parallel dazu kämpfen Unternehmen mit wachsenden Recruiting-Herausforderungen: 58 Prozent geben laut der Umfrage an, dass die Personalsuche heute anspruchsvoller ist als noch vor drei Jahren.

Kompetenz statt Abschluss: Ein Umdenken beginnt

Um dem Mangel an passenden Bewerbenden entgegenzuwirken, setzen laut Indeed immer mehr Unternehmen auf ein kompetenzbasiertes Recruiting. Laut der Umfrage haben bereits 53 Prozent der deutschen Unternehmen diesen Ansatz etabliert, weitere 23 Prozent planen dies in naher Zukunft.


„Traditionelle Auswahlkriterien wie Abschlüsse und Berufsjahre sind nicht immer aussagekräftig“, sagt Ute Neher, Recruiting-Expertin bei Indeed. „Werden Kompetenzen in den Mittelpunkt gestellt, können Unternehmen ihren Talentpool erweitern und mehr geeignete Fachkräfte finden.“

Das zeigt sich auch an den veränderten Prioritäten der Arbeitgeber. Während früher ein Hochschulabschluss als zentrales Kriterium galt, legen heute 72 Prozent der Unternehmen mehr Wert auf nachweisbare praktische Erfahrungen. Gleichzeitig geben 49 Prozent an, dass Soft Skills wie Teamfähigkeit und Kommunikationsstärke mittlerweile eine entscheidende Rolle spielen.

Unternehmen berichten von positiven Effekten

Besonders auffällig: Unternehmen, die bereits auf kompetenzbasiertes Recruiting umgestellt haben, berichten von positiven Effekten. 61 Prozent geben an, dass sie seither qualifiziertere Bewerbungen erhalten, während 48 Prozent die Diversität in ihrem Unternehmen verbessern konnten. Gleichzeitig zeigen die Daten, dass Unternehmen mit kompetenzbasierten Auswahlverfahren die Time-to-Hire – also die Zeit bis zur Einstellung – im Durchschnitt um 17 Prozent verkürzt haben.

„Es ist ermutigend zu sehen, dass immer mehr deutsche Unternehmen die Vorteile des kompetenzbasierten Recruitings erkennen“, sagt Recruiting-Expertin Neher. „Allerdings ist es wichtig, dass Unternehmen diesen Ansatz nicht nur auf dem Papier einführen, sondern auch in der Praxis leben. Dazu gehört es, Stellenbeschreibungen anzupassen, die Kompetenzen von Kandidaten unabhängig von Abschlüssen zu bewerten und die Personalabteilung entsprechend zu schulen.“

Empfehlungen

Laut der Indeed-Umfrage sollten Unternehmen ihre Recruiting-Prozesse grundlegend überdenken. Die Studienmacher empfehlen unter anderem:

  • Stellenanzeigen überarbeiten: Weniger formale Anforderungen, mehr Fokus auf tatsächliche Fähigkeiten.
  • Bewerbungsverfahren anpassen: Kompetenztests und strukturierte Interviews statt reiner CV-Bewertung.
  • Mitarbeitende weiterqualifizieren: Statt neue Fachkräfte zu suchen, setzen 45 Prozent der Arbeitgeber verstärkt auf interne Weiterbildung, um Kompetenzlücken zu schließen.
  • Recruitingprozesse flexibler gestalten: 39 Prozent der Unternehmen, die bereits auf kompetenzbasiertes Recruiting setzen, haben die Anforderungen an formale Abschlüsse reduziert oder abgeschafft.
  • Diversität fördern: Unternehmen, die Kompetenz über Abschlüsse stellen, haben laut der Studie eine höhere Chance, diverse Teams aufzubauen, was sich positiv auf die Innovationskraft auswirkt.
  • Gehaltstransparenz erhöhen: 44 Prozent der Jobsuchenden wünschen sich klarere Gehaltsangaben in Stellenausschreibungen, um besser abschätzen zu können, ob sich eine Bewerbung lohnt.
  • Schnellere Rückmeldungen: 35 Prozent der Unternehmen berichten, dass ein kompetenzbasiertes Bewerbungsverfahren die Kommunikation mit Bewerbenden erleichtert und die Rückmeldungen schneller erfolgen.

Info

Sven Frost betreut das Thema HR-Tech, zu dem unter anderem die Bereiche Digitalisierung, HR-Software, Zeit und Zutritt, SAP und Outsourcing gehören. Zudem schreibt er über Arbeitsrecht und Regulatorik und verantwortet die redaktionelle Planung verschiedener Sonderpublikationen der Personalwirtschaft.