Der Fachkräftemangel wird sich im kommenden Jahr verschärfen – davon sind Personalverantwortliche branchenübergreifend überzeugt. Sie bereiten sich laut einer Befragung der Forsa und der Talent Acquisition Plattform onlyfy (Teil der New Work SE) darauf vor, 2023 verstärkt Probleme zu dabei haben, neue Beschäftigte zu gewinnen. An der Umfrage nahmen in Deutschland 500 Personalverantwortliche aus Unternehmen ab 50 Beschäftigten teil. Sie wurden auch nach Lösungen für das Recruiting-Problem befragt.
Retention Management – was Beschäftigte im Unternehmen hält
Um in Zeiten des Fachkräftemangels genügend Mitarbeitende zu haben, setzen die meisten Personalverantwortlichen ihren Fokus auf die Mitarbeiterbindung und auf Aktionen, um diese zu verbessern (65 Prozent). Die Hälfte (53 Prozent) der Personalentscheider und -entscheiderinnen wünscht sich daher mehr Zeit für das Retention Management.
Auf die Frage, was Beschäftigte dazu bewegt, dauerhaft zu bleiben, nannten die meisten HR-Verantwortlichen die Arbeitsatmosphäre und Unternehmenskultur als entscheidende Gründe. Ebenfalls stark ausschlaggebend sind die Job-Zufriedenheit (80 Prozent) sowie die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben (71 Prozent). Die Höhe des Gehalts rangiert als Faktor weiter hinten und ist für 54 Prozent eines der Hauptargumente, dem Arbeitgeber treu zu bleiben. Bei der Gewinnung neuer Mitarbeitender sieht es jedoch anders aus: Hier steht nach Aussage von 75 Prozent der Befragten das Gehalt an erster Stelle, dicht gefolgt von Arbeitsaufgaben und beruflichen Perspektiven (73 Prozent) und der Jobzufriedenheit (70 Prozent).
Deshalb verwundert es nicht, dass ein Großteil von HR (63 Prozent) auch versucht, mittels Weiterbildung und Coaching der Beschäftigten, die Auswirkungen des Fachkräftemangels auf das eigene Unternehmen zu verringern. 54 Prozent sagen, dass vor allem auch Führungskräfte weiterentwickelt werden sollen.
Active Sourcing, Talent Pooling und Employer Branding werden wichtiger
Gegen den Fachkräftemangel versuchen Personalerinnen und Personaler auch mittels Active Sourcing, Talent Pooling und einem verbesserten Employer Branding anzukommen. Fast zwei Drittel (64 Prozent) der Befragten sind der Meinung, dass Active Sourcing beim Recruiting stärker in den Mittelpunkt rücken sollte. Von den HR-Verantwortlichen in Unternehmen ab 250 Beschäftigten gehen sogar rund drei Viertel (74 Prozent) davon aus. 60 Prozent versprechen sich bessere Chancen durch das frühzeitige Identifizieren von Kandidaten und Kandidatinnen, auch Talent Pooling genannt, um diese später bei Bedarf anzusprechen. Fast jeder zweite Befragte (49 Prozent) denkt, dass 2023 Employer-Branding-Aktionen wichtiger werden.
Problem: Häufige Absagen schon während des Bewerbungsprozesses Auch von einer Vereinfachung des Bewerbungsprozesses versprechen sich einige HR-Verantwortliche Erfolg. So würden 56 Prozent der Personalleiter und -leiterinnen (in Firmen ab 250 Beschäftigten 72 Prozent) gern den Bewerbungsprozess vereinfachen und beschleunigen, etwa durch Bewerbungen per WhatsApp oder über andere Social-Media-Kanäle.
Ein als zu aufwändig empfundener Bewerbungsprozess gehört nach Erfahrung der Personalverantwortlichen auch zu den Gründen, weshalb Bewerber und Bewerberinnen vorzeitig absagen – neben besseren Jobangeboten anderer Unternehmen oder fehlender Flexibilität des Arbeitgebers beispielsweise hinsichtlich Homeoffice– oder anderen Arbeitsmodellen. Tatsächlich haben neun von zehn Befragten (90 Prozent) dieses Jahr erlebt, dass Kandidaten und Kandidatinnen während des laufenden Bewerbungsprozesses abgesagt haben. 37 Prozent geben an, dies sei gelegentlich vorgekommen und jeder Vierte (24 Prozent) berichtet sogar, dass Bewerber und Bewerberinnen häufig bis sehr häufig abgesprungen seien.
Personalverantwortliche verwenden zu viel Zeit für Administration
Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht förderlich, dass die HR-Verantwortlichen immer noch viel Zeit für Verwaltungsaufgaben aufwenden und häufig überlastet sind. Ein Großteil ihrer zeitlichen Ressourcen entfällt laut Befragung auf administrative Tätigkeiten wie Gehaltsabrechnungen (61 Prozent) und das Organisieren und Koordinieren von Recruiting-Prozessen (67 Prozent). Überdies geht jeder zweite Personalverantwortliche davon aus, dass die Administration und Koordination von Bewerbungsprozessen nächstes Jahr als Aufgabe noch wichtiger werden wird. Frank Hassler, Vorstandsmitglied der New Work SE und verantwortlich für die Geschäftsfelder Recruiting und Employer Branding, rät deshalb Unternehmen dazu, hier intelligente Lösungen zu finden, um HR-Führungskräfte zu entlasten.
Ute Wolter ist freie Mitarbeiterin der Personalwirtschaft in Freiburg und verfasst regelmäßig News, Artikel und Interviews für die Webseite.