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Wie kann KI ethisch im Recruiting eingesetzt werden?

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Frage an die HR-Werkstatt: Wie kann KI ethisch im Recruiting eingesetzt werden?
Es antwortet:  Ayse Semiz-Ewald, Leiterin Diversity Management der Deutschen Telekom AG

Bewerberinnen und Bewerber mit einem ausländisch klingenden Namen müssen rund 40 Prozent mehr Bewerbungen verschicken. Das geht aus einer Studie von Doris Weichselbaumer aus dem Jahr 2016 hervor. Eigentlich sollte die Herkunft, das Geschlecht oder das Alter einer Person bei einer Bewerbung keine Rolle spielen und doch tun sie das leider viel zu häufig. Durch den Einsatz von KI im Recruiting versprechen sich Unternehmen, dass sie genau diese Vorurteile besser in den Griff bekommen und der Bewerbungsprozess zukünftig fairer abläuft. Schließlich wird der Künstlichen Intelligenz eine gewisse Neutralität nachgesagt. Dabei handelt auch sie vorurteilsbehaftet. Warum ist auch die KI biased und wie kann HR damit umgehen?

Die zunehmende Rolle von KI im Recruiting

Künstliche Intelligenz hat in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Durch ChatGPT ist wahrscheinlich kaum jemand am Thema vorbeigekommen. Die meisten Unternehmen nutzen mittlerweile Algorithmen und ähnliche Technologien – auch im Personalwesen. Besonders jüngere Personalverantwortliche setzen vermehrt auf KI, um etwa den Auswahlprozess zu vereinfachen und zu optimieren. KI-basierte Recruiting-Tools werden beispielsweise häufig eingesetzt, um eine Vorauswahl zu treffen oder Führungskräfte bei Interviews mit passenden Fragen zu unterstützen. Laut einer Studie von Personio aus dem Jahr 2023 nutzen drei von vier Personalverantwortlichen im Alter von 18 bis 34 Jahren KI-Technologien.

Hauptgründe für den Einsatz von KI im Recruiting sind unter anderem die Reduzierung von Kosten, die Steigerung der Effizienz und eine bessere Nutzererfahrung. Ein weiterer bedeutender Aspekt ist die Hoffnung, dass KI objektivere Entscheidungen treffen kann als Menschen, die oft (unbewusste) Vorurteile haben. Oftmals denken Menschen, wenn auch unbewusst, in Schubladen und treffen dadurch ungerechte Entscheidungen. Diese Entscheidungen können Karrieren und den allgemeinen Arbeitsmarkt negativ beeinflussen. Besonders in Zeiten des Fachkräftemangels sollten Personalverantwortliche Interesse daran haben, alle Potenziale des Arbeitsmarktes zu nutzen.

(Un)concisous Bias allgegenwärtig bei Mensch und Maschine?

Vorurteile und Stereotype sind tief in unserer menschlichen Natur verwurzelt. Sie beeinflussen unsere Entscheidungen oftmals, ohne dass wir uns dessen bewusst sind. Unser Gehirn neigt dazu, Informationen in vereinfachte Denkmuster zu verpacken, um die Flut an täglichen Reizen zu bewältigen.

Im Gegensatz dazu kann KI ohne Probleme große Datenmengen verarbeiten und dabei jede Information gleichwertig berücksichtigen. Das macht sie auf den ersten Blick ideal für die Bearbeitung von Bewerbungen. Doch die KI ist nur so vorurteilsfrei wie die Daten, mit denen sie gespeist wird.

Risiken von KI im Recruiting

KI lernt aus vorhandenen Daten, indem sie Muster erkennt und darauf basierend Entscheidungen trifft. Das Problem dabei: Diese Daten sind oft schon von vergangenen Entscheidungen und damit auch menschlichen Vorurteilen geprägt. Selbst wenn die KI den Namen oder die Herkunft eines Bewerbers oder einer Bewerberin ignoriert, könnte sie dennoch bestimmte Gruppen bevorzugen, wenn sie gelernt hat, dass diese in der Vergangenheit häufiger eingestellt wurden.

Eine Studie der UC Berkeley School of Information bestätigt, dass KI-gestützte Rekrutierungstools oft Bewerbende bevorzugen, die traditionelle Bildungs- und Karrierewege sowie Positionen bei großen Unternehmen vorweisen. Dies kann bestehende Ungleichheiten verstärken und dem Ziel einer vielfältigen und inklusiven Arbeitsumgebung entgegenwirken.

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Wie kann KI ethisch im Recruiting eingesetzt werden?

Um KI-Systeme im Rekrutierungsprozess fair und divers zu gestalten, sollten Unternehmen verschiedene Maßnahmen ergreifen. Zunächst ist es wichtig, die Trainingsdaten für die KI-Systeme vielfältig und repräsentativ zu gestalten. Das bedeutet im Detail, dass die Daten alle Dimensionen der Diversität und unterschiedlichste Bildungswege umfassen sollten, um unbewusste Vorurteile zu minimieren. Beispielsweise könnte ein Unternehmen darauf achten, dass die Datenbank nicht nur Lebensläufe aus einer bestimmten Branche oder Region enthält, sondern eine breite Palette an Erfahrungen und Hintergründen repräsentiert.

Entscheidungen, die von KI-Systemen getroffen werden, sollten regelmäßig von menschlichen Fachleuten überprüft werden. Diese Überprüfung stellt schließlich sicher, dass die KI keine diskriminierenden Muster reproduziert und die Entscheidungen fair und gerecht sind. Ein interdisziplinäres Team aus Personalverantwortlichen und Fachleuten für Datenwissenschaft und Ethik könnte beispielsweise regelmäßig Audits durchführen, um sicherzustellen, dass die KI-Entscheidungen den Unternehmensrichtlinien und ethischen Standards entsprechen.

Darüber hinaus sollten die Algorithmen so gestaltet sein, dass ihre Entscheidungsprozesse für Personalverantwortliche nachvollziehbar und transparent sind. Dies ermöglicht es den Verantwortlichen, die Gründe für bestimmte Entscheidungen nachzuvollziehen und gegebenenfalls einzugreifen, wenn die Entscheidung vorurteilsbehaftet ist. Helfen könnten hierbei Tools, welche die Entscheidungswege der KI visualisieren und detaillierte Berichte erstellen, die die Basis für jede Entscheidung erklären.

Zudem können Feedback-Mechanismen implementiert werden, durch die Jobsuchende Rückmeldungen zu ihrem Bewerbungsprozess geben können. Das kann Unternehmen dabei helfen, mögliche Unstimmigkeiten oder Vorurteile im System frühzeitig zu erkennen und zu beheben. Unternehmen könnten dafür beispielsweise anonyme Umfragen oder direkte Rückmeldungen von abgelehnten Bewerberinnen und Bewerbern nutzen. Sie können so kontinuierlich Verbesserungsmöglichkeiten identifizieren und die Fairness des Rekrutierungsprozesses gewährleisten.

Doch all diese Maßnahmen sind nur sinnvoll, wenn bei den HR-Mitarbeitenden ein gewisses Bewusstsein für KI-Systeme, deren Arbeitsweisen und die daraus resultierenden Risiken geschaffen wird. Deshalb ist es für Arbeitgeber auch unverzichtbar, Personalverantwortliche dazu zu schulen. Diese Schulungen können Workshops, Online-Kurse oder regelmäßige Sensibilisierungssitzungen umfassen. Doch wie auch immer vorgegangen wird: Ziel ist es, die Verantwortlichen in die Lage zu versetzen, die Systeme kritisch zu hinterfragen und ihre Nutzung besser zu steuern. Ihnen muss die Gefahr für Vorurteile bewusst sein, sie müssen KI-Entscheidungen interpretieren können und aus Best Practices im Umgang mit KI-Systemen lernen.

KI im Recruiting: Hilft, aber entscheidet nicht

Künstliche Intelligenz revolutioniert das Recruiting und bringt immense Vorteile. Das Ziel ist es, Entscheidungen so objektiv und fair wie möglich zu treffen. KI unterstützt dabei, macht den Prozess effizienter und präziser, sollte aber als Werkzeug dienen, und nicht final die Entscheidungen treffen.

KI kann große Datenmengen blitzschnell durchkämmen, unbewusste Vorurteile ausräumen und Bewerbungen fair bewerten. Sie übernimmt die Vorselektion anhand objektiver Kriterien wie Qualifikationen und Erfahrungen, was Zeit und Ressourcen spart. Personaler und Personalerinnen sollten sich aber darüber bewusst sein, dass KI im Recruiting immer nur so gut ist, wie die Datensätze, die ihr zugrunde liegen. Ein kritischer Blick auf die Vorauswahl ist also unerlässlich.

Endgültige Entscheidungen sollten immer von Menschen getroffen werden. Menschliche Empathie, Intuition und Urteilsvermögen sind entscheidend, um die individuellen Fähigkeiten und Persönlichkeiten der Bewerbenden richtig einzuschätzen. So handhaben wir es auch bei der Deutschen Telekom und haben es in einem KI-Manifest mit den Sozialpartnern vereinbart.

Eine harmonische Zusammenarbeit zwischen Menschen und Maschine ist das Ziel. KI ist ein wertvolles Hilfsmittel für bessere, informierte Entscheidungen. Aber die Verantwortung und die letzte Entscheidungsbefugnis bleiben bei den Menschen. So bleibt der Recruiting-Prozess sowohl effizient als auch menschlich – eine ideale Symbiose aus Technik und Menschlichkeit.

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