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Ohne Zwang keine Gehaltstransparenz

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Jedes Jahr im Sommer werden die Gehälter der DAX-Vorstände veröffentlicht. Diese Gehaltstransparenz wünschen sich viele Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen überall. Im allgemeinen Diskurs werden dabei meist Privatunternehmen in die Mangel genommen, während öffentliche Einrichtungen meist außen vor bleiben. Denn dass dort offen über Vergütung gesprochen wird, wird als Selbstverständlichkeit angesehen. Dabei ist das nicht der Fall. Tatsächlich legen viele öffentliche Einrichtungen ihre Vorstandsvergütung nicht offen. Das hat die Zeppelin Universität in Friedrichshafen im Rahmen der Public Pay Studie herausgefunden.

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Offenlegung ist nicht selbstverständlich

Studienleiter Ulf Papenfuß spricht von einem starken „Gefälle bei der Transparenzkultur“. In manchen Kommunen, so Papenfuß, würden die Gehälter aller Vorstände offengelegt. Allerdings veröffentlichen manche Kommunen weiterhin gar keine Daten zu Chefgehältern. Das scheint auf den ersten Blick verwunderlich. Bestehen doch seit 2009 die „Grundsätze guter Unternehmens- und Beteiligungsführung im Bereich des Bundes“, vergleichbare Regelungen gibt es auch auf Landesebene. Vorgesehen ist darin eine Transparenz der Vergütung der Mitglieder der Geschäftsführung. Auf den zweiten Blick wird aber klar: Es handelt sich hierbei lediglich um eine Selbstverpflichtung der Unternehmen, der viele nicht nachkommen. In den meisten Bundesländern, wie Hamburg und Rheinland-Pfalz, gibt es daher gesetzliche Regelungen zur Offenlegung. Allerdings gibt es nicht in allen Ländern diese Transparenzgesetze, so beispielsweise nicht in Bayern. Und auch bestehende Gemeindeordnungen werden oft nicht effektiv durchgesetzt. Kommunen und Städte können beispielsweise einen Public Corporate Governance Kodex (PCGK) beschließen. Dieser enthält Empfehlungen zur Angemessenheit der Top-Managementvergütung bei Unternehmen des Landes oder den Kommunen.

Wirkungsvoll ist das jedoch in vielen Fällen nicht: Bei Unternehmen, die sowohl einem Transparenzgesetz als auch der Selbstregulierung durch einen PCGK unterliegen, veröffentlichen nur gut die Hälfte personenbezogene Top-Managementvergütung, so die Forscher und Forscherinnen der Zeppelin Universität. Knapp 49 Prozent folgen existierenden Regelwerken nicht. Freiwillige Offenlegungen gibt es selten. Am transparentesten sind laut den Studienergebnissen Berlin, Bremen und Hamburg. Am wenigstens transparent erwiesen sich hingegen Kommunen in Sachsen-Anhalt und Brandenburg.

Sparkassenvorstände sind Spitzenverdiener

Die offengelegten Gehälter haben die Studienverfasserinnen und -verfasser verglichen. Dabei kam heraus: Die Spitzenverdiener unter den Vorständen kommunaler Unternehmen sind die Geschäftsführer der Sparkassen und das schon seit Jahren.

390.000 Euro bekommt der durchschnittliche Sparkassenvorsitzende im Jahr. Wobei die Chefs großer Geldhäuser deutlich mehr verdienen als die der kleinen. Am besten bezahlt wird der Vorstandsvorsitzende der Kreissparkasse Köln, Alexander Wüerst, der insgesamt rund 970.000 Euro erhielt. Aber auch der Chef der Sparkasse Köln/Bonn, Ulrich Voigt, bekam 834.000 Euro. Die niedrigsten Gehälter gibt es für die Geschäftsführer von sozialen Einrichtungen, wie Pflegeheime, die im Schnitt 110.000 Euro bekamen. Hier zeigt sich: Die Vergütung der Geschäftsführer unterscheidet sich von Branche zu Branche drastisch. Bei Sparkassen ist die Vergütung mit 1,6 Prozent deutlich stärker gestiegen als beispielsweise in der Branche Stadtwerke, Energie- & Wasserversorgung.

Mehr Transparenz stärkt das Vertrauen in Unternehmen

In Mecklenburg-Vorpommern haben sich die Sparkassen lange geweigert, ihre Vorstandsvergütung offenzulegen. Durch ein entsprechendes Gesetz des Bundeslandes vom Februar dieses Jahres müssen sie dies nun aber tun. Die Hinwirkungspflicht der Landkreise als Träger der Sparkassen habe nicht ausgereicht, um die Transparenz zu steigern, sagte der Finanzminister des Landes, Heiko Geue (SPD), zur Gesetzesänderung.

Seiner Aussage nach hätten die Sparkassen aus Angst vor möglichen Neiddebatten bis dahin auf die Offenlegung verzichtet. Eine Personalwirtschaft Recherche aus dem Februar zu Titelstrecke des Printmagazins ergab, dass viele Unternehmen, die sich gegen Gehaltstransparenz aussprechen, damit argumentieren, dass die Veröffentlichung von möglichen Gehaltsunterschieden Unsicherheiten innerhalb der Belegschaft oder zu Demotivation einzelner Mitarbeitender führen könnte.

Gerade bei öffentlichen Unternehmen geht es aber darum, mit Gehaltstransparenz Vertrauen in demokratische Strukturen zu schaffen, erklärt Papenfuß von der Zeppelin Universität. „Die Transparenz und Rechenschaft öffentlicher Unternehmen ist ein zentraler Faktor für nachhaltige Daseinsvorsorge und Vertrauen in den Staat“, heißt es in der Studie.

Gehaltstransparenz braucht es auch in der Privatwirtschaft

Transparenz ist aber nicht nur für öffentliche Unternehmen wichtig. Denn Verschwiegenheit und Tabuisierung von Gehaltsthemen betreffen die Privatwirtschaft genauso. Eine Untersuchung von Personio zeigt, dass sich Mitarbeitende von kleinen und mittelständischen Unternehmen mehr Transparenz innerhalb ihrer Firmen wünschen.

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Die Hälfte der befragten Mitarbeitenden gaben an, mehr Transparenz zu gehaltsunabhängigen Boni und Ausgleichszahlungen würde ihr Bild vom Unternehmen verbessern. Außerdem glauben 85 Prozent der Mitarbeitenden, dass Transparenz bei Gehalt und Boni sich positiv auf das gesamte Unternehmen auswirken würde. „Wachstum ist ein wichtiger Motivator für Mitarbeitende. Doch viele wollen wissen, wie ihre Karriere und ihr Gehalt mit ihnen wachsen können. Es ist also wichtig, dass Unternehmen ihren Mitarbeitenden transparent vermitteln, wie sie bezahlt, belohnt oder befördert werden“, erklärt Luke Sondelski, Director of Reward bei Personio.

Bei Gehaltstransparenz gibt es also sowohl im öffentlichen Sektor als auch in der Privatwirtschaft einiges zu tun. Auch wenn ein individueller Offenlegungsanspruch besteht, findet der in der Praxis wenig Bedeutung, verriet Stefan Gatz, Fachanwalt für Arbeitsrecht, im Interview mit Personalwirtschaft im Februar. Offenlegungspflichten wie für die Sparkassen in Mecklenburg-Vorpommern bieten einen Anhaltspunkt dafür, dass präzise Regelungen zu mehr Transparenz führen können. Neben dem Vorteil, dass Gehaltstransparenz Vertrauen in den Staat steigern kann, sind auch die Effekte auf Geschlechtergerechtigkeit wichtig. Denn nur so wird für Arbeitgeber und für Mitarbeitende sichtbar, inwieweit Männern in ihrem Unternehmen mehr Gehalt gezahlt wird als Frauen.

„Für die Diskussion um einen Gender Pay Gap zeigen die Befunde, dass Frauen in Geschäftsführungsorganen öffentlicher Unternehmen im Schnitt eine substanziell geringere Vergütung erhalten als Männer“, so die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Zeppelin Universität. Auch hier hätten öffentliche Unternehmen die Möglichkeit als Vorbilder voranzugehen und mit Transparenz der Privatwirtschaft ein Leitbild zu sein.