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Wie emotionale Vergütung zur Mitarbeiterbindung beiträgt

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Personalwirtschaft: Frau Grethe, was genau bedeutet der Begriff „emotionale Vergütung“?
Linh Grethe: Der Begriff – auch Emotional Compensation genannt – umfasst all die nicht-monetären Vorteile, die ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin am Arbeitsplatz erhält und die seine oder ihre emotionalen, nicht finanziellen, Bedürfnisse erfüllen. Es gibt fünf Hauptfaktoren: Anerkennung, Eigenverantwortung, Zugehörigkeit, persönliche Weiterentwicklung und Sinngebung – also das, was wirklich zählt.

Ist Ihrer Meinung nach monetäre Vergütung heutzutage weniger wichtig?
Nein. Klar bleibt sie wichtig, denn wir brauchen Geld, um zu leben. Doch auch wenn das Gehalt stimmt, sind viele unzufrieden. Das hat mit der Kultur zu tun oder auch mit den Führungskräften. Unternehmen müssen daher eine Balance zwischen monetärer und emotionaler Vergütung finden.

Können Sie erklären, wie das gelingen kann?
Nehmen wir die Eigenverantwortung. Es ist wichtig, dass ein Unternehmen die Autonomie der Mitarbeitenden fördert. Das heißt, die Führungskräfte geben dem Team Vertrauen, sie lassen es selbst machen. Dafür müssen sie das Team vorher befähigen, Aufgaben und Projekte selbständig erledigen zu können. Letztendlich führt die Autonomie dazu, dass das Team viel produktiver wird.

Gibt es einen weiteren wichtigen Faktor?
Für mich gehören alle fünf Bedürfnisse, die ich eingangs genannt habe, zusammen. Sie sind die Hauptfaktoren, die zu einer emotionalen Vergütung beitragen. Aber greifen wir beispielhaft die Zugehörigkeit heraus. Sie meint das Gefühl der Verbundenheit, einer Gemeinschaft. Man fühlt sich akzeptiert, hat eine Gruppe, mit der man sich austauschen kann, mit der man wirklich Freude an der Arbeit hat. Ist das vorhanden, zahlt das auf die emotionale Vergütung ein.

Sie haben gesagt, dass auch Anerkennung wichtig ist. Doch gerade diese geht im Arbeitsalltag oft unter.
Absolut, und genau darin liegt ein großes Potenzial. Anerkennung und Wertschätzung sind essenziell für die Zufriedenheit und Loyalität der Mitarbeitenden. Wenn meine Führungskraft oder mein Team anerkennt, dass ich Zeit investiert habe und gute Arbeit geleistet wurde, motiviert das enorm und stärkt die Bindung ans Unternehmen.

Was können Unternehmen konkret tun?
Fangen wir mit der Anerkennung an: Führungskräfte können Wertschätzung auf verschiedene Weise zeigen – durch persönliches Lob, kleine Awards oder ein simples „Danke“. Wichtig ist, dass dies sichtbar gemacht wird, sei es im Team Meeting, im Intranet oder sogar auf LinkedIn. Wenn Projekte und Erfolge gewürdigt werden, fühlen sich Mitarbeitende gesehen und geschätzt.

„Mit emotionaler Vergütung wird aus Mitarbeitenden ein echter Erfolgsfaktor.“

Was schlagen Sie Unternehmen noch vor?
Persönliche Entwicklung ist ein weiterer Schlüssel. Workshops, Mentoring-Programme oder Lernbudgets geben den Mitarbeitenden das Gefühl, dass sie wachsen dürfen. Gleichzeitig kann man die Teamzusammengehörigkeit durch Social Events fördern – sie schaffen echte Verbindungen und stärken den Zusammenhalt. Mehr Autonomie kann durch flexible Arbeitszeiten, Job Crafting oder flexible Rollenmodelle ermöglicht werden. Unternehmen können zusätzlich Angebote wie Achtsamkeitstrainings oder Mental-Health-Kurse bereitstellen. Alles, was Mitarbeitende unterstützt und weiterbringt, zahlt auf eine starke Unternehmenskultur ein.

Was ist der erste Schritt auf dem Weg zu emotionaler Vergütung?
Dafür gibt es kein allgemeines Rezept. Am einfachsten ist ein kleines Pilotprojekt, nicht gleich eine große Kampagne. Ich rate: Testet neue Ideen zuerst im kleinen Rahmen, bevor ihr sie im ganzen Unternehmen ausrollt. So kann ein Unternehmen herausfinden, was wirklich funktioniert.

Haben Sie noch einen Tipp?
Wichtig ist, nachzufragen, was den Mitarbeitenden wichtig ist. Dabei helfen Umfragen oder persönliche Check-ins. Auch hilfreich ist, Ideen einfach auszuprobieren. Wenn am Anfang nur drei Leute mitmachen, es aber gut ist, wird sich das herumsprechen. Wenn ich regelmäßig prüfe, wie die Programme ankommen, sehe ich auch, was ich verbessern kann.

Kann jedes Unternehmen eine Kultur als Basis für emotionale Vergütung entwickeln?
Je größer und traditioneller das Unternehmen ist, desto schwieriger ist das. Denn da herrscht oft seit 30 oder 40 Jahren ein ganz anders Denken vor. Eine langjährige Führungskraft mag sich dann fragen: Warum sollte ich etwas ändern, wenn es bis jetzt immer gut geklappt hat? In jüngeren Unternehmen herrscht oft von vorneherein eine andere Kultur.

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Ist die Kultur auch abteilungsabhängig?
Ja, die Unternehmenskultur kann stark von der Abteilung abhängen. In vielen Salesteams steht das Finanzielle oft im Vordergrund, was die Förderung von Gemeinschaftsgefühl und Zugehörigkeit erschweren kann. Hier herrscht häufig ein hoher Wettbewerbsdruck, bei dem jeder für sich arbeitet, um seine individuellen Ziele und Boni zu erreichen. Doch genau das kann langfristig der Unternehmenskultur schaden. Mit der richtigen Führung und gezielten Maßnahmen lässt sich aber auch in leistungsorientierten Bereichen eine gesunde Balance schaffen. Team-Boni, gemeinsame Zielerreichungen und ein Fokus auf Zusammenarbeit statt reinem Konkurrenzdenken können das Gemeinschaftsgefühl stärken und gleichzeitig die Motivation hochhalten.

Wie kann HR sicherstellen, dass die emotionale Vergütung Früchte trägt?
HR kann die Wirksamkeit emotionaler Vergütung mit gezielten KPIs messen, die zeigen, ob die Bedürfnisse der Mitarbeitenden erfüllt sind. Ein zentraler Indikator ist die Fluktuation: Wenn Menschen sich wertgeschätzt und zufrieden fühlen, bleiben sie dem Unternehmen länger treu. Darüber hinaus lohnt sich ein Blick auf Engagement- und Zufriedenheitswerte, die zum Beispiel in regelmäßigen Mitarbeiterbefragungen erfasst werden können. Ein hohes Maß an emotionaler Vergütung zeigt sich oft auch in einer stärkeren Identifikation mit der Unternehmenskultur, mehr Eigeninitiative und verbesserter Zusammenarbeit.

Und was hat das Unternehmen davon?
Letztendlich zahlt sich dies auch für das Unternehmen aus: Motivation und Engagement der Mitarbeitenden steigen, was sich direkt positiv auf Produktivität, Innovationskraft und langfristigen Erfolg auswirkt. Mit emotionaler Vergütung wird aus Mitarbeitenden nicht nur eine Ressource, sondern ein echter Erfolgsfaktor.

Kirstin Gründel beschäftigt sich mit den Themen Compensation & Benefits, Vergütung und betriebliche Altersvorsorge. Zudem kümmert sie sich als Redakteurin um das Magazin "Comp & Ben". Sie ist redaktionelle Ansprechpartnerin für das Praxisforum Total Rewards.