Soziale Netzwerke: Wo die HR-Szene zusammenkommt

Wo finden Personalerinnen und Personaler heute online Inspiration? Wie schlägt sich ein Newcomer wie Threads im Vergleich zum Platzhirschen X (alias Twitter)? Und welche Rolle spielt das einst dominierende Xing im Vergleich zu Linkedin? Wir verschaffen einen Überblick, analysieren Vor- und Nachteile der jeweiligen Netzwerke – und verraten die Gewinner. Der Platzhirsch und der gefallene Riese Der Platzhirsch: Linkedin Mit über 850 Millionen Nutzerinnen und Nutzern weltweit hat sich Linkedin zu einem digitalen Hotspot für Professionals entwickelt. Im deutschsprachigen Raum sind es laut Angaben der Plattform 22 Millionen Nutzerinnen und Nutzer, für die einzelnen Länder des DACH-Raumes werden keine Zahlen ausgewiesen. Laut dem Branchenportal Social Media Today nutzen aber 15 Millionen Menschen in Deutschland das Portal mindestens einmal im Monat. Ex-SAP-Personalchef Cawa Younosi nutzt vor allem Linkedin. Foto: SAP Wer nutzt es: Personalerinnen und Personaler schwören auf Linkedin, wenn es darum geht, sich über aktuelle Entwicklungen zu informieren. In Linkedin-Gruppen können sich Expertinnen und Experten austauschen, Trends diskutieren und auch disputieren. „Die Lust zum Posten zwingt einen dazu, ständig in Bewegung zu bleiben, sich Neues einfallen zu lassen, zu überraschen“, sagt Cawa Younosi, seines Zeichens Ex-SAP-Personalchef und auch nach seinem Abschied eine der Top-Stimmen der HR-Szene. Was kann es: „Ich glaube, Linkedin ist ein super Medium, um einen Überblick zu bekommen, was so passiert, weil man Unternehmen, Personen oder Newslettern folgen kann“, findet Vodafone-Arbeitsdirektorin Felicitas von Kyaw. Daneben bietet die Plattform auch Recruiting-Tools, um den Auswahlprozess zu optimieren. Die Profile der Mitglieder sind wie virtuelle Lebensläufe gestaltet und bieten einen detaillierten Einblick in die berufliche Laufbahn. Zudem ermöglichen die Empfehlungen und Referenzen eine erste Einschätzung der Arbeitsweise und des Charakters des potenziellen Mitarbeitenden. Vodafone-Arbeitsdirektorin Felicitax von Kyaw nutzt inzwischen kaum noch Twitter/X. Foto: Valéry Kloubert Was kann es nicht: Manche Themen, die diskutiert werden, sind ziemlich seicht. Wenn Influencer von ihren Partyerlebnissen berichten und HRler von einem Waldspaziergang im Nebel, hält sich die Substanz doch in argen Grenzen. Das sieht auch Felicitas von Kyaw: „Eine kleine Gefahr bleibt, das gute Dinge ins Schaufenster gestellt werden in einer gewissen Inszenierung.“ In seinen schlechtesten Momenten entwickelt sich Linkedin zu einem „professionelleren“ Facebook, was was sich auch darin zeigt, dass der Ton rauer geworden ist. „Wenn man public geht, besteht immer die Möglichkeit, dass nicht alle klatschen”, sagt Cawa Younosi. „Wenn man das einkalkuliert, sich aber auf Chancen fokussiert, sind mir bei einer authentischen und ehrlichen Kommunikation keine Nachteile begegnet.“ Der gefallene Riese: Xing Während Linkedin international die Nase vorn hat, ist Xing ein Gewächs des deutschsprachigen Raums und war früher unangefochten die Nummer eins. Was die reinen Nutzerzahlen angeht, liegt Xing im direkten Vergleich immer noch an der Spitze: Laut „Social Media Today“ sind es monatlich 18,5 Millionen Nutzerinnen und Nutzer. Allerdings wandelt sich das Unternehmen mehr und mehr von einem sozialen Netzwerk hin zu einer Recruitingplattform. Wer nutzt es: Aufgrund seiner geänderten Strategie richtet sich Xing inzwischen vor allem an Recruiterinnen und Recruiter beziehungsweise Beschäftigte, die auf der Suche nach einem neuen Job sind. Wolfgang Brickwedde, Director des Institute for Competitive Recruiting, sieht die Plattform vor allem als Instrument des Active Sourcings: „Statt sich Schlüsselwörter zu überlegen oder mühsam manuell komplexe Suchketten aufzubauen, können Active Sourcer beim Talentmanager einfach eine Stellenanzeige hochladen. Diese wird ausgelesen, und auf Basis der Anforderungen der Stelle macht Xing automatisch eine Reihe von Vorschlägen für passende Kandidatenprofile.“ Was kann es: Die Nutzerprofile ähneln denen auf Linkedin, sind aber oft regionaler verwurzelt und branchenspezifischer. Das kann für Unternehmen von Vorteil sein, wenn sie Fachkräfte aus der Nähe suchen. Mit Onlyfy hat Xing zudem eine neue Marke eingeführt, die „als ganzheitliche und zeitgemäße Marke für Recruiting-Lösungen unser ‚one face to the customer‘ für Unternehmenskunden“ sein soll, wie es das Unternehmen selbst formuliert. Doch die New Work SE, das Mutterhaus von Xing, befindet sich trotz dieser Neuaufstellung in einer tiefen Krise. Zuletzt musste man hunderte von Mitarbeitenden entlassen. Was kann es nicht: Als Diskussionsplattform hat sich Xing inzwischen mehr oder weniger komplett verabschiedet. Die früher sehr beliebte Gruppenfunktion, die es ermöglichte, sich zu spezifischen Themen auszutauschen, gibt es nicht mehr: Im August 2022 informierte die Geschäftsleitung alle Moderatoren per E-Mail darüber, dass die Gruppen genannten Diskussionsforen und der Eventmarkt, ein Veranstaltungskalender mit Buchungsmöglichkeit, zum Januar 2023 eingestellt werden. And the winner is Eindeutig Linkedin, Xing bleibt abgeschlagen zurück. Es ist bezeichnend, dass ausgerechnet bei der direkten Konkurrenz lebhaft über die Xing-Krise diskutiert wird. Der Tenor: Schade, aber nicht überraschend. So schreibt HR-Influencer Björn Waide in einem längeren Beitrag: „Es ist ja bezeichnend, dass ich diese Nachricht hier auf Linkedin veröffentliche und nicht ,drüben‘ bei Xing.“ Empfohlener externer Inhalt An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von www.linkedin.com, der von der Redaktion empfohlen wird. Sie können den Inhalt mit einem Klick aktivieren. Inhalt entsperren Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte von www.linkedin.com angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu erfahren Sie in unserer Datenschutzerklärung. Felicitas von Kyaw beschreibt, warum Linkedin ihrer Meinung nach die Nase vorn hat: „Die Vorteile der virtuellen Verbindungen und des tagesaktuellen Einblicks in Events, Erlebnisse, Eindrücke oder Erfahrungen des Netzwerks, sind vielfältig, eindrucksvoll und geben zumindest ein gutes Gefühl, was für Themen von Bedeutung sind.“ Das Chaos-Netzwerk gegen den Newcomer Das Chaos-Netzwerk: X (früher Twitter) Laut einer Studie des Online-Marketingunternehmens Blog2Social nutzen weltweit monatlich rund 330 Millionen Menschen den Kurznachrichtendienst, in Deutschland sind es acht Millionen. Über die Plattform können maximal 280 lange Textnachrichten verbreitet werden. Nutzerinnen und Nutzer sehen grundsätzlich nur die Tweets der von ihnen ausgewählten Autoren, können diese aber auch „retweeten“, also weiterverbreiten. Wer nutzt es: Personalerinnen und Personaler, die kurz und knapp ihre Botschaften kommunizieren wollen. Ex-Telekom-Chefpersonaler Thomas Sattelberger etwa macht von den Möglichkeiten der Plattform reichlich Gebrauch. Vodafone-Arbeitsdirektorin Felicitas von Kyaw dagegen hat sich von X mehr oder weniger verabschiedet: „Früher habe ich viel Twitter genutzt, inzwischen eigentlich kaum noch.“ Was kann es: Die Stärke des Kurznachrichtendienstes liegt in seiner Schnelligkeit – ein Tweet kann innerhalb von Sekunden eine weltweite Reichweite erzielen. Vanessa Gusche von der Stellenbörse Jobcluster sieht X/Twitter auch als wirksames Recruiting-Instrument. Ihre Einschränkung: „Sie sollten Twitter nur als Ergänzung zu bereits bestehenden Recruiting-Kanälen ansehen. Darüber hinaus ist es sehr wichtig, dass die Stellenanzeigen-Tweets auf eine moderne Karriereseite verlinken.“ Was kann es nicht: Die Einfachheit von X ist gleichzeitig seine größte Schwäche: Die Kürze führt dazu, dass es oft an fachlicher Tiefe fehlt. Zudem hat die Plattform durch ihren exzentrischen Eigentümer inzwischen ein gewisses Imageproblem, viele Nutzerinnen und Nutzer haben sich abgewandt – wohl auch wegen antisemitischer Hetze, Nazi-Propaganda und Desinformationen. Cawa Younosi etwa verwendet „X seit Musk fast gar nicht mehr“. Auch Werbekunden wie zum Beispiel IBM haben ihre Zusammenarbeit mit X beendet. Großes Potenzial, ungewisser Ausgang: Threads Der Schwerpunkt beim neuen von Facebook-Betreiber Meta gesarteten Netzwerk Threads liegt wie auch bei X/Twitter auf öffentlichen, textbasierten Beiträgen und Unterhaltungen. Auch die Oberfläche erinnert an Twitter. Laut eigenen Angaben hat Threads bislang monatlich rund 130 Millionen Nutzerinnen und Nutzer. Die Plattform ist eng mit dem Schwesterdienst Instagram verbunden und basiert auf diesem. Vorteil: Der Newcomer startet direkt mit mehr als einer Milliarde (potenzieller) Diskutanten. Wer nutzt es: HR-Größen wie Cawa Younosi verwenden Threads sporadisch, allerdings mit deutlich geringerer Reichweite als bei Linkedin – 500 Follower in ersterem stehen über 100.000 auf letzeterem entgegen. Marcel Rütten, der Kopf hinter der HR-Konferenz „Schicht im Schacht“, postet ebenfalls in unregelmäßigen Abständen. Ansonsten finden sich dort (noch) eher „Exoten“ wie zum Beispiel der „Bundesverband Bürohund“. Was kann es: Die sogenannten Threads (das Tweet-Pendant) können bis zu 500 Zeichen Text enthalten, außerdem bis zu zehn Fotos, Videos bis zu fünf Minuten Länge, Polls (Abstimmungen) sowie Sprachnachrichten. Was die Funktionalität angeht, ist der Newcomer dem direkten Konkurrenten X damit deutlich überlegen. Was kann es nicht: Wer Reichweite will, ist bei Threads derzeit noch falsch. Auch die spannenden Diskussionen finden bis auf Weiteres woanders statt. Problematisch ist zudem, dass die Registrierung über ein bereits bestehendes Instagram-Konto erfolgen muss. Die dabei erfolgende Verknüpfung personenbezogener Daten zwischen zwei verschiedenen Diensten, die beide von einem „Gatekeeper“ von der Größe Metas betrieben werden, „ist laut dem im November 2022 in Kraft getretenen Digital Markets Act der Europäischen Union untersagt“, kritisiert die Digitalisierungs-Plattform OMR. And the winner is X – noch. Der Plattform laufen die Nutzerinnen und Nutzer davon, seit Elon Musk am Ruder ist. Krawall überlagert viel zu oft den ernsthaften Diskurs. Threads hat großes Potenzial, muss aber einen langen Atem haben, um mit dem bisherigen Spitzenreiter zumindest gleichzuziehen. Und wer ist der Gesamt-Champion? Linkedin ist Stand jetzt der unangefochtene König im Reich der beruflichen Netzwerke. Noch einmal zum Vergleich: Cawa Younosi hat bei Linkedin 100.000 Follower, bei Threads 500. Das Zahlenverhältnis sagt viel darüber aus, wie und wo Personalerinnen und Personaler diskutieren, disputieren oder sich über aktuelle Trends austauschen. Younosi ist übrigens einer der wenigen HR-Influencer, die sich überhaupt bei Threads äußern. Weitere Schwergewichte wie Gero Hesse, Jannis Tsalikis oder Top-Personalerinnen und -Personaler wie Oliver Maassen und Felicitas von Kyaw sucht man dort vergebens. So schnell wird sich das wohl auch nicht ändern. Andererseits: Bis vor einigen Jahren hätte man auch nicht gedacht, dass Xing einmal von Linkedin überholt werden würde. Halten wir fest: In der Welt der Online-Netzwerke gibt es keine Einheitslösung für Personalverantwortliche. Am Ende des Tages liegt die Kunst darin, die Stärken jeder Plattform optimal zu nutzen und ihre Schwächen zu vermeiden – oder mit ihnen zu leben. Ob bei einem virtuellen Kaffeeklatsch auf Linkedin oder dem lockeren Einblick in die Unternehmenskultur auf Facebook – Personalverantwortliche haben die Qual der Wahl, aber auch die Chance, sich vielfältig auszutauschen oder die perfekten Talente für ihr Team zu finden. Info Welche anderen sozialen Netzwerke es gibt und was sie Personalerinnen und Personalern bringen, werden wir in den kommenden Monaten näher beleuchten.

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