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Round Table Corporate Learning: Wie KI den Weiterbildungsmarkt verändert

14. April 2025 von Lukas Homrich

Unternehmen müssen wegen des Fachkräftemangels und Fortschritten beim Einsatz von KI in die Weiterbildung der Beschäftigten investieren. Beim Round Table der Personalwirtschaft sprachen Expertinnen und Experten über die Zukunft des Corporate Learning.

Im Jahr 1811 zerstörten tausende Menschen in Textilfabriken im Norden Englands Webmaschinen. Denn die ehemaligen Weberinnen und Weber standen nach der Einführung der automatischen Webstühle teilweise über Nacht ohne Arbeit da. Dabei hätte es gar nicht so weit kommen müssen. Hätten die Unternehmer ihren Mitarbeitern die neue Technologie erklärt, hätten durchaus viele ihre Jobs behalten können.

Einen ähnlichen Moment befürchten derzeit viele Angestellte angesichts der erstaunlichen Leistungen von Künstlicher Intelligenz (KI). Nur dieses Mal betrifft das Problem nicht Fabrikarbeit, sondern Bürojobs, die bisher vermeintlich sicher vor technologischem Fortschritt waren. Eine gute Nachricht für all diejenigen, die in Büros arbeiten, gibt es dennoch: Die meisten Unternehmer haben den Habitus der Raubtierkapitalisten des 19. Jahrhunderts abgelegt und versuchen, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiterzubilden. Und das dürfte wiederum der große Moment für die Weiterbildungsbranche sein. 

Zu diesem Ergebnis kommt zumindest eine Studie des Marktforschungsunternehmens Lünendonk. Der Markt für berufliche Weiterbildung wuchs demnach schon 2023 um über elf Prozent. Für 2024 und 2025 prognostiziert Lünendonk, dass der Markt jeweils weiter um über fünf Prozent wachsen wird. Das liegt laut den Studienautoren nicht nur am Transformationsdruck, sondern auch an den Möglichkeiten von KI für die Bildungsanbieter selbst.

Das Wichtigste in Kürze

  1. Der Markt für Weiterbildung wächst. Dabei werden Maßnahmen durch die Unternehmen zunehmend internalisiert und nicht nur als Kostenpunkt gesehen.
  2. Durch KI kommen Unternehmen unter Transformationsdruck und müssen ihre Belegschaft weiterbilden. Für die Bildungsanbieter wird es durch KI leichter, individualisierte Lerninhalte zu erstellen.
  3. Auch Bildungsanbieter müssen sich transformieren und helfen sich dabei gegenseitig. Sie müssen dabei vor allem mit anderen Bildungsmöglichkeiten konkurrieren.
  4. HR-Abteilungen haben die Aufgabe, die Notwendigkeit von Weiterbildung zu kommunizieren und zu ermöglichen. Dabei hilft ihnen, dass diese durch den technologischen Fortschritt günstiger wird.
  5. Die neue Regierung ist nun gefragt, Forschungsförderungen im KI-Bereich ergebnisorientierter und mit weniger Bürokratie zu gestalten. Wenn es um KI-Politik im Bildungswesen geht, sollte die Regierung nicht nur an Hochschulen denken und Zertifizierung vereinfachen.

„Wir sind im dritten Jahr einer Rezession und die Unternehmen haben ihre Ausgaben für Weiterbildung nicht reduziert.”

Hansjörg Fetzer, Geschäftsführer, Haufe Akademie GmbH & Co. KG

Weiterbildung wandert in die Unternehmen

Sven Becker, Co-CEO des E-Learning-Anbieters Scheer IMC, glaubt, dass das Wachstum der Branche sogar unterschätzt werde. „In Krisenzeiten neigen Firmen dazu, Weiterbildung in das Unternehmen zu verlagern”, sagt er. Kurse und E-Learnings würden also mehr als früher eingekauft und intern durchgeführt. Und diese internen Kosten würden in den Zahlen nicht erfasst. Becker beobachtet, dass das Angebot für Infrastruktur und Technologie für die interne berufliche Weiterbildung deshalb genauso wachse wie die externe Weiterbildung.

Bildungsanbieter reagierten bereits darauf, sagt Gerhard Wächter, Verbandspräsident der European Association for Training Organisations (EATO). Neben externer böten sie zunehmend auch interne Weiterbildungen wie Coaching, Produkttrainings und Bedarfsanalysen an: „Sie warten nicht nur darauf, dass ihre offenen Angebote genutzt werden.”

Tun Betriebe noch zu wenig?

Wächter betont, dass Weiterbildung gerade in Zeiten der Krise und Transformation gefragt sei: „Wir wissen ganz genau, dass wir angesichts der politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen Kompetenzen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern entwickeln müssen”, sagt er. Dabei zweifelt er jedoch, ob die Dringlichkeit bei den Unternehmen wahrgenommen werde.

Tun die Arbeitgeber bei der Weiterbildung ihrer Beschäftigten also zu wenig? Hansjörg Fetzer, Geschäftsführer der Haufe Akademie, ist da optimistischer: „Wir sind im dritten Jahr einer Rezession und die Wirtschaft hat ihre Ausgaben für Weiterbildung nicht reduziert”, sagt er. Dies wäre vor einigen Jahren in einer ähnlichen Situation nicht passiert. „Früher wurde Weiterbildung als Kosten und nicht als Investitionen betrachtet”, sagt er. „Heute sehen viele Mittelständler, dass Weiterbildung für ihre Fähigkeit, die Zukunft zu meistern, notwendig ist.” Insofern habe die Mehrheit erkannt, dass „Weiterbildung eine Zukunftsinvestition ist.”

Info zum Round Table Für ausgewählte aktuelle Themen lädt die Personalwirtschaft Expertinnen und Experten zu einem Round Table ein, um mit ihnen über Trends und aktuelle Entwicklungen zu diskutieren. Die Expertenrunden zum Thema Corporate Learning wurde von Christina Petrick-Löhr, Redakteurin der Personalwirtschaft, moderiert.

Berichte zu unseren Round Tables finden Sie auf unserer Übersichtsseite.

„Entscheidend ist immer ein ganzheitlicher Blick auf die Veränderungen, die wir im Unternehmen bewirken. Ein reiner Blick auf die Kosten greift da zu kurz.“

Christoph Herold, Chief Development Officer, Computer Based Training and Learning GmbH (CBTL)

So wird Weiterbildung erfolgreich

Wie Mittelständler selbständig dafür sorgen können, dass ihre Belegschaft sich weiterbildet, weiß Jens Harde, Geschäftsführer Operations des Arbeitsmaschinenherstellers Weidemann. Schon während der Pandemie wollte das Unternehmen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine externe KI als Experte zur Seite stellen. „Als Ingenieur denkt man sehr technisch über Problem und Lösung nach”, sagt er. Wenn eine Technologie zur Lösung beitragen könne, sei es naheliegend, sie auch umgehend einzusetzen.

„Dabei haben wir unterschätzt, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter diese Technologien teilweise nicht bedienen können oder wollen.” Harde ging pragmatisch vor, entwickelte zusammen mit einem zertifizierten Weiterbildungsanbieter innerhalb von vier Monaten für 300 Mitarbeitende eine Weiterbildung von über 120 Stunden. Für diese Zeit erhielten die Beschäftigten von der Arbeitsagentur Qualifizierungsgeld. Mittlerweile haben 70 Prozent der relevanten Belegschaft die Weiterbildung abgeschlossen. Es sei wichtig, die Menschen mit guten Weiterbildungen abzuholen und zu befähigen, die Transformation mitzugehen, sagt Harde.

Wie misst man den Erfolg?

Erfolgreiche Weiterbildung erfordert mehr als nur finanzielle Mittel, sagt Christoph Herold, Chief Development Officer von Computer Based Training and Learning (CBTL). „Man braucht eine solide Bedarfsermittlung im Vorfeld, eine durchdachte Umsetzung der Lernmaßnahmen und eine sorgfältige Nachbereitung, damit die Investitionen ihre gewünschte Wirkung erzielen können.“ Gleichzeitig könnten auch Maßnahmen wie Mentorenprogramme oder Peer Coaching sehr effektiv sein, die oft gar nicht in einer Budgetplanung erscheinen. „Entscheidend ist immer ein ganzheitlicher Blick auf die Veränderungen, die wir im Unternehmen bewirken. Ein reiner Blick auf die Kosten greift da zu kurz“, betont er.

Den Erfolg von Weiterbildung zu messen, sei schwierig, wenn es keine klaren Ziele bei der Transformation gebe, sagt Sven Becker von Scheer IMC. Viele Betriebe wüssten noch nicht, wo sie sich hinbewegen wollten. In den USA sei man an diese Dynamik gewöhnt. In Deutschland, wo 80 Prozent der Wertschöpfung von Betrieben geschaffen werde, die älter als 100 Jahre sind, seien diese Prozesse langsamer – angesichts der rasanten Entwicklung der Fähigkeiten von KI manchmal zu langsam.

„Nur wenn die Unternehmensleitung den Mitarbeitenden den Zugang zu KI-Tools ermöglicht, kann Fortschritt überhaupt stattfinden.”

Britta Leusing, Product Owner Data & AI, Pinktum

Die Angst vor KI nehmen

Um die Entwicklung von KI-Kompetenzen zu verbessern, müsse der Wandel positiv begleitet und Bedenken der Mitarbeitenden ernst genommen werden, sagt Christoph Herold: „Im Gegensatz zu früheren Transformationen sind diesmal Jobs auf allen Stufen der Unternehmenshierarchie betroffen.” Das nähmen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter natürlich wahr. „Klar ist, dass sich viele Jobs verändern werden”, sagt er. Um Menschen auf diesem Weg mitzunehmen, müsse man Klarheit schaffen, wie genau das geschehe und welche Chancen ihnen die KI bieten könne.

Es gäbe noch zu wenige Initiativen in Firmen dies zu tun, bemerkt Britta Leusing, Product Owner Data & AI beim E-Learning-Anbieter Pinktum. „Nur wenn die Unternehmensleitung den Mitarbeitenden den Zugang zu KI-Tools ermöglicht, kann Fortschritt überhaupt stattfinden”, sagt sie. Oft seien Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer noch vorsichtig, weil sie befürchteten, gegen Datenschutz- und Compliance-Regeln zu verstoßen. Damit Mitarbeitende die Potenziale von Künstlicher Intelligenz effektiv nutzen könnten, sei es entscheidend, klare und verständliche KI-Richtlinien zu vermitteln, interne Austauschformate wie Tech Talks zu etablieren und etwa Pilotgruppen einzurichten, die ihre Erfahrungen praxisnah mit Kolleginnen und Kollegen teilten. „Menschen lernen nur mit KI-Tools umzugehen, wenn sie diese ausprobieren”, sagt sie.

„Wir wissen vielleicht noch nicht ganz genau wie, aber der Return on Invest wird kommen.”

Hartwig Holzapfel, Director Professional Services, time4you GmbH

Bildungskultur vorleben: eine Führungsaufgabe

Vor einiger Zeit sei es noch zäh gewesen, kleine und mittlere Unternehmen (KMU) hinsichtlich der Möglichkeiten von KI wachzurütteln, sagt Jens Harde von Weidemann, der früher im Arbeitgeberverband in Niedersachsen aktiv war. „Kleine Handwerksbetriebe machen sich meiner Erfahrung nach oft mehr Gedanken als viele Mittelständler”, sagt er. Irgendwann habe er aufgegeben, andere Betriebe abzuholen und sich darauf konzentriert, seine Mitarbeitenden für die Chancen von KI im Rahmen des Schulungsprogramms zu öffnen. „Kolleginnen und Kollegen lernen bei uns Roboter zu programmieren und lernen eine Programmiersprache”, sagt er. Oder wie man Bilder für Bewerbungstexte generiere und Steuerungs- und Produktionsprozesse mit KI optimiere. „Sie verstehen jetzt, dass KI ihre Arbeit unterstützt und nicht bloß Arbeitsplätze vernichtet.“

Laut Hartwig Holzapfel, Director Professional Services beim E-Learning-Anbieter time4you, ist das noch nicht die Norm: „In vielen Unternehmen hat es die Führung noch nicht durchgesetzt, den Mitarbeitenden die Nutzung von KI in einem sicheren Rahmen zu ermöglichen und ihnen damit die Angst zu nehmen”, sagt er. „Firmen sollten Freiräume schaffen, in denen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter KI ausprobieren können.” Da KI in jedem Jobprofil anders zum Einsatz kommen könne, würden viele Lösungen von der Belegschaft selbst gefunden. „Wir wissen vielleicht noch nicht ganz genau wie, aber der Return on Invest wird kommen.”

Die Erwartungen der Kundschaft steigen

„Wir Deutschen neigen zum Pessimismus”, sagt Sven Becker. „Wenn man mit Konzernen aus anderen Ländern wie den USA spricht, merkt man, dass wir schon auf einem guten Weg sind.” Die Adaption von KI in der US-Wirtschaft sei weit geringer, als allgemein angenommen werde. Zudem gelte Deutschland für viele KI-Firmen als das Tor nach Europa. „Wir ordnen unsere Fortschritte zu oft zu negativ ein.”

Christoph Herold beobachtet, dass Unternehmen heute eine andere Einstellung zu KI in Weiterbildungen hätten als früher. „Erst gab es einen riesigen Hype in dem Bereich.“ Man habe sich viel im Bereich Inhalts- und Mediengenerierung versprochen. „Dann kam ein Schritt zurück, als bei den Anwendern den Firmen Themen wie Datengenauigkeit, Korrektheit, Konsistent Datenschutz und Urheberrecht ins Blickfeld gerückt sind.“ Etabliert seien mittlerweile Anwendungen wie KI-basierte Zusammenfassungen, Übersetzung, Text-To-Speech und Speech-To-Text. Je normaler diese Anwendungen würden, desto höher würden aber dann aber auch die Ansprüche an die Qualität.

„Wenn man mit Unternehmen aus anderen Ländern wie den USA spricht, merkt man, dass wir schon auf einem guten Weg sind.”

Sven Becker, Co-CEO, Scheer IMC AG

KI ermöglicht Individualisierung

Gerhard Wächter beobachtet, dass der Konkurrenzgedanke durch KI zurückgehe: „Bildungsanbieter schließen sich innerhalb der EATO zu Arbeitsgruppen zusammen, um über die Anwendung von KI zu diskutieren”, sagt er. Deshalb sei er optimistisch, dass sie in der Lage seien, Produkte schnell an die Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden anzupassen. Er sehe ein großes Potenzial, aufwändige Prozesse effizienter zu machen. „Früher hat es viel länger gedauert, ein mehrtägiges Seminar mit Folien, Manuskript und Übersetzung vorzubereiten.”

Es gehe aber nicht nur um niedrigere Kosten, sagt Hansjörg Fetzer von der Haufe Akademie. „Derzeit können wir Weiterbildungsinhalte nicht in der Qualität auf Kundinnen und Kunden abstimmen, wie wir das mit KI in Zukunft tun können”, sagt er. „Wir werden durch KI deutlich besser und individueller werden.”

Bildungs- oder Tech-Unternehmen?

Lernen sei heute ein ständiger Prozess – Weiterbildungsanbieter müssten diesen Wandel aktiv mitgehen und dafür die Chancen der KI nutzen: „Viele wollen ihre Prozesse nicht wirklich verändern und mit KI das Gleiche nur ein bisschen anders machen”, sagt sie. Pinktum schlage mit dem KI-Coach konsequent den Weg zum EdTech-Unternehmen mit einer wachsenden Abteilung „Data & AI“ ein. Der gerade gelaunchte KI-Coach werde durch Inhalte von früheren E-Learnings gespeist und sowohl methodisch als auch inhaltlich kontinuierlich weiterentwickelt: „Der KI gesteuerte Lernassistent ist die Krönung der Transformation, die wir gestartet haben.” Künftig würden KI-Agenten in der Lage sein, Gespräche zu führen, was für das KI-gestützte Coaching einen großen Schritt darstelle.

Auch wenn Gerhard Wächter von der EATO nicht glaubt, dass Bildungsanbieter nun zu echten Tech-Unternehmen werden, sieht er eine Veränderung. „In welchem Grad auch immer: Alle beschäftigen sich mit Technologie, die zum Einsatz kommt”, sagt er. Trotzdem sagt er, dass Bildung von Mensch zu Mensch stattfinden sollte. „Ich bin überzeugt, dass wir Menschen brauchen, um Bildung in geeigneter Form zu transportieren.” Dabei sollten Anbieter Technologie einsetzen, um flexibler auf die Anforderungen der Kundschaft eingehen zu können. „Was auch immer für Kundinnen und Kunden wichtig ist – von uns wird erwartet, dass wir das gesamte Spektrum abdecken können.”

„Was auch immer für Kundinnen und Kunden wichtig ist – von uns wird erwartet, dass wir das gesamte Spektrum abdecken können.”

Gerhard Wächter, Verbandspräsident der European Association for Training Organisations e.V. (EATO)

Der größte Konkurrent von Weiterbildung: Nichts tun

Für Christoph Herold steht nicht die Konkurrenz zu anderen Bildungsanbietern im Vordergrund, sondern die Veränderungen, die durch den vermehrten Einsatz von KI in der Weiterbildung entstehen. „Unser wirklicher Wettbewerber war oft der Gedanke, dass kuratierte Linklisten und Materialsammlungen als Training ausreichen, oder gar einfach Google”. Dieser Ansatz komme aber in Zeiten von immer mehr schwer nachprüfbaren KI-generierten Inhalten oder gar gezielter Desinformation.an seine Grenzen. „Und auch die Ergebnisse, die ich in Suchmaschinen wie Google bekomme, werden qualitativ immer schlechter. Meine Hoffnung ist, dass sich die Kunden wieder mehr an die Weiterbildungsbranche wenden, um sauber recherchierte, gut gestaltete, didaktisch solide Inhalte zu erhalten.”

„Wir werden eine Automatisierung erleben, die wir nicht mehr zwingend steuern können, weil KI auch Dinge generiert, in die man nur bedingt Einblick hat”, sagt Sven Becker. IMC entwickelt gerade einen KI-Agenten, der Inhalte, je nachdem, wie ein Mensch am besten Informationen aufnimmt, in unterschiedliche Formate und Medien verpackt. Nach dem Prinzip „Create once, publish everywhere”, würden Inhalte so auf verschiedene Lerntypen zugeschnitten. Ob Dokument, Video oder Podcast, so sei es besonders für Berufstätige einfacher, neben dem Job zu lernen. Er warnt aber auch. „Solche Systeme werden Fehler machen und es werden sehr viele Inhalte auf den Markt gespült”, sagt Becker. „Deshalb sollten wir uns damit beschäftigen und eine Qualität in den Vordergrund stellen.”

Diesen Zufluss an Inhalten sieht auch Hartwig Holzapfel kommen: „Schon jetzt haben wir viel mehr Content als noch vor ein paar Jahren”, sagt er. „Und es wird noch mehr werden.” Dann werde es wichtiger sein, dass Mitarbeitende ihre persönlichen Fähigkeiten ausbauen. „Menschen müssen von KI generierte Inhalte interpretieren lernen”, sagt er. Wer auf diese Inhalte blind vertraue, drohe desinformiert zu werden. Allerdings gelte das generell für publizierte Inhalte. „Eine KI als Lerncoach kann Menschen in Zukunft lebenslang begleiten und im Alltag mit Wissenshäppchen versorgen”, sagt er. „Das könnte klassische Schulungskonzepte langfristig ersetzen.”

HR-Abteilungen sind gefragt

Jens Harde wünscht sich, dass mehr Anbieter von Weiterbildungen auch die HR-Abteilungen begleiteten. „Ich sehe die Gefahr, dass die Belegschaft nicht versteht, warum lebenslanges Lernen notwendig ist”, sagt er. „Von Menschen, die bisher nur in der Produktion gearbeitet haben, wurde das meistens noch nie verlangt.” Wenn neue Technologien als Hilfsmittel zum Einsatz kämen, bleibe niemand davon ausgenommen. Dieser Prozess müsse von HR koordiniert werden. „HR muss die Mitarbeitenden vor psychologischer Überforderung schützen.”

Dies gehöre zu den Kernbereichen von HR, sagt Christoph Herold. „Menschen sind eben nicht nur eine Ressource, sondern haben Gefühle, Erwartungen und den Wunsch sowie die Notwendigkeit, sich weiterentwickeln zu können.” HR müsse die Freiräume für diese Entwicklungen schaffen, findet Herold. Gerade in Zeiten von technologischen Umbrüchen, müsse der Mensch im Mittelpunkt stehen. „Ich arbeite am liebsten mit Unternehmen mit einer starken HR-Abteilung zusammen, die weiß, was sie will”, sagt er. „Bei dem Wie können wir als Weiterbildungsdienstleister dann unterstützen.“

Noch machten sich viele HR-Abteilungen zu wenig Gedanken über die strategische Ausrichtung bei Bildung, sagt Hansjörg Fetzer. „Eigentlich ist gerade die Sternstunde von HR, während sie in vielen Betrieben noch ein Schattendasein fristet”, sagt er. Dabei könnte HR einen strategischen Mehrwert leisten und mehr Einfluss auf interne und externe Bildungsmaßnahmen nehmen.

„HR muss Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor psychologischer Überforderung schützen.”

Jens Harde, Geschäftsführer / Managing Director, Weidemann GmbH

Wünsche an die Politik

Ebenso sehen die Diskutierenden die Politik am Zug: Sven Becker wünscht sich, dass der Einfluss von Forschungsprojekten in Deutschland gemessen werde und führt Singapur als positives Beispiel, wo die Finanzierung von Forschungsprojekten mit einem Impact-Quotienten zusammenhänge. „In der Forschung werden viele Prototypen entwickelt, die sich später nicht in echter Software wiederfinden.” Viele Entwicklungen würden später in andere Länder exportiert und dort an den Markt gebracht. „Deutschland ist das Land der Prototypen”, sagt Becker. Grundlagenforschung für Siri und MP3 sei in Deutschland entwickelt, aber in den USA groß gemacht worden.

Dem stimmt Christoph Herold zu. Zudem seien Förderungen oft zu kompliziert: „Die Beratung für Förderprojekte ist mittlerweile ein eigenes Geschäftsfeld geworden”, sagt er. Wegen der unklaren Einordnung der Förderfähigkeiten von Projekten, habe man schon so manchen Förderantrag frühzeitig abgebrochen, weil der notwendige Aufwand nicht mehr vertretbar war. „Ich bin absolut für Gründlichkeit bei den Prozessen, aber ich erhoffe mir von einer neuen Regierung hier deutliche Vereinfachungen.”

Britta Leusing beobachtet mit Pinktum die möglichen Auswirkungen des AI-Act der EU sehr genau. „Wichtig ist, dass das Gesetz als Innovationstreiber und nicht als Innovationsbremse wirkt”, sagt sie. „Wir brauchen hier eine neue Dynamik, um die Regulierung zum Wettbewerbsvorteil zu machen.” Hinsichtlich der Anwendung von KI in der Bildung und der Förderfähigkeit müsse Klarheit herrschen. Dabei solle die Politik nicht nur an Hochschulen denken, wenn es um Bildung gehe, sondern auch an die privaten Bildungsanbieter.

„Für unsere Mitgliedsunternehmen ist die Bürokratisierung ein großes Problem”, sagt auch Gerhard Wächter. Man dürfe aber nicht bloß über Bürokratie im Allgemeinen reden, sondern müsse konkreter sein: „Bildungsanbieter müssen Prozesse für Zertifizierungen durchlaufen, die keinen Einfluss auf die Qualität der Produkte haben”, sagt er. „Das sind Hemmnisse, die wir eigentlich nicht mehr brauchen.” Das gelte auch für Fragen wie die Umsatzsteuerpflicht oder die Scheinselbständigkeit. „Die zukünftige Regierung sollte klare Stellungen zu diesen Themen beziehen.”

Fotos: Archivist – stock.adobe.com, Britt Schilling, privat, Weidemann