In der modernen Arbeitswelt rückt das Wellbeing der Beschäftigen zunehmend in den Fokus von Unternehmen. Dabei geht es nicht nur um das physische und psychische Wohlbefinden, sondern auch um das finanzielle und soziale Wohlergehen. Aktuelle Studien von WTW zeigen jedoch, dass viele Arbeitgeber die Bedürfnisse ihrer Mitarbeitenden in diesen Bereichen nicht kennen. Das offenbart Handlungsbedarf.
Deutliche Diskrepanzen zeigen sich beim Thema Wellbeing aus Arbeitgeber- und Beschäftigtensicht. Zu diesem Ergebnis kommen zwei Studien von WTW. Zum einen wurden die Prioritäten der Arbeitgeber ermittelt, zum anderen die Bedürfnisse der Mitarbeitenden. Ein Beispiel: Während knapp die Hälfte der befragten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer angibt, in mindestens zwei Bereichen ihres Wellbeings leichte oder größere Probleme zu haben, fokussieren sich die Unternehmen vorwiegend auf die Förderung des psychischen (77 Prozent) und physischen Wellbeings (48 Prozent). Das finanzielle Wellbeing, das von 56 Prozent der Mitarbeitenden als besonders wichtig eingestuft wird, hat bei Unternehmen mit nur 17 Prozent eine vergleichsweise niedrige Priorität. Viele Beschäftigte fühlen sich in finanziellen Fragen unzureichend unterstützt. Zwar bieten 67 Prozent der Unternehmen grundlegende Leistungen wie Risikolebens- und Berufsunfähigkeitsversicherungen oder Altersvorsorgeprogramme an, doch weitergehende Angebote fehlen häufig. Nur 37 Prozent der Arbeitgeber bieten Schulungen zu finanziellen Themen an, die für die Mitarbeitenden relevant sein könnten, und lediglich 31 Prozent stellen personalisierte Unterstützung bei finanziellen Entscheidungen zur Verfügung, wie etwa in den Bereichen Ausgabenplanung, Kreditaufnahme oder Geldanlage.
Arbeitgeber überschätzen Wirkung der Wellbeing-Maßnahmen
Ein weiteres Ergebnis: Auch die Wahrnehmung davon, was Wellbeing-Maßnahmen bewirken, unterscheiden sich auf Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite. 65 Prozent der befragten Unternehmen sind der Meinung, dass ihre Angebote einen wesentlichen Beitrag zur Gesundheit ihrer Mitarbeitenden leisten. Demgegenüber sehen jedoch nur rund ein Drittel der Beschäftigten einen solchen Nutzen. Beinahe genauso viele empfinden, dass die Programme gar keinen Einfluss auf ihr Wohlbefinden haben. Dies weist auf ein erhebliches Potenzial zur Verbesserung der Maßnahmen hin, um eine stärkere Wirkung auf die Belegschaft zu erzielen. Die Gründe, warum Unternehmen in Wellbeing-Programme investieren, sind vielfältig. Hauptmotive liegen in der Mitarbeitergewinnung und –bindung (65 Prozent), der Vorbeugung von psychischen Erkrankungen (65 Prozent) und Optimierung der Produktivität (48 Prozent). Diese Zahlen verdeutlichen, dass das Thema Wellbeing in vielen Unternehmen durchaus auf der Agenda steht, die Umsetzung jedoch oft nicht den Erwartungen der Belegschaft entspricht.
Der Wert einer umfassenden Wellbeing-Strategie
Die Studienergebnisse belegen: Unternehmen, die das Wellbeing ihrer Mitarbeitenden gezielt fördern, verzeichnen bessere Geschäftsergebnisse als solche, die es nicht oder wenig fördern – und das in zweierlei Hinsicht: Arbeitgeber, die umfassende Wellbeing-Programme anbieten, berichten nicht nur von besseren finanziellen Erträgen, sondern auch von einer geringeren Mitarbeiterfluktuation. Das belegt, dass Investitionen in das Wohlbefinden der Belegschaft langfristig auch wirtschaftliche Vorteile mit sich bringen.
Gleichzeitig wird deutlich, dass in vielen Unternehmen noch Nachholbedarf besteht, um das volle Potenzial einer ganzheitlichen Wellbeing-Strategie auszuschöpfen. Sie müssen ihre Prioritäten richtig setzen, um einen echten Mehrwert zu schaffen. Es ist entscheidend, die Bedürfnisse der Mitarbeitenden zu kennen und in den Fokus zu rücken sowie entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, die auf deren Wünsche abgestimmt sind.
Zukunftspläne der Unternehmen
Viele Arbeitgeber haben sich ehrgeizige Ziele für die Zukunft gesteckt. 42 Prozent planen, das Wohlbefinden ihrer Mitarbeitenden in den nächsten drei Jahren zu einem grundlegenden Element ihrer Personalstrategie zu machen. Derzeit verfolgen nur halb so viele Unternehmen diesen ganzheitlichen Ansatz. Zudem hat ein gutes Drittel der Arbeitgeber das Ziel, die Kommunikation über ihre Wellbeing-Angebote zu verbessern und diese stärker mit der Unternehmenskultur zu verknüpfen. Jeder siebte Arbeitgeber will einen umfassenden Ansatz formulieren, der physisches, psychisches, finanzielles und soziales Wellbeing in einer klar definierten Strategie vereint. Auffällig ist, dass wirtschaftlich erfolgreichere Unternehmen tendenziell größere Anstrengungen unternehmen, um das Wellbeing ihrer Beschäftigten zu fördern. Sie legen häufig mehr Wert auf ein ausgewogenes Angebot, das alle Aspekte des Wohlbefindens berücksichtigt. Im Vergleich dazu fokussieren wirtschaftlich weniger erfolgreiche Unternehmen vorwiegend auf das physische Wellbeing.
Info
Für die Studie „Global Benefits Attitudes Survey“ befragte WTW Anfang 2024 mehr als 45 000 Beschäftigte, davon 2000 in Deutschland.
Im März und April 2024 nahmen 52 mittlere und große Arbeitgeber aus Deutschland und Österreich an der WTW-Untersuchung „Wellbeing Diagnostic Survey“ teil. Die Unternehmen beschäftigen insgesamt 299.000 Mitarbeitende.
Steigende psychische Belastungen erfordern Maßnahmen
Ein besonderer Handlungsbedarf ergibt sich aus der gesundheitlichen Verfassung der Mitarbeitenden. Fast die Hälfte der Befragten leidet unter überdurchschnittlich hohem Stress, und 38 Prozent zeigen Symptome von Angst oder Depressionen. Dennoch befinden sich lediglich 23 Prozent der Betroffenen in ärztlicher Behandlung. Dies weist darauf hin, dass psychische Probleme in vielen Fällen nicht angemessen behandelt werden und hier ein großes Potenzial zur Verbesserung besteht. Die Zunahme psychischer Belastungen stellt für Unternehmen eine besondere Herausforderung dar. Arbeitgeber, die proaktiv auf diese Entwicklungen reagieren und umfassende Wellbeing-Strategien implementieren, sind langfristig besser aufgestellt. Ein ausgewogener Ansatz, der sowohl physisches als auch psychisches und finanzielles Wellbeing berücksichtigt, kann hier eine Schlüsselrolle spielen.
Ganzheitliche Wellbeing-Strategien als Erfolgsfaktor
Wellbeing ist ein zentrales Thema für Unternehmen und ihre Mitarbeitenden. Eine stärkere Fokussierung auf die Bedürfnisse der Beschäftigten, insbesondere im finanziellen Bereich, ist notwendig, um die Diskrepanz zwischen den Angeboten der Unternehmen und den Erwartungen der Mitarbeitenden zu überbrücken. Arbeitgeber, die umfassende Wellbeing-Strategien entwickeln und implementieren, profitieren langfristig von einer gesünderen, zufriedeneren und produktiveren Belegschaft. Die Herausforderungen der modernen Arbeitswelt, insbesondere im Hinblick auf psychische Belastungen und finanzielle Unsicherheiten, erfordern eine ganzheitliche Betrachtung des Wellbeings. Mit maßgeschneiderten Programmen, die die individuellen Bedürfnisse der Beschäftigten in den Mittelpunkt stellen, können Unternehmen einen nachhaltigen Mehrwert schaffen – sowohl für ihre Mitarbeitenden als auch für das eigene wirtschaftliche Ergebnis.
Autor
Nicoletta Blaschke,
Head of Health & Benefits, WTW
nicoletta.blaschke@wtwco.com
www.wtwco.com