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Wie können Marketing und HR ihre Kräfte bündeln?

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Frage an die HR-Werkstatt: Wie können Marketing und HR ihre Kräfte bündeln, um mehr Kandidaten zu erreichen?
Es antwortet: Ralph Adrian, Geschäftsführer der Recruiting-Agentur Personalturm

Der geradlinige Bewerbungsprozess, wie wir ihn aus früheren Zeiten kennen, existiert kaum noch. Die wenigen Kandidatinnen und Kandidaten, die sich überhaupt auf eine Stelle bewerben, informieren sich vorher sehr genau über ihren potenziellen neuen Arbeitgeber. Der Wandel vom Arbeitgeber- zum Bewerbermarkt hat dazu geführt, dass Kandidaten sich nicht mehr zu schnellen Entscheidungen hinreißen lassen. Der moderne Bewerber oder die moderne Bewerberin, startet erst einmal in aller Ruhe seine Digital Journey. Er oder sie sammelt an verschiedensten Stellen Informationen, um sich einen Überblick über die individuell relevanten Entscheidungskriterien wie etwa das Gehalt und die Arbeitsbedingungen zu verschaffen.

Der Status quo im Personalmarketing

Wenn wir uns bewusst machen, wie wichtig es für Kandidatinnen und Kandidaten ist, genau zu wissen, was sie in dem Unternehmen, bei dem sie sich bewerben, erwartet, wird deutlich, wie problematisch der Status quo im Personalmarketing ist. Und so wie es heute noch in vielen Unternehmen stattfindet, wird es in Zukunft nicht mehr funktionieren. Denn wenn Recruiting-Maßnahmen alleine darauf abzielen, schnelle Ergebnisse zu generieren, sind sie zum Scheitern verurteilt. Es ist zu kurz gedacht, Recruiting-Budgets zu investieren und eine sofortige Conversion zu erwarten. Kandidatinnen und Kandidaten sind heutzutage in der komfortablen Situation, mehrere Angebote miteinander vergleichen zu können und haben es nicht nötig, sich gleich für das erstbeste zu entscheiden. Somit sind Jobbörsen eher als Marktplatz mit Angeboten zu verstehen und nicht als Ort der finalen Entscheidung.

Wir müssen also mehr dafür tun, passive Kandidatinnen und Kandidaten zu überzeugen, also solche, die nicht aktiv auf Stellensuche sind, aber offen für einen Wechsel. Dafür reicht es nicht, nur eine Stellenanzeige zu schalten. Der Schlüssel liegt in der Bereitstellung relevanter Informationen und vor allem im Vertrauensaufbau. Headhunter beherrschen die Kunst, Kandidaten in der direkten Kommunikation von einem Arbeitgeber und einer Stelle zu überzeugen. Sie verstehen es, die Bedürfnisse beider Parteien in Einklang zu bringen. Erfolgreiches Recruiting ohne Headhunter wird langfristig nur möglich sein, wenn wir den Vertrauensaufbau in uns als Arbeitgeber eigenständig leisten. Und das geht im Marketing.

Starke Arbeitgebermarke als gemeinsames Ziel

Wenn wir unser Personalmarketing so optimieren wollen, dass wir in Zukunft handlungsfähig bleiben und eine Chance haben, die besten Kandidatinnen und Kandidaten für das eigene Unternehmen zu gewinnen, müssen wir vorausschauend denken und handeln. Wir müssen uns davon lösen, immer nur die nächste Bewerbung generieren zu wollen. Unser oberstes Ziel sollte es sein, eine attraktive Arbeitgebermarke aufzubauen und sie effektiv zu vermarkten. Eine Aufgabe, die durch eine umfängliche Zusammenarbeit von HR und Marketing zu stemmen ist. Doch genau hier hakt es häufig noch.

Es spielt keine Rolle, an welcher Stelle unsere Zielgruppe auf uns aufmerksam wird. Wichtig ist, dass wir nicht in Vermarktungssilos oder Funnels denken. Wir müssen vielmehr erkennen, inwieweit bei Kandidatinnen und Kandidaten bereits konkretes Interesse besteht oder ob sie sich noch in der reinen Informationsphase befinden und darauf unsere Inhalte entsprechend ausrichten. Es geht darum, unsere Zielgruppe durch unser digitales Ökosystem dauerhaft zu begleiten und jeden einzelnen Kandidaten und jede einzelne Kandidatin dort abzuholen, wo er oder sie gerade steht, und individuell zu überzeugen.

Damit das gelingt, müssen wir zunächst klar definieren, wer unsere Zielgruppe ist. Wen wollen wir erreichen, für welche Position und mit welchem Erfahrungslevel? Welche Bedürfnisse hat unsere Zielgruppe, welche Interessen und welche Präferenzen? Durch eine genaue Zielgruppenanalyse erstellen wir eine Candidate Persona, die als Grundlage für die Ausrichtung unseres Ökosystems dient. Zudem müssen wir verstehen, wie unsere Zielgruppe mit uns interagiert.

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Wie bewegt sie sich beispielsweise auf unserer Karriereseite? Für die Beantwortung dieser Frage können wir bestehende Daten verwenden oder müssen neue sammeln und diese anschließend systemübergreifend, also im Omni-Channel bewerten. Damit unser Ökosystem letztlich wirklich funktional ist, ist es extrem wichtig, dass unsere Zielgruppe im Backend segmentiert wird. Es reicht nicht, nur zu sehen, wie viele Klicks wir auf eine Stellenanzeige bekommen haben. Viel interessanter ist, ob eine Person zum Beispiel innerhalb eines bestimmten Zeitraumes die Anzeige ein zweites Mal gesichtet hat. Basierend darauf kann eine personalisierte Ansprache des Kandidaten oder der Kandidaten mittels Werbeanzeigen initiiert werden.

Unternehmen müssen dauerhaft präsent sein

Insbesondere für die Besetzung unternehmenskritischer Positionen ist es wichtig, dass wir für unsere Zielgruppe dauerhaft präsent sind. Unser Wunschkandidat oder unsere Wunschkandidatin muss uns immer wieder wahrnehmen, damit er oder sie vor einem Jobwechsel an uns denkt und uns als Arbeitgeber berücksichtigt. Denn nach dem Jobwechsel ist bekanntlich auch immer vor dem Jobwechsel. Durch die geschickte Ausrichtung unseres digitalen Ökosystems kommen wir dorthin, wo wir langfristig hinmüssen. Weg von der mühseligen Generierung einzelner Bewerbungen und hin zu einer gut sichtbaren Arbeitgebermarke, die bei Kandidatinnen und Kandidaten den Wunsch weckt, zu uns zu kommen.

Derzeit läuft es häufig so, dass die HR-Abteilung eine Stelle nicht besetzen kann und daher das Marketing um Hilfe bittet. Für schnelle Ergebnisse wird hier die Leadmaschine in Gang gesetzt. HR kann die generierten Leads jedoch nicht verwerten, da sich dahinter potenzielle Kandidaten verbergen, die sich meist noch in der Informationsphase befinden und folglich erst noch überzeugt werden müssen. Das kann HR aber oft nicht leisten – zum einen, weil die internen Kapazitäten fehlen und zum anderen, weil die hierfür notwendigen kommunikativen Kompetenzen häufig nicht ausreichend geschult sind. Die Folge ist, dass die Stelle unbesetzt bleibt und beide Abteilungen unzufrieden sind. Die Zusammenarbeit ist bereits im ersten Schritt gescheitert. Das geht definitiv besser!

HR und Marketing müssen sich auf ihre Expertise konzentrieren

Das notwendige Know-how für die volle Kontrolle aller Prozesse im digitalen Ökosystem steckt schließlich im Marketing. Das Wissen über Tracking, Pixel, Conversions, Priorisierung und Zielgruppensegmentierung muss nur abgerufen und umgesetzt werden. Die HR-Abteilung besitzt wiederum das Zielgruppenverständnis. Sie weiß, welche Inhalte bei Kandidaten Vertrauen wecken und sie überzeugen. Auch kennt sie die Sorgen, die mit einem Jobwechsel einhergehen und weiß durch Gespräche mit Bewerbern, welche Faktoren die finale Entscheidung für eine Vertragsunterzeichnung am meisten beeinflussen. Das können für Menschen aus der Generation Y etwa die flexiblen Arbeitszeiten sein oder ein cooles Office und für Personen aus der Generation Z beispielsweise die guten Entwicklungsmöglichkeiten. Personalabteilungen können also sicher einschätzen, welche Inhalte für welche Zielgruppe relevant sind und müssen sich nur im Klaren darüber sein, wen sie einstellen wollen und auf welchem Weg Inhalte vermarktet werden sollen.

So kümmert sich jede der beiden Abteilungen um das, was sie am besten kann. Das Marketing um die Steuerung aller Prozesse und HR um die Inhalte. Für eine zielführende Zusammenarbeit müssen die jeweiligen Expertisen natürlich noch gebündelt werden. Dafür ist ein reger Austausch beider Abteilungen in Form von regelmäßigen Meetings wichtig und die grundlegende Bereitschaft, Verständnis für die Herausforderungen der Kollegen und Kolleginnen aufzubringen und einander zu unterstützen. Dabei ist es nicht unbedingt notwendig, die Arbeitsweise der oder des anderen bis ins letzte Detail zu überblicken, sondern ihr oder ihm die benötigten Informationen bereitzustellen und gemeinsam zu überlegen, wie Prozesse verbessert werden können.

Es ist sinnvoll, Zusammenkünfte beider Abteilungen zu organisieren, während derer allgemeine Themen besprochen werden sowie spezielle Meetings, um Aufgaben und Schritte zu definieren, die in direktem Bezug zu aktuell und zukünftig zu besetzenden Positionen und den hierfür relevanten Zielgruppen stehen. Durch eine transparente Kommunikation und enge Hand-in-Hand-Zusammenarbeit beider Abteilungen entsteht eine Symbiose, aus der ein überzeugendes Employer Branding hervorgeht und als Grundlage für ein erfolgreiches Personalmarketing dient –  ein Personalmarketing, wie wir es in Zukunft brauchen, um offene Stellen zu besetzen.

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